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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Schrift der Encyclopädie und Bilderbücher.
Chinesen gemeinte chinesische Thier nicht dasselbe zu sein, wie das
von dem Japaner darauf bezogene japanische. Die Abbildungen, in
bedauernswerth kleinem Maassstab, scheinen öfters einfach aus der
chinesischen Encyclopädie entlehnt, in einzelnen Fällen nur nach
der Beschreibung entworfen zu sein, so bei den Mäusen.

Die chinesische ideographische Schrift spielt für den Ja-
paner die Rolle, welche das Lateinische zu Ende des Mittelalters
in Europa, es ist das gemeinsame Band nicht nur zwischen den
Schriftstellern, sondern zwischen allen nicht ganz unwissenden
Bewohnern beider Länder, welche sich gegenseitig nicht durch
Worte, wohl aber mittelst der chinesischen, von Jedem anders
ausgesprochenen, Schriftzeichen verständigen können, wie etwa in
Europa die verschiedenen Nationen die arabischen und römischen
Ziffern (und damit Rechnungen) gleich verstehen, aber verschieden
aussprechen. Andere, mehr populäre Bilderbücher haben einen
fortlaufenden japanischen Text in Cursivschrift, mit zahllos ein-
geflochtenen chinesischen Zeichen, ähnlich dem mit lateinischen oder
französischen Wörtern durchwebtem Deutsch der vergangenen Jahr-
hunderte, die meisten aber keinen, sondern nur Namen, sind also
wahre Bilderbücher. Was diese Namen betrifft, so fehlt nur in
wenigen, ist dagegen in manchen allein vorhanden oder doch sehr
vortretend der chinesische Name für das betreffende Thier, durch
ein ideographisches Zeichen ausgedrückt; links davon steht in der
Encyclopädie meistens dessen in Japan übliche Aussprache in
japanischer Fracturschrift (katagana), rechts die eigentlich japanische
Benennung in Cursivschrift (hiragana). Bei dieser Cursivschrift,
welche die am meisten gebräuchliche in Büchern sowohl, als beim
Schreiben zu sein scheint, ist für den Ungeübten oft schwer zu
erkennen, wo ein Buchstabe beginnt oder endet, ob irgend ein
Strich nur ein Verbindungsstrich zwischen zwei Zeichen oder ein
wesentlicher Zug des einen ist, um so mehr, als Verdoppelung eines
Zeichens regelmässig nur durch einen angehängten Schnörkel an-
gezeigt wird. Während meines Aufenthalts in Yokohama liess ich
mir diese japanischen Namen in der Encyclopädie und anderen
Bilderbüchern wiederholt von meinem Diener, einem anstelligen
Japaner, lesen, befragte ihn auch sonst nach den Namen von in
Natur oder Abbildung vorliegenden Thieren und notirte mir sogleich
den Wortlaut, controlirte seine Angaben in beider Hinsicht öfters
durch die Anderer und gelangte so zu einer nicht ganz geringen

5*

Schrift der Encyclopädie und Bilderbücher.
Chinesen gemeinte chinesische Thier nicht dasselbe zu sein, wie das
von dem Japaner darauf bezogene japanische. Die Abbildungen, in
bedauernswerth kleinem Maassstab, scheinen öfters einfach aus der
chinesischen Encyclopädie entlehnt, in einzelnen Fällen nur nach
der Beschreibung entworfen zu sein, so bei den Mäusen.

Die chinesische ideographische Schrift spielt für den Ja-
paner die Rolle, welche das Lateinische zu Ende des Mittelalters
in Europa, es ist das gemeinsame Band nicht nur zwischen den
Schriftstellern, sondern zwischen allen nicht ganz unwissenden
Bewohnern beider Länder, welche sich gegenseitig nicht durch
Worte, wohl aber mittelst der chinesischen, von Jedem anders
ausgesprochenen, Schriftzeichen verständigen können, wie etwa in
Europa die verschiedenen Nationen die arabischen und römischen
Ziffern (und damit Rechnungen) gleich verstehen, aber verschieden
aussprechen. Andere, mehr populäre Bilderbücher haben einen
fortlaufenden japanischen Text in Cursivschrift, mit zahllos ein-
geflochtenen chinesischen Zeichen, ähnlich dem mit lateinischen oder
französischen Wörtern durchwebtem Deutsch der vergangenen Jahr-
hunderte, die meisten aber keinen, sondern nur Namen, sind also
wahre Bilderbücher. Was diese Namen betrifft, so fehlt nur in
wenigen, ist dagegen in manchen allein vorhanden oder doch sehr
vortretend der chinesische Name für das betreffende Thier, durch
ein ideographisches Zeichen ausgedrückt; links davon steht in der
Encyclopädie meistens dessen in Japan übliche Aussprache in
japanischer Fracturschrift (katagana), rechts die eigentlich japanische
Benennung in Cursivschrift (hiragana). Bei dieser Cursivschrift,
welche die am meisten gebräuchliche in Büchern sowohl, als beim
Schreiben zu sein scheint, ist für den Ungeübten oft schwer zu
erkennen, wo ein Buchstabe beginnt oder endet, ob irgend ein
Strich nur ein Verbindungsstrich zwischen zwei Zeichen oder ein
wesentlicher Zug des einen ist, um so mehr, als Verdoppelung eines
Zeichens regelmässig nur durch einen angehängten Schnörkel an-
gezeigt wird. Während meines Aufenthalts in Yokohama liess ich
mir diese japanischen Namen in der Encyclopädie und anderen
Bilderbüchern wiederholt von meinem Diener, einem anstelligen
Japaner, lesen, befragte ihn auch sonst nach den Namen von in
Natur oder Abbildung vorliegenden Thieren und notirte mir sogleich
den Wortlaut, controlirte seine Angaben in beider Hinsicht öfters
durch die Anderer und gelangte so zu einer nicht ganz geringen

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[67/0085] Schrift der Encyclopädie und Bilderbücher. Chinesen gemeinte chinesische Thier nicht dasselbe zu sein, wie das von dem Japaner darauf bezogene japanische. Die Abbildungen, in bedauernswerth kleinem Maassstab, scheinen öfters einfach aus der chinesischen Encyclopädie entlehnt, in einzelnen Fällen nur nach der Beschreibung entworfen zu sein, so bei den Mäusen. Die chinesische ideographische Schrift spielt für den Ja- paner die Rolle, welche das Lateinische zu Ende des Mittelalters in Europa, es ist das gemeinsame Band nicht nur zwischen den Schriftstellern, sondern zwischen allen nicht ganz unwissenden Bewohnern beider Länder, welche sich gegenseitig nicht durch Worte, wohl aber mittelst der chinesischen, von Jedem anders ausgesprochenen, Schriftzeichen verständigen können, wie etwa in Europa die verschiedenen Nationen die arabischen und römischen Ziffern (und damit Rechnungen) gleich verstehen, aber verschieden aussprechen. Andere, mehr populäre Bilderbücher haben einen fortlaufenden japanischen Text in Cursivschrift, mit zahllos ein- geflochtenen chinesischen Zeichen, ähnlich dem mit lateinischen oder französischen Wörtern durchwebtem Deutsch der vergangenen Jahr- hunderte, die meisten aber keinen, sondern nur Namen, sind also wahre Bilderbücher. Was diese Namen betrifft, so fehlt nur in wenigen, ist dagegen in manchen allein vorhanden oder doch sehr vortretend der chinesische Name für das betreffende Thier, durch ein ideographisches Zeichen ausgedrückt; links davon steht in der Encyclopädie meistens dessen in Japan übliche Aussprache in japanischer Fracturschrift (katagana), rechts die eigentlich japanische Benennung in Cursivschrift (hiragana). Bei dieser Cursivschrift, welche die am meisten gebräuchliche in Büchern sowohl, als beim Schreiben zu sein scheint, ist für den Ungeübten oft schwer zu erkennen, wo ein Buchstabe beginnt oder endet, ob irgend ein Strich nur ein Verbindungsstrich zwischen zwei Zeichen oder ein wesentlicher Zug des einen ist, um so mehr, als Verdoppelung eines Zeichens regelmässig nur durch einen angehängten Schnörkel an- gezeigt wird. Während meines Aufenthalts in Yokohama liess ich mir diese japanischen Namen in der Encyclopädie und anderen Bilderbüchern wiederholt von meinem Diener, einem anstelligen Japaner, lesen, befragte ihn auch sonst nach den Namen von in Natur oder Abbildung vorliegenden Thieren und notirte mir sogleich den Wortlaut, controlirte seine Angaben in beider Hinsicht öfters durch die Anderer und gelangte so zu einer nicht ganz geringen 5*

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/85>, abgerufen am 05.05.2024.