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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Meerthiere des Steingrundes.
Gürtel von Wasser entblösst wird, wobei einzelne Einsenkungen
ihr Wasser nicht ganz verlieren und einzelne Steinblöcke frei werden.
Auf dem kahlen Schlamme findet man fast nichts, höchstens einmal
eine kleine Nassa; doch verrathen einzelne runde Löcher die An-
wesenheit anderer lebender Wesen, die ich aber trotz raschen Nach-
grabens mit dem Wurzelstecher nicht zu erreichen vermochte. In
den kleinen Wasserläufen, welche auf dem Schlammboden sich er-
hielten, trieb sich zuweilen eine Schaufelkrabbe, Thalamita Prymno
Herbst, umher. Dagegen war ich sicher, lebende Thiere zu finden,
wo auch nur Ein Stein aus dem Schlamm sichtbar wurde; min-
destens sassen einzelne Meerschnecken daran aus den Gattungen
Nerita, Trochus (seltener), Ricinula, Columbella oder Planaxis; die
drei letzteren von aussen unscheinbar, matt, aber an der Mündung
lebhaft violett gefärbt. Oft auch fanden sich an solchen Steinen
kleine Tange und an diesen kleine Crustaceen, besonders Amphi-
poden. Unter den losen Steinen verstecken sich öfters kleine Fische;
ich sah einen armen Chinesen sich sein Mittagsbrod verschaffen,
indem er solche Steine vorsichtig lüftete und mittelst einer hölzernen
Schaufel rasch die darunter befindlichen Fische noch im Fliehen auf-
fing; es waren Gobius, Eleotris und ein kleiner Siluroid (Plotosus),
der seiner gespreizten Brustflossenstacheln wegen sehr vorsichtig
anzufassen ist.

Noch reicher zeigt sich die Thierwelt auf den kleinen Felsen-
inseln und vorliegenden Klippen nahe New-harbour bei einem Be-
suche zur Zeit der tiefsten Ebbe. Vor jedem Fusstritt stiebt eine
Anzahl raschfüssiger langschwänziger Asseln, Ligia, aus einander.
An den losen Steinen sitzt häufig eine Nacktschnecke, Onchidium,
und unter denselben kleine ziegelrothe gesellige Amphipoden; schwarze
Poduren gehen auf dem Trocknen am Rande des Wassers umher
oder schwimmen in Kreisen, wie unser Taumelkäfer, Gyrinus (so
auf der Signalinsel); zu den Neriten (hier N. albicilla, Rumphii und
lineata bei einander) und kleinen Trochus, in dieser Zeit ein wenig
über Wasser, haben sich ein grösserer Silbermund, Turbo concinnus
Phil., mit blaugrünem Deckel, und die Delfinschnecke, Delphinula atrata,
ferner Patellen und Siphonarien gesellt. Mehrerlei Krabben, worunter
der dunkelamaranthrothe Cancer Ocyroe Herbst und die kräftige
rothäugige Eriphia laevimana Latr., laufen über die Klippen weg.
In den Vertiefungen, die noch Wasser enthalten, streckt sich eine
schwärzliche Holothurie, von den mich begleitenden Matrosen erst

Meerthiere des Steingrundes.
Gürtel von Wasser entblösst wird, wobei einzelne Einsenkungen
ihr Wasser nicht ganz verlieren und einzelne Steinblöcke frei werden.
Auf dem kahlen Schlamme findet man fast nichts, höchstens einmal
eine kleine Nassa; doch verrathen einzelne runde Löcher die An-
wesenheit anderer lebender Wesen, die ich aber trotz raschen Nach-
grabens mit dem Wurzelstecher nicht zu erreichen vermochte. In
den kleinen Wasserläufen, welche auf dem Schlammboden sich er-
hielten, trieb sich zuweilen eine Schaufelkrabbe, Thalamita Prymno
Herbst, umher. Dagegen war ich sicher, lebende Thiere zu finden,
wo auch nur Ein Stein aus dem Schlamm sichtbar wurde; min-
destens sassen einzelne Meerschnecken daran aus den Gattungen
Nerita, Trochus (seltener), Ricinula, Columbella oder Planaxis; die
drei letzteren von aussen unscheinbar, matt, aber an der Mündung
lebhaft violett gefärbt. Oft auch fanden sich an solchen Steinen
kleine Tange und an diesen kleine Crustaceen, besonders Amphi-
poden. Unter den losen Steinen verstecken sich öfters kleine Fische;
ich sah einen armen Chinesen sich sein Mittagsbrod verschaffen,
indem er solche Steine vorsichtig lüftete und mittelst einer hölzernen
Schaufel rasch die darunter befindlichen Fische noch im Fliehen auf-
fing; es waren Gobius, Eleotris und ein kleiner Siluroid (Plotosus),
der seiner gespreizten Brustflossenstacheln wegen sehr vorsichtig
anzufassen ist.

Noch reicher zeigt sich die Thierwelt auf den kleinen Felsen-
inseln und vorliegenden Klippen nahe New-harbour bei einem Be-
suche zur Zeit der tiefsten Ebbe. Vor jedem Fusstritt stiebt eine
Anzahl raschfüssiger langschwänziger Asseln, Ligia, aus einander.
An den losen Steinen sitzt häufig eine Nacktschnecke, Onchidium,
und unter denselben kleine ziegelrothe gesellige Amphipoden; schwarze
Poduren gehen auf dem Trocknen am Rande des Wassers umher
oder schwimmen in Kreisen, wie unser Taumelkäfer, Gyrinus (so
auf der Signalinsel); zu den Neriten (hier N. albicilla, Rumphii und
lineata bei einander) und kleinen Trochus, in dieser Zeit ein wenig
über Wasser, haben sich ein grösserer Silbermund, Turbo concinnus
Phil., mit blaugrünem Deckel, und die Delfinschnecke, Delphinula atrata,
ferner Patellen und Siphonarien gesellt. Mehrerlei Krabben, worunter
der dunkelamaranthrothe Cancer Ocyroë Herbst und die kräftige
rothäugige Eriphia laevimana Latr., laufen über die Klippen weg.
In den Vertiefungen, die noch Wasser enthalten, streckt sich eine
schwärzliche Holothurie, von den mich begleitenden Matrosen erst

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[237/0255] Meerthiere des Steingrundes. Gürtel von Wasser entblösst wird, wobei einzelne Einsenkungen ihr Wasser nicht ganz verlieren und einzelne Steinblöcke frei werden. Auf dem kahlen Schlamme findet man fast nichts, höchstens einmal eine kleine Nassa; doch verrathen einzelne runde Löcher die An- wesenheit anderer lebender Wesen, die ich aber trotz raschen Nach- grabens mit dem Wurzelstecher nicht zu erreichen vermochte. In den kleinen Wasserläufen, welche auf dem Schlammboden sich er- hielten, trieb sich zuweilen eine Schaufelkrabbe, Thalamita Prymno Herbst, umher. Dagegen war ich sicher, lebende Thiere zu finden, wo auch nur Ein Stein aus dem Schlamm sichtbar wurde; min- destens sassen einzelne Meerschnecken daran aus den Gattungen Nerita, Trochus (seltener), Ricinula, Columbella oder Planaxis; die drei letzteren von aussen unscheinbar, matt, aber an der Mündung lebhaft violett gefärbt. Oft auch fanden sich an solchen Steinen kleine Tange und an diesen kleine Crustaceen, besonders Amphi- poden. Unter den losen Steinen verstecken sich öfters kleine Fische; ich sah einen armen Chinesen sich sein Mittagsbrod verschaffen, indem er solche Steine vorsichtig lüftete und mittelst einer hölzernen Schaufel rasch die darunter befindlichen Fische noch im Fliehen auf- fing; es waren Gobius, Eleotris und ein kleiner Siluroid (Plotosus), der seiner gespreizten Brustflossenstacheln wegen sehr vorsichtig anzufassen ist. Noch reicher zeigt sich die Thierwelt auf den kleinen Felsen- inseln und vorliegenden Klippen nahe New-harbour bei einem Be- suche zur Zeit der tiefsten Ebbe. Vor jedem Fusstritt stiebt eine Anzahl raschfüssiger langschwänziger Asseln, Ligia, aus einander. An den losen Steinen sitzt häufig eine Nacktschnecke, Onchidium, und unter denselben kleine ziegelrothe gesellige Amphipoden; schwarze Poduren gehen auf dem Trocknen am Rande des Wassers umher oder schwimmen in Kreisen, wie unser Taumelkäfer, Gyrinus (so auf der Signalinsel); zu den Neriten (hier N. albicilla, Rumphii und lineata bei einander) und kleinen Trochus, in dieser Zeit ein wenig über Wasser, haben sich ein grösserer Silbermund, Turbo concinnus Phil., mit blaugrünem Deckel, und die Delfinschnecke, Delphinula atrata, ferner Patellen und Siphonarien gesellt. Mehrerlei Krabben, worunter der dunkelamaranthrothe Cancer Ocyroë Herbst und die kräftige rothäugige Eriphia laevimana Latr., laufen über die Klippen weg. In den Vertiefungen, die noch Wasser enthalten, streckt sich eine schwärzliche Holothurie, von den mich begleitenden Matrosen erst

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/255>, abgerufen am 19.05.2024.