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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Glaskoralle.
zuerst (1834) als Hyalonema Sieboldi in die Litteratur eingeführt.
Es sind Bündel fusslanger, schwach spiralgedrehter, glasartiger
Fäden, welche aus einem Schwamm hervorkommen und als Ganzes
von einem Ueberzug eines rindenartigen achtarmigen Polypen besetzt
sind. Gray hatte den Glasfadenbündel für die zu diesem Polypen
gehörige Centralaxe, analog der hornartigen bei Gorgonia, und den
Schwamm nur als Wohnplatz des Polypen betrachtet; derselben
Meinung war noch Brandt in seiner ausführlicheren Bearbeitung
dieser von ihm Hyalochaetiden genannten Geschöpfe. Erst Max
Schultze wies nach Untersuchung der Exemplare des Leidener
Museums in einer eingehenden, an mikroskopischen Untersuchungen
reichen Arbeit: Die Hyalonemen, ein Beitrag zur Naturgeschichte
der Spongien, Bonn 1860, 4to, mit fünf Tafeln -- nach, dass die
Glasfäden zum Schwamm gehören und der Polypenüberzug ein
parasitischer, ihnen wesentlich fremder sei. Zu demselben Resultat
war ich, ohne noch seine Arbeit zu kennen, in Japan am Ende
desselben Jahres gelangt, leider auch ohne frische Exemplare unter-
suchen zu können (s. meine briefliche Mittheilung an Prof. Peters
in den Monatsberichten der Berliner Akademie, 1861, Seite 479).
Diese Glasfädenbündel waren nämlich in einigen Läden zu Yokohama
mehrfach zu kaufen, öfters künstlich zusammengesetzt, in Pholaden-
bohrlöcher grösserer Steine eingesetzt oder einfach auf Stein fest-
geleimt. Man erzählte mir, dass der niederländische Consul, van
Polsbroek, frische Exemplare besessen habe, und auf meine Anfrage
deshalb hatte derselbe die Güte, mir brieflich mitzutheilen, dass er
dieselben durch einen Japaner bekommen, den er nach Enosima bei
Uraga geschickt, um Korallen und andere Meergewächse zu kaufen
(Uraga liegt am Eingange der Bai von Yeddo, Enosima finde ich
auf den mir zugänglichen Karten nicht, die Bezeichnung sima be-
deutet Insel). Die anfängliche Hoffnung, in einem der preussischen
Schiffsboote eine Expedition dorthin machen zu können, erwies sich
bald als trügerisch; so blieb mir nichts übrig, als meinen getreuen
japanischen Diener -- der von Herrn Polsbroek verwandte Mann
war damals nicht mehr dort, sondern in Nangasaki -- mit möglichst
fasslichen Instructionen dahin zu schicken. Derselbe schien Alles
verstanden zu haben, ging, blieb einige Tage aus und kam dann
zurück mit einigen dieser Glaskorallen, die allerdings der Instruction
gemäss in einem Gefäss voll Meerwasser lagen. Aber im Uebrigen
sahen sie ganz aus, wie die in den Läden gekauften, so dass trotz

Glaskoralle.
zuerst (1834) als Hyalonema Sieboldi in die Litteratur eingeführt.
Es sind Bündel fusslanger, schwach spiralgedrehter, glasartiger
Fäden, welche aus einem Schwamm hervorkommen und als Ganzes
von einem Ueberzug eines rindenartigen achtarmigen Polypen besetzt
sind. Gray hatte den Glasfadenbündel für die zu diesem Polypen
gehörige Centralaxe, analog der hornartigen bei Gorgonia, und den
Schwamm nur als Wohnplatz des Polypen betrachtet; derselben
Meinung war noch Brandt in seiner ausführlicheren Bearbeitung
dieser von ihm Hyalochaetiden genannten Geschöpfe. Erst Max
Schultze wies nach Untersuchung der Exemplare des Leidener
Museums in einer eingehenden, an mikroskopischen Untersuchungen
reichen Arbeit: Die Hyalonemen, ein Beitrag zur Naturgeschichte
der Spongien, Bonn 1860, 4to, mit fünf Tafeln — nach, dass die
Glasfäden zum Schwamm gehören und der Polypenüberzug ein
parasitischer, ihnen wesentlich fremder sei. Zu demselben Resultat
war ich, ohne noch seine Arbeit zu kennen, in Japan am Ende
desselben Jahres gelangt, leider auch ohne frische Exemplare unter-
suchen zu können (s. meine briefliche Mittheilung an Prof. Peters
in den Monatsberichten der Berliner Akademie, 1861, Seite 479).
Diese Glasfädenbündel waren nämlich in einigen Läden zu Yokohama
mehrfach zu kaufen, öfters künstlich zusammengesetzt, in Pholaden-
bohrlöcher grösserer Steine eingesetzt oder einfach auf Stein fest-
geleimt. Man erzählte mir, dass der niederländische Consul, van
Polsbroek, frische Exemplare besessen habe, und auf meine Anfrage
deshalb hatte derselbe die Güte, mir brieflich mitzutheilen, dass er
dieselben durch einen Japaner bekommen, den er nach Enosima bei
Uraga geschickt, um Korallen und andere Meergewächse zu kaufen
(Uraga liegt am Eingange der Bai von Yeddo, Enosima finde ich
auf den mir zugänglichen Karten nicht, die Bezeichnung sima be-
deutet Insel). Die anfängliche Hoffnung, in einem der preussischen
Schiffsboote eine Expedition dorthin machen zu können, erwies sich
bald als trügerisch; so blieb mir nichts übrig, als meinen getreuen
japanischen Diener — der von Herrn Polsbroek verwandte Mann
war damals nicht mehr dort, sondern in Nangasaki — mit möglichst
fasslichen Instructionen dahin zu schicken. Derselbe schien Alles
verstanden zu haben, ging, blieb einige Tage aus und kam dann
zurück mit einigen dieser Glaskorallen, die allerdings der Instruction
gemäss in einem Gefäss voll Meerwasser lagen. Aber im Uebrigen
sahen sie ganz aus, wie die in den Läden gekauften, so dass trotz

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[144/0162] Glaskoralle. zuerst (1834) als Hyalonema Sieboldi in die Litteratur eingeführt. Es sind Bündel fusslanger, schwach spiralgedrehter, glasartiger Fäden, welche aus einem Schwamm hervorkommen und als Ganzes von einem Ueberzug eines rindenartigen achtarmigen Polypen besetzt sind. Gray hatte den Glasfadenbündel für die zu diesem Polypen gehörige Centralaxe, analog der hornartigen bei Gorgonia, und den Schwamm nur als Wohnplatz des Polypen betrachtet; derselben Meinung war noch Brandt in seiner ausführlicheren Bearbeitung dieser von ihm Hyalochaetiden genannten Geschöpfe. Erst Max Schultze wies nach Untersuchung der Exemplare des Leidener Museums in einer eingehenden, an mikroskopischen Untersuchungen reichen Arbeit: Die Hyalonemen, ein Beitrag zur Naturgeschichte der Spongien, Bonn 1860, 4to, mit fünf Tafeln — nach, dass die Glasfäden zum Schwamm gehören und der Polypenüberzug ein parasitischer, ihnen wesentlich fremder sei. Zu demselben Resultat war ich, ohne noch seine Arbeit zu kennen, in Japan am Ende desselben Jahres gelangt, leider auch ohne frische Exemplare unter- suchen zu können (s. meine briefliche Mittheilung an Prof. Peters in den Monatsberichten der Berliner Akademie, 1861, Seite 479). Diese Glasfädenbündel waren nämlich in einigen Läden zu Yokohama mehrfach zu kaufen, öfters künstlich zusammengesetzt, in Pholaden- bohrlöcher grösserer Steine eingesetzt oder einfach auf Stein fest- geleimt. Man erzählte mir, dass der niederländische Consul, van Polsbroek, frische Exemplare besessen habe, und auf meine Anfrage deshalb hatte derselbe die Güte, mir brieflich mitzutheilen, dass er dieselben durch einen Japaner bekommen, den er nach Enosima bei Uraga geschickt, um Korallen und andere Meergewächse zu kaufen (Uraga liegt am Eingange der Bai von Yeddo, Enosima finde ich auf den mir zugänglichen Karten nicht, die Bezeichnung sima be- deutet Insel). Die anfängliche Hoffnung, in einem der preussischen Schiffsboote eine Expedition dorthin machen zu können, erwies sich bald als trügerisch; so blieb mir nichts übrig, als meinen getreuen japanischen Diener — der von Herrn Polsbroek verwandte Mann war damals nicht mehr dort, sondern in Nangasaki — mit möglichst fasslichen Instructionen dahin zu schicken. Derselbe schien Alles verstanden zu haben, ging, blieb einige Tage aus und kam dann zurück mit einigen dieser Glaskorallen, die allerdings der Instruction gemäss in einem Gefäss voll Meerwasser lagen. Aber im Uebrigen sahen sie ganz aus, wie die in den Läden gekauften, so dass trotz

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/162>, abgerufen am 06.05.2024.