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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Holothurien. Korallen.

Von Echinodermen sah ich auf dem Markte nur grün- und
gelbfleckige noch lebende Holothurien, namako, die demnach auch
frisch, nicht nur getrocknet und geräuchert in der japanischen
Küche verwendet werden. Seesterne, Asteriscus pectinifer, sah ich
wiederholt in den Kehrichthaufen der Bauernhäuser, aber unver-
letzt, nie auf dem Markt; es scheint daher nicht, dass sie gegessen
werden; eben so wenig Seeigel. Von den niedrigeren Thieren kennt
der Japaner, wenigstens seine Encyclopädie, nur noch Quallen,
kurake, und Korallen; von ersteren bekam ich während unseres
Aufenthaltes in der Bai von Yeddo keine zu sehen, obwohl der
Herbst anderswo eine günstige Jahreszeit für dieselben ist. Nach
Kämpfer wird eine besondere Art davon gegessen; vielleicht meint
er eine Actinie; diese werden auch in Südeuropa vom gemeinen
Manne gegessen. Die Koralle kennt der Japaner mehr als Schmuck-
und Handelsgegenstand, und als solche, auf Tischchen oder gar in
Vasen aufgestellt, bildet sie auch die Encyclopädie (unter den
Mineralien) ab: sangosiyu ist entweder, wie schon Thunberg angibt,
die rothe Koralle des Mittelmeeres, welche überall im Osten, wo
sie nicht vorkommt, geschätzt wird, vielleicht auch deren bleichere
Schwester vom nördlichen Theile des stillen Oceans: Corallium
secundum M. E., oder vielleicht auch die fast eben so dunkelrothe,
aber wesentlich verschiedene Distichopora coccinea Gray, welche
ich mehrmals in den Kaufläden zu Yokohama sah; Thunberg erwähnt
der letzteren noch besonders als Millepora sp. von der Insel Syosu-
sima (Syodosima auf Siebold's Karte?) in der japanischen Binnensee.
Die holländischen Museen besitzen noch mehrere schöne Korallen
von Japan, so die einer europäischen ähnliche Dendrophyllia semi-
ramea Haan, die grosse kelchförmige Turbinaria ovata, vermuthlich
die hari der Encyclopädie, die feine Antipathes Sieboldi, die ge-
gliederte Isis hippuris L. und die weit schlankere Isis elongata Esp.;
letztere erhielt ich ebenfalls in Yokohama und finde sie nicht ver-
schieden von der gleichnamigen Art, welche Philippi und ich früher
in Neapel bekommen. In der Bai von Yeddo selbst scheint keine
dieser Korallen vorzukommen.

Der berühmteste der japanischen Schmuckgegenstände aus
den niederen Thierklassen ist die -- ich möchte fast sagen -- be-
rüchtigte Glaskoralle. In den älteren Werken über Japan, von
Kämpfer und Thunberg, so wie in der eigenen Encyclopädie finde
ich nichts, was darauf zu deuten wäre; Gray in London hat sie

Holothurien. Korallen.

Von Echinodermen sah ich auf dem Markte nur grün- und
gelbfleckige noch lebende Holothurien, namako, die demnach auch
frisch, nicht nur getrocknet und geräuchert in der japanischen
Küche verwendet werden. Seesterne, Asteriscus pectinifer, sah ich
wiederholt in den Kehrichthaufen der Bauernhäuser, aber unver-
letzt, nie auf dem Markt; es scheint daher nicht, dass sie gegessen
werden; eben so wenig Seeigel. Von den niedrigeren Thieren kennt
der Japaner, wenigstens seine Encyclopädie, nur noch Quallen,
kurake, und Korallen; von ersteren bekam ich während unseres
Aufenthaltes in der Bai von Yeddo keine zu sehen, obwohl der
Herbst anderswo eine günstige Jahreszeit für dieselben ist. Nach
Kämpfer wird eine besondere Art davon gegessen; vielleicht meint
er eine Actinie; diese werden auch in Südeuropa vom gemeinen
Manne gegessen. Die Koralle kennt der Japaner mehr als Schmuck-
und Handelsgegenstand, und als solche, auf Tischchen oder gar in
Vasen aufgestellt, bildet sie auch die Encyclopädie (unter den
Mineralien) ab: sangosiyu ist entweder, wie schon Thunberg angibt,
die rothe Koralle des Mittelmeeres, welche überall im Osten, wo
sie nicht vorkommt, geschätzt wird, vielleicht auch deren bleichere
Schwester vom nördlichen Theile des stillen Oceans: Corallium
secundum M. E., oder vielleicht auch die fast eben so dunkelrothe,
aber wesentlich verschiedene Distichopora coccinea Gray, welche
ich mehrmals in den Kaufläden zu Yokohama sah; Thunberg erwähnt
der letzteren noch besonders als Millepora sp. von der Insel Syosu-
sima (Syodosima auf Siebold’s Karte?) in der japanischen Binnensee.
Die holländischen Museen besitzen noch mehrere schöne Korallen
von Japan, so die einer europäischen ähnliche Dendrophyllia semi-
ramea Haan, die grosse kelchförmige Turbinaria ovata, vermuthlich
die hari der Encyclopädie, die feine Antipathes Sieboldi, die ge-
gliederte Isis hippuris L. und die weit schlankere Isis elongata Esp.;
letztere erhielt ich ebenfalls in Yokohama und finde sie nicht ver-
schieden von der gleichnamigen Art, welche Philippi und ich früher
in Neapel bekommen. In der Bai von Yeddo selbst scheint keine
dieser Korallen vorzukommen.

Der berühmteste der japanischen Schmuckgegenstände aus
den niederen Thierklassen ist die — ich möchte fast sagen — be-
rüchtigte Glaskoralle. In den älteren Werken über Japan, von
Kämpfer und Thunberg, so wie in der eigenen Encyclopädie finde
ich nichts, was darauf zu deuten wäre; Gray in London hat sie

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[143/0161] Holothurien. Korallen. Von Echinodermen sah ich auf dem Markte nur grün- und gelbfleckige noch lebende Holothurien, namako, die demnach auch frisch, nicht nur getrocknet und geräuchert in der japanischen Küche verwendet werden. Seesterne, Asteriscus pectinifer, sah ich wiederholt in den Kehrichthaufen der Bauernhäuser, aber unver- letzt, nie auf dem Markt; es scheint daher nicht, dass sie gegessen werden; eben so wenig Seeigel. Von den niedrigeren Thieren kennt der Japaner, wenigstens seine Encyclopädie, nur noch Quallen, kurake, und Korallen; von ersteren bekam ich während unseres Aufenthaltes in der Bai von Yeddo keine zu sehen, obwohl der Herbst anderswo eine günstige Jahreszeit für dieselben ist. Nach Kämpfer wird eine besondere Art davon gegessen; vielleicht meint er eine Actinie; diese werden auch in Südeuropa vom gemeinen Manne gegessen. Die Koralle kennt der Japaner mehr als Schmuck- und Handelsgegenstand, und als solche, auf Tischchen oder gar in Vasen aufgestellt, bildet sie auch die Encyclopädie (unter den Mineralien) ab: sangosiyu ist entweder, wie schon Thunberg angibt, die rothe Koralle des Mittelmeeres, welche überall im Osten, wo sie nicht vorkommt, geschätzt wird, vielleicht auch deren bleichere Schwester vom nördlichen Theile des stillen Oceans: Corallium secundum M. E., oder vielleicht auch die fast eben so dunkelrothe, aber wesentlich verschiedene Distichopora coccinea Gray, welche ich mehrmals in den Kaufläden zu Yokohama sah; Thunberg erwähnt der letzteren noch besonders als Millepora sp. von der Insel Syosu- sima (Syodosima auf Siebold’s Karte?) in der japanischen Binnensee. Die holländischen Museen besitzen noch mehrere schöne Korallen von Japan, so die einer europäischen ähnliche Dendrophyllia semi- ramea Haan, die grosse kelchförmige Turbinaria ovata, vermuthlich die hari der Encyclopädie, die feine Antipathes Sieboldi, die ge- gliederte Isis hippuris L. und die weit schlankere Isis elongata Esp.; letztere erhielt ich ebenfalls in Yokohama und finde sie nicht ver- schieden von der gleichnamigen Art, welche Philippi und ich früher in Neapel bekommen. In der Bai von Yeddo selbst scheint keine dieser Korallen vorzukommen. Der berühmteste der japanischen Schmuckgegenstände aus den niederen Thierklassen ist die — ich möchte fast sagen — be- rüchtigte Glaskoralle. In den älteren Werken über Japan, von Kämpfer und Thunberg, so wie in der eigenen Encyclopädie finde ich nichts, was darauf zu deuten wäre; Gray in London hat sie

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/161>, abgerufen am 06.05.2024.