Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Süsswassermuscheln.
einige Arten um Yokohama vorgekommen, alle nur an beschränkten
Lokalitäten, aber dort in Mehrzahl: die eine, M. ambidextra, im
Fluss zwischen Yokohama und Kanagawa, nahe vor seiner Mündung,
noch im süssen Wasser; eine zweite fand Herr Wichura zuerst auf
dem Wege nach der Mississippibai an Felsen, da, wo sie von herab-
rieselndem Wasser benetzt wurden. Die Encyclopädie führt sie
unter dem Namen mina oder nina als Bewohner steiniger Bäche
auf. Süsswasser-Neritinen fanden sich um Yokohama keine, wohl
aber bei Nangasaki eine stark abgenagte ovale Art an grösseren
Steinen eines Baches. Von Muscheln dagegen traf ich um Yoko-
hama eine mittelgrosse Anodonta einigemal in den aufgestauten
Teichen am obern Ende der kleinen Thäler, und eine statt-
liche Cyrena (Untergattung Corbicula Desh.), sisimi, zahlreich in
den Gewässern von Odsi bei Yeddo; es ist dieses das nördlichste
mir bekannte Vorkommen der Gattung. Sie scheint von den Japa-
nern gegessen zu werden, denn ich fand einen Haufen leerer Scha-
len derselben an unsrem Landungsplatze in Yeddo, als ich zuerst
den Fuss auf japanischen Boden setzte, wahrscheinlich Ueberbleibsel
von einer Mahlzeit der wachehabenden Beamten. Die Cyrena ist
allgemein bekannt als sisimi, auch sisime und sitsime gesprochen;
für Anodonten und Unionen hat die Encyclopädie zwei Artikel mit
je zwei Namen: 1. nangata-kai oder dobu-kai, 2. karasu-kai, Ra-
benmuschel, oder kamisori-kai, Rasirmessermuschel, weil sie, im
Schlamme versteckt, die Füsse der unvorsichtig Hineintretenden
verletzt; in Yokohama kennt man keinen von diesen, sondern nur
haike.

Endlich ist unter den Süsswasserthieren noch der Blutegel,
khiru, zu erwähnen, deren sich verschiedene um Yokohama fanden,
theils unserem medicinischen ähnliche, buntgestreift, doch kleiner,
theils die flachgedrückten aus der Gattung Clepsine. Die ersteren
werden auch von den japanischen Aerzten zu Blutentziehungen
benutzt.

Die genannten Süsswasserthiere bilden die Hauptbevölkerung
sowohl der Teiche, als der kleineren Wassergräben am Rande der
Reisfelder, zwischen und an den Stengeln und Blättern von Ne-
lumbium, Potamogeton, Ranunculus, Sagittaria und anderer Wasser-
pflanzen. Die Reisfelder selbst, die in der zweiten Hälfte des Herb-
stes regelmässig unter Wasser standen, boten weniger, von Pflanzen
hauptsächlich Pontederia, von Thieren Frösche und Paludinen.

Süsswassermuscheln.
einige Arten um Yokohama vorgekommen, alle nur an beschränkten
Lokalitäten, aber dort in Mehrzahl: die eine, M. ambidextra, im
Fluss zwischen Yokohama und Kanagawa, nahe vor seiner Mündung,
noch im süssen Wasser; eine zweite fand Herr Wichura zuerst auf
dem Wege nach der Mississippibai an Felsen, da, wo sie von herab-
rieselndem Wasser benetzt wurden. Die Encyclopädie führt sie
unter dem Namen mina oder nina als Bewohner steiniger Bäche
auf. Süsswasser-Neritinen fanden sich um Yokohama keine, wohl
aber bei Nangasaki eine stark abgenagte ovale Art an grösseren
Steinen eines Baches. Von Muscheln dagegen traf ich um Yoko-
hama eine mittelgrosse Anodonta einigemal in den aufgestauten
Teichen am obern Ende der kleinen Thäler, und eine statt-
liche Cyrena (Untergattung Corbicula Desh.), sisimi, zahlreich in
den Gewässern von Odsi bei Yeddo; es ist dieses das nördlichste
mir bekannte Vorkommen der Gattung. Sie scheint von den Japa-
nern gegessen zu werden, denn ich fand einen Haufen leerer Scha-
len derselben an unsrem Landungsplatze in Yeddo, als ich zuerst
den Fuss auf japanischen Boden setzte, wahrscheinlich Ueberbleibsel
von einer Mahlzeit der wachehabenden Beamten. Die Cyrena ist
allgemein bekannt als sisimi, auch sisime und sitsime gesprochen;
für Anodonten und Unionen hat die Encyclopädie zwei Artikel mit
je zwei Namen: 1. nangata-kai oder dobu-kai, 2. karasu-kai, Ra-
benmuschel, oder kamisori-kai, Rasirmessermuschel, weil sie, im
Schlamme versteckt, die Füsse der unvorsichtig Hineintretenden
verletzt; in Yokohama kennt man keinen von diesen, sondern nur
haike.

Endlich ist unter den Süsswasserthieren noch der Blutegel,
χiru, zu erwähnen, deren sich verschiedene um Yokohama fanden,
theils unserem medicinischen ähnliche, buntgestreift, doch kleiner,
theils die flachgedrückten aus der Gattung Clepsine. Die ersteren
werden auch von den japanischen Aerzten zu Blutentziehungen
benutzt.

Die genannten Süsswasserthiere bilden die Hauptbevölkerung
sowohl der Teiche, als der kleineren Wassergräben am Rande der
Reisfelder, zwischen und an den Stengeln und Blättern von Ne-
lumbium, Potamogeton, Ranunculus, Sagittaria und anderer Wasser-
pflanzen. Die Reisfelder selbst, die in der zweiten Hälfte des Herb-
stes regelmässig unter Wasser standen, boten weniger, von Pflanzen
hauptsächlich Pontederia, von Thieren Frösche und Paludinen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0152" n="134"/><fw place="top" type="header">Süsswassermuscheln.</fw><lb/>
einige Arten um Yokohama vorgekommen, alle nur an beschränkten<lb/>
Lokalitäten, aber dort in Mehrzahl: die eine, M. ambidextra, im<lb/>
Fluss zwischen Yokohama und Kanagawa, nahe vor seiner Mündung,<lb/>
noch im süssen Wasser; eine zweite fand Herr Wichura zuerst auf<lb/>
dem Wege nach der Mississippibai an Felsen, da, wo sie von herab-<lb/>
rieselndem Wasser benetzt wurden. Die Encyclopädie führt sie<lb/>
unter dem Namen mina oder nina als Bewohner steiniger Bäche<lb/>
auf. Süsswasser-Neritinen fanden sich um Yokohama keine, wohl<lb/>
aber bei Nangasaki eine stark abgenagte ovale Art an grösseren<lb/>
Steinen eines Baches. Von Muscheln dagegen traf ich um Yoko-<lb/>
hama eine mittelgrosse Anodonta einigemal in den aufgestauten<lb/>
Teichen am obern Ende der kleinen Thäler, und eine statt-<lb/>
liche Cyrena (Untergattung Corbicula Desh.), sisimi, zahlreich in<lb/>
den Gewässern von Odsi bei Yeddo; es ist dieses das nördlichste<lb/>
mir bekannte Vorkommen der Gattung. Sie scheint von den Japa-<lb/>
nern gegessen zu werden, denn ich fand einen Haufen leerer Scha-<lb/>
len derselben an unsrem Landungsplatze in Yeddo, als ich zuerst<lb/>
den Fuss auf japanischen Boden setzte, wahrscheinlich Ueberbleibsel<lb/>
von einer Mahlzeit der wachehabenden Beamten. Die Cyrena ist<lb/>
allgemein bekannt als sisimi, auch sisime und sitsime gesprochen;<lb/>
für Anodonten und Unionen hat die Encyclopädie zwei Artikel mit<lb/>
je zwei Namen: 1. nangata-kai oder dobu-kai, 2. karasu-kai, Ra-<lb/>
benmuschel, oder kamisori-kai, Rasirmessermuschel, weil sie, im<lb/>
Schlamme versteckt, die Füsse der unvorsichtig Hineintretenden<lb/>
verletzt; in Yokohama kennt man keinen von diesen, sondern nur<lb/>
haike.</p><lb/>
            <p>Endlich ist unter den Süsswasserthieren noch der <hi rendition="#g">Blutegel</hi>,<lb/>
&#x03C7;iru, zu erwähnen, deren sich verschiedene um Yokohama fanden,<lb/>
theils unserem medicinischen ähnliche, buntgestreift, doch kleiner,<lb/>
theils die flachgedrückten aus der Gattung Clepsine. Die ersteren<lb/>
werden auch von den japanischen Aerzten zu Blutentziehungen<lb/>
benutzt.</p><lb/>
            <p>Die genannten Süsswasserthiere bilden die Hauptbevölkerung<lb/>
sowohl der Teiche, als der kleineren Wassergräben am Rande der<lb/>
Reisfelder, zwischen und an den Stengeln und Blättern von Ne-<lb/>
lumbium, Potamogeton, Ranunculus, Sagittaria und anderer Wasser-<lb/>
pflanzen. Die Reisfelder selbst, die in der zweiten Hälfte des Herb-<lb/>
stes regelmässig unter Wasser standen, boten weniger, von Pflanzen<lb/>
hauptsächlich Pontederia, von Thieren Frösche und Paludinen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0152] Süsswassermuscheln. einige Arten um Yokohama vorgekommen, alle nur an beschränkten Lokalitäten, aber dort in Mehrzahl: die eine, M. ambidextra, im Fluss zwischen Yokohama und Kanagawa, nahe vor seiner Mündung, noch im süssen Wasser; eine zweite fand Herr Wichura zuerst auf dem Wege nach der Mississippibai an Felsen, da, wo sie von herab- rieselndem Wasser benetzt wurden. Die Encyclopädie führt sie unter dem Namen mina oder nina als Bewohner steiniger Bäche auf. Süsswasser-Neritinen fanden sich um Yokohama keine, wohl aber bei Nangasaki eine stark abgenagte ovale Art an grösseren Steinen eines Baches. Von Muscheln dagegen traf ich um Yoko- hama eine mittelgrosse Anodonta einigemal in den aufgestauten Teichen am obern Ende der kleinen Thäler, und eine statt- liche Cyrena (Untergattung Corbicula Desh.), sisimi, zahlreich in den Gewässern von Odsi bei Yeddo; es ist dieses das nördlichste mir bekannte Vorkommen der Gattung. Sie scheint von den Japa- nern gegessen zu werden, denn ich fand einen Haufen leerer Scha- len derselben an unsrem Landungsplatze in Yeddo, als ich zuerst den Fuss auf japanischen Boden setzte, wahrscheinlich Ueberbleibsel von einer Mahlzeit der wachehabenden Beamten. Die Cyrena ist allgemein bekannt als sisimi, auch sisime und sitsime gesprochen; für Anodonten und Unionen hat die Encyclopädie zwei Artikel mit je zwei Namen: 1. nangata-kai oder dobu-kai, 2. karasu-kai, Ra- benmuschel, oder kamisori-kai, Rasirmessermuschel, weil sie, im Schlamme versteckt, die Füsse der unvorsichtig Hineintretenden verletzt; in Yokohama kennt man keinen von diesen, sondern nur haike. Endlich ist unter den Süsswasserthieren noch der Blutegel, χiru, zu erwähnen, deren sich verschiedene um Yokohama fanden, theils unserem medicinischen ähnliche, buntgestreift, doch kleiner, theils die flachgedrückten aus der Gattung Clepsine. Die ersteren werden auch von den japanischen Aerzten zu Blutentziehungen benutzt. Die genannten Süsswasserthiere bilden die Hauptbevölkerung sowohl der Teiche, als der kleineren Wassergräben am Rande der Reisfelder, zwischen und an den Stengeln und Blättern von Ne- lumbium, Potamogeton, Ranunculus, Sagittaria und anderer Wasser- pflanzen. Die Reisfelder selbst, die in der zweiten Hälfte des Herb- stes regelmässig unter Wasser standen, boten weniger, von Pflanzen hauptsächlich Pontederia, von Thieren Frösche und Paludinen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/152
Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/152>, abgerufen am 06.05.2024.