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Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Botanischer Teil. Hrsg. v. Albert Berg. Berlin: Decker, 1867.

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Kalkhaltige Tange.
Zoophyten hat, die gemässigten Zonen nur wenige und kleine be-
sitzen, bis mit der Annäherung an die Wendekreise die mehr einer
Gebirgsformation als einer Colonie kleiner Thierchen gleichenden
Korallenmassen erscheinen, eben so verhält es sich mit den kalk-
haltigen Tangen, welche man noch zu Anfang des gegenwärtigen
Jahrhunderts, befangen in der Linneischen Ansicht, dass Kalk nur
bei Thieren vorkomme, den Zoophyten beizählte, zu welchen sie,
dem äusseren Aussehen nach, den Uebergang bilden, Polypiers a
Polypes invisibles, wie Lamarck sagte und selbst Cuvier noch glaubte,
bis mikroskopische Untersuchungen ihres durch Säuren entkalkten
Gewebes ihre Pflanzennatur nachwiesen.

Die einst mit weissen und rothen Korallen die Apotheken
schmückende Corallina officinalis ist der einzige dieser Kalktange,
welcher an den Küsten von Lappland und Sibirien den Polarkreis
überschreitet; Postels und Ruprecht geben Corallina pilulifera und
filiformis im Ochotzkischen Meere, Corallina Arbuscula bei Unalaschka
an, und auch von ihren anderen (24 nach Areschoug oder 35 nach
Kützing) Gattungsverwandten finden wir die Mehrzahl in gemässigten
Zonen, nur eine in der hier in Frage stehenden Flora.

Stärker sind hier die schmächtigen Janien vertreten, durch
fünf von den bekannten siebzehn Arten.

Dass in diesem Gebiete von sieben Melobesien nur drei, von
vierzehn Spongites-Arten, so häufig im Mittelmeere, gar nur eine
vorkommen, dürfte eher den sie nicht beachtenden Sammlern
zuzuschreiben sein, bei letzteren, den letzten, welche von den
Thieren zu den Pflanzen versetzt wurden, auch der Herrschaft der
Korallen, welche sie nicht aufkommen lassen.

Zu der mittelländischen Acetabularia mediterranea, der west-
indischen A. crenulata und der neuholländischen A. Calyculus ist als
vierte und grösste die schöne siamesische A. major hinzugekommen.

Von den zuerst durch Schweigger zu den Tangen versetzten
Halimeden kennt man dreizehn Arten, welche die Wendekreise nur
wenig überschreiten, am weitesten noch die mittelländische H. Tuna,
im adriatischen Meere bis Venedig und Triest, 45° N. Br. Im stillen
Ocean fehlen schon alle in dem nordchinesischen und japanischen
Meere vorkommenden, und die Angabe, dass H. multicaulis und
discoidea in Kamtschatka vorkommen, ist völlig unglaubwürdig und
kann nur auf einer Verwechselung der ohne Bezeichnung des Fund-
ortes gesammelten Exemplare beruhen. Eben so unrichtig ist es,

Kalkhaltige Tange.
Zoophyten hat, die gemässigten Zonen nur wenige und kleine be-
sitzen, bis mit der Annäherung an die Wendekreise die mehr einer
Gebirgsformation als einer Colonie kleiner Thierchen gleichenden
Korallenmassen erscheinen, eben so verhält es sich mit den kalk-
haltigen Tangen, welche man noch zu Anfang des gegenwärtigen
Jahrhunderts, befangen in der Linnéischen Ansicht, dass Kalk nur
bei Thieren vorkomme, den Zoophyten beizählte, zu welchen sie,
dem äusseren Aussehen nach, den Uebergang bilden, Polypiers à
Polypes invisibles, wie Lamarck sagte und selbst Cuvier noch glaubte,
bis mikroskopische Untersuchungen ihres durch Säuren entkalkten
Gewebes ihre Pflanzennatur nachwiesen.

Die einst mit weissen und rothen Korallen die Apotheken
schmückende Corallina officinalis ist der einzige dieser Kalktange,
welcher an den Küsten von Lappland und Sibirien den Polarkreis
überschreitet; Postels und Ruprecht geben Corallina pilulifera und
filiformis im Ochotzkischen Meere, Corallina Arbuscula bei Unalaschka
an, und auch von ihren anderen (24 nach Areschoug oder 35 nach
Kützing) Gattungsverwandten finden wir die Mehrzahl in gemässigten
Zonen, nur eine in der hier in Frage stehenden Flora.

Stärker sind hier die schmächtigen Janien vertreten, durch
fünf von den bekannten siebzehn Arten.

Dass in diesem Gebiete von sieben Melobesien nur drei, von
vierzehn Spongites-Arten, so häufig im Mittelmeere, gar nur eine
vorkommen, dürfte eher den sie nicht beachtenden Sammlern
zuzuschreiben sein, bei letzteren, den letzten, welche von den
Thieren zu den Pflanzen versetzt wurden, auch der Herrschaft der
Korallen, welche sie nicht aufkommen lassen.

Zu der mittelländischen Acetabularia mediterranea, der west-
indischen A. crenulata und der neuholländischen A. Calyculus ist als
vierte und grösste die schöne siamesische A. major hinzugekommen.

Von den zuerst durch Schweigger zu den Tangen versetzten
Halimeden kennt man dreizehn Arten, welche die Wendekreise nur
wenig überschreiten, am weitesten noch die mittelländische H. Tuna,
im adriatischen Meere bis Venedig und Triest, 45° N. Br. Im stillen
Ocean fehlen schon alle in dem nordchinesischen und japanischen
Meere vorkommenden, und die Angabe, dass H. multicaulis und
discoidea in Kamtschatka vorkommen, ist völlig unglaubwürdig und
kann nur auf einer Verwechselung der ohne Bezeichnung des Fund-
ortes gesammelten Exemplare beruhen. Eben so unrichtig ist es,

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[107/0117] Kalkhaltige Tange. Zoophyten hat, die gemässigten Zonen nur wenige und kleine be- sitzen, bis mit der Annäherung an die Wendekreise die mehr einer Gebirgsformation als einer Colonie kleiner Thierchen gleichenden Korallenmassen erscheinen, eben so verhält es sich mit den kalk- haltigen Tangen, welche man noch zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts, befangen in der Linnéischen Ansicht, dass Kalk nur bei Thieren vorkomme, den Zoophyten beizählte, zu welchen sie, dem äusseren Aussehen nach, den Uebergang bilden, Polypiers à Polypes invisibles, wie Lamarck sagte und selbst Cuvier noch glaubte, bis mikroskopische Untersuchungen ihres durch Säuren entkalkten Gewebes ihre Pflanzennatur nachwiesen. Die einst mit weissen und rothen Korallen die Apotheken schmückende Corallina officinalis ist der einzige dieser Kalktange, welcher an den Küsten von Lappland und Sibirien den Polarkreis überschreitet; Postels und Ruprecht geben Corallina pilulifera und filiformis im Ochotzkischen Meere, Corallina Arbuscula bei Unalaschka an, und auch von ihren anderen (24 nach Areschoug oder 35 nach Kützing) Gattungsverwandten finden wir die Mehrzahl in gemässigten Zonen, nur eine in der hier in Frage stehenden Flora. Stärker sind hier die schmächtigen Janien vertreten, durch fünf von den bekannten siebzehn Arten. Dass in diesem Gebiete von sieben Melobesien nur drei, von vierzehn Spongites-Arten, so häufig im Mittelmeere, gar nur eine vorkommen, dürfte eher den sie nicht beachtenden Sammlern zuzuschreiben sein, bei letzteren, den letzten, welche von den Thieren zu den Pflanzen versetzt wurden, auch der Herrschaft der Korallen, welche sie nicht aufkommen lassen. Zu der mittelländischen Acetabularia mediterranea, der west- indischen A. crenulata und der neuholländischen A. Calyculus ist als vierte und grösste die schöne siamesische A. major hinzugekommen. Von den zuerst durch Schweigger zu den Tangen versetzten Halimeden kennt man dreizehn Arten, welche die Wendekreise nur wenig überschreiten, am weitesten noch die mittelländische H. Tuna, im adriatischen Meere bis Venedig und Triest, 45° N. Br. Im stillen Ocean fehlen schon alle in dem nordchinesischen und japanischen Meere vorkommenden, und die Angabe, dass H. multicaulis und discoidea in Kamtschatka vorkommen, ist völlig unglaubwürdig und kann nur auf einer Verwechselung der ohne Bezeichnung des Fund- ortes gesammelten Exemplare beruhen. Eben so unrichtig ist es,

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Zitationshilfe: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Botanischer Teil. Hrsg. v. Albert Berg. Berlin: Decker, 1867, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienbotanik_1866/117>, abgerufen am 30.04.2024.