Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Kin-san genommen. Anh. IV.
Nacht durch zu lärmen; auf das Schlafen eines Postens stand im
kaiserlichen Heere der Tod.

Major Gordon übernahm den Befehl am 24. März 1863 mit
einem Stabe von fünf englischen Linienofficieren; ein einflussreicher
Mandarin wurde ihm für die Beziehungen zu den chinesischen Be-
hörden beigeordnet, Li A-don, der durch seine Landeskenntniss
und durch Einziehung von Kundschaft Gordon sehr nützlich wurde.
Das erste Unternehmen galt der Piratenstadt Fu-san am Yan-tse,
von wo Major Gordon zunächst gegen Tae-tsan marschirte. Die
dortigen Rebellenführer hatten dem Fu-tae Li vorgespiegelt, dass
sie übergehen wollten. Kaiserliche Truppen rückten durch das
geöffnete Thor ein; plötzlich wurden die Flügel zugeschlagen, und
1500 Mann sassen mit der ganzen Ausrüstung in der Falle; 300
wurden sofort geköpft. -- Die Garnison war 10,000 Mann stark;
viele Geschütze wurden von Americanern und Franzosen bedient.
Gordon's Truppen, -- 2800 Mann, -- fanden kräftigen Widerstand.
Als sie endlich die Mauer erstiegen, flohen die Tae-pin nach allen
Richtungen und fielen in die Hände des rachedürstenden Landvolks;
die bei der Vertheidigung thätigen Americaner, Franzosen und
desertirten Sepoys wurden ohne Gnade niedergestossen. -- Am
30. Mai nahm die "Siegreiche" die wichtige Stadt Kin-san und
gewann damit eine sichere Operationsbasis gegen Su-tsau. Dort
richtete Major Gordon sein Hauptquartier ein.

Gordon machten damals schon die Behandlung seiner Officiere
und die Eifersucht der kaiserlichen Feldhauptleute, die mit ihm
operirten, das Leben schwer. Die meisten Officiere verlangten nach
dem lustigen Leben unter Burgevine, der sie nur an seine Person
zu fesseln suchte und für ihren materiellen Vortheil sorgte. Nach
seiner Entlassung im Februar 1863 ging derselbe nach Pe-kin und
wusste den englischen und den americanischen Gesandten zu gewin-
nen: Sir Frederick Bruce schrieb dem Prinzen von Kun, er habe
von Burgevine's Fähigkeiten eine hohe Meinung; Herr Burlingame
redete gar von hundert Schlachten, in welchen er für China ge-
kämpft habe, -- die sich in Wahrheit auf fünf Gefechte reducirten.
Der Prinz von Kun legte Burgevine's Restitution in die Hände des
Fu-tae Li und gab ihm einen kaiserlichen Commissar mit nach
Shang-hae; Li hatte aber in Gordon grosses Vertrauen und weigerte
sich, Burgevine das Commando der Siegreichen Herrschaar wieder-
zugeben. Dabei blieb es.

Kin-san genommen. Anh. IV.
Nacht durch zu lärmen; auf das Schlafen eines Postens stand im
kaiserlichen Heere der Tod.

Major Gordon übernahm den Befehl am 24. März 1863 mit
einem Stabe von fünf englischen Linienofficieren; ein einflussreicher
Mandarin wurde ihm für die Beziehungen zu den chinesischen Be-
hörden beigeordnet, Li A-doṅ, der durch seine Landeskenntniss
und durch Einziehung von Kundschaft Gordon sehr nützlich wurde.
Das erste Unternehmen galt der Piratenstadt Fu-šan am Yaṅ-tse,
von wo Major Gordon zunächst gegen Tae-tsan marschirte. Die
dortigen Rebellenführer hatten dem Fu-tae Li vorgespiegelt, dass
sie übergehen wollten. Kaiserliche Truppen rückten durch das
geöffnete Thor ein; plötzlich wurden die Flügel zugeschlagen, und
1500 Mann sassen mit der ganzen Ausrüstung in der Falle; 300
wurden sofort geköpft. — Die Garnison war 10,000 Mann stark;
viele Geschütze wurden von Americanern und Franzosen bedient.
Gordon’s Truppen, — 2800 Mann, — fanden kräftigen Widerstand.
Als sie endlich die Mauer erstiegen, flohen die Tae-piṅ nach allen
Richtungen und fielen in die Hände des rachedürstenden Landvolks;
die bei der Vertheidigung thätigen Americaner, Franzosen und
desertirten Sepoys wurden ohne Gnade niedergestossen. — Am
30. Mai nahm die »Siegreiche« die wichtige Stadt Kin-san und
gewann damit eine sichere Operationsbasis gegen Su-tšau. Dort
richtete Major Gordon sein Hauptquartier ein.

Gordon machten damals schon die Behandlung seiner Officiere
und die Eifersucht der kaiserlichen Feldhauptleute, die mit ihm
operirten, das Leben schwer. Die meisten Officiere verlangten nach
dem lustigen Leben unter Burgevine, der sie nur an seine Person
zu fesseln suchte und für ihren materiellen Vortheil sorgte. Nach
seiner Entlassung im Februar 1863 ging derselbe nach Pe-kiṅ und
wusste den englischen und den americanischen Gesandten zu gewin-
nen: Sir Frederick Bruce schrieb dem Prinzen von Kuṅ, er habe
von Burgevine’s Fähigkeiten eine hohe Meinung; Herr Burlingame
redete gar von hundert Schlachten, in welchen er für China ge-
kämpft habe, — die sich in Wahrheit auf fünf Gefechte reducirten.
Der Prinz von Kuṅ legte Burgevine’s Restitution in die Hände des
Fu-tae Li und gab ihm einen kaiserlichen Commissar mit nach
Shang-hae; Li hatte aber in Gordon grosses Vertrauen und weigerte
sich, Burgevine das Commando der Siegreichen Herrschaar wieder-
zugeben. Dabei blieb es.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0428" n="414"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k"><placeName>Kin-san</placeName></hi> genommen. Anh. IV.</fw><lb/>
Nacht durch zu lärmen; auf das Schlafen eines Postens stand im<lb/>
kaiserlichen Heere der Tod.</p><lb/>
        <p>Major <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> übernahm den Befehl am 24. März 1863 mit<lb/>
einem Stabe von fünf englischen Linienofficieren; ein einflussreicher<lb/>
Mandarin wurde ihm für die Beziehungen zu den chinesischen Be-<lb/>
hörden beigeordnet, <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118728032">Li A-don&#x0307;</persName></hi>, der durch seine Landeskenntniss<lb/>
und durch Einziehung von Kundschaft <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> sehr nützlich wurde.<lb/>
Das erste Unternehmen galt der Piratenstadt <hi rendition="#k"><placeName>Fu-&#x0161;an</placeName></hi> am <hi rendition="#k"><placeName>Yan&#x0307;-tse</placeName></hi>,<lb/>
von wo Major <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> zunächst gegen <hi rendition="#k"><placeName>Tae-tsan</placeName></hi> marschirte. Die<lb/>
dortigen Rebellenführer hatten dem <hi rendition="#k">Fu-tae <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118728032">Li</persName></hi> vorgespiegelt, dass<lb/>
sie übergehen wollten. Kaiserliche Truppen rückten durch das<lb/>
geöffnete Thor ein; plötzlich wurden die Flügel zugeschlagen, und<lb/>
1500 Mann sassen mit der ganzen Ausrüstung in der Falle; 300<lb/>
wurden sofort geköpft. &#x2014; Die Garnison war 10,000 Mann stark;<lb/>
viele Geschütze wurden von Americanern und Franzosen bedient.<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon&#x2019;s</persName> Truppen, &#x2014; 2800 Mann, &#x2014; fanden kräftigen Widerstand.<lb/>
Als sie endlich die Mauer erstiegen, flohen die <hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi> nach allen<lb/>
Richtungen und fielen in die Hände des rachedürstenden Landvolks;<lb/>
die bei der Vertheidigung thätigen Americaner, Franzosen und<lb/>
desertirten Sepoys wurden ohne Gnade niedergestossen. &#x2014; Am<lb/>
30. Mai nahm die »Siegreiche« die wichtige Stadt <hi rendition="#k"><placeName>Kin-san</placeName></hi> und<lb/>
gewann damit eine sichere Operationsbasis gegen <hi rendition="#k"><placeName>Su-t&#x0161;au</placeName></hi>. Dort<lb/>
richtete Major <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> sein Hauptquartier ein.</p><lb/>
        <p><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> machten damals schon die Behandlung seiner Officiere<lb/>
und die Eifersucht der kaiserlichen Feldhauptleute, die mit ihm<lb/>
operirten, das Leben schwer. Die meisten Officiere verlangten nach<lb/>
dem lustigen Leben unter <persName ref="nognd">Burgevine</persName>, der sie nur an seine Person<lb/>
zu fesseln suchte und für ihren materiellen Vortheil sorgte. Nach<lb/>
seiner Entlassung im Februar 1863 ging derselbe nach <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kin&#x0307;</placeName></hi> und<lb/>
wusste den englischen und den americanischen Gesandten zu gewin-<lb/>
nen: Sir <persName ref="vocab.getty.edu/ulan/500247635">Frederick Bruce</persName> schrieb dem Prinzen von <hi rendition="#k"><placeName>Kun&#x0307;</placeName></hi>, er habe<lb/>
von <persName ref="nognd">Burgevine&#x2019;s</persName> Fähigkeiten eine hohe Meinung; Herr <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119159651">Burlingame</persName><lb/>
redete gar von hundert Schlachten, in welchen er für <placeName>China</placeName> ge-<lb/>
kämpft habe, &#x2014; die sich in Wahrheit auf fünf Gefechte reducirten.<lb/>
Der Prinz von <hi rendition="#k"><placeName>Kun&#x0307;</placeName></hi> legte <persName ref="nognd">Burgevine&#x2019;s</persName> Restitution in die Hände des<lb/><hi rendition="#k">Fu-tae <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118728032">Li</persName></hi> und gab ihm einen kaiserlichen Commissar mit nach<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName>; <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118728032">Li</persName></hi> hatte aber in <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> grosses Vertrauen und weigerte<lb/>
sich, <persName ref="nognd">Burgevine</persName> das Commando der Siegreichen Herrschaar wieder-<lb/>
zugeben. Dabei blieb es.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[414/0428] Kin-san genommen. Anh. IV. Nacht durch zu lärmen; auf das Schlafen eines Postens stand im kaiserlichen Heere der Tod. Major Gordon übernahm den Befehl am 24. März 1863 mit einem Stabe von fünf englischen Linienofficieren; ein einflussreicher Mandarin wurde ihm für die Beziehungen zu den chinesischen Be- hörden beigeordnet, Li A-doṅ, der durch seine Landeskenntniss und durch Einziehung von Kundschaft Gordon sehr nützlich wurde. Das erste Unternehmen galt der Piratenstadt Fu-šan am Yaṅ-tse, von wo Major Gordon zunächst gegen Tae-tsan marschirte. Die dortigen Rebellenführer hatten dem Fu-tae Li vorgespiegelt, dass sie übergehen wollten. Kaiserliche Truppen rückten durch das geöffnete Thor ein; plötzlich wurden die Flügel zugeschlagen, und 1500 Mann sassen mit der ganzen Ausrüstung in der Falle; 300 wurden sofort geköpft. — Die Garnison war 10,000 Mann stark; viele Geschütze wurden von Americanern und Franzosen bedient. Gordon’s Truppen, — 2800 Mann, — fanden kräftigen Widerstand. Als sie endlich die Mauer erstiegen, flohen die Tae-piṅ nach allen Richtungen und fielen in die Hände des rachedürstenden Landvolks; die bei der Vertheidigung thätigen Americaner, Franzosen und desertirten Sepoys wurden ohne Gnade niedergestossen. — Am 30. Mai nahm die »Siegreiche« die wichtige Stadt Kin-san und gewann damit eine sichere Operationsbasis gegen Su-tšau. Dort richtete Major Gordon sein Hauptquartier ein. Gordon machten damals schon die Behandlung seiner Officiere und die Eifersucht der kaiserlichen Feldhauptleute, die mit ihm operirten, das Leben schwer. Die meisten Officiere verlangten nach dem lustigen Leben unter Burgevine, der sie nur an seine Person zu fesseln suchte und für ihren materiellen Vortheil sorgte. Nach seiner Entlassung im Februar 1863 ging derselbe nach Pe-kiṅ und wusste den englischen und den americanischen Gesandten zu gewin- nen: Sir Frederick Bruce schrieb dem Prinzen von Kuṅ, er habe von Burgevine’s Fähigkeiten eine hohe Meinung; Herr Burlingame redete gar von hundert Schlachten, in welchen er für China ge- kämpft habe, — die sich in Wahrheit auf fünf Gefechte reducirten. Der Prinz von Kuṅ legte Burgevine’s Restitution in die Hände des Fu-tae Li und gab ihm einen kaiserlichen Commissar mit nach Shang-hae; Li hatte aber in Gordon grosses Vertrauen und weigerte sich, Burgevine das Commando der Siegreichen Herrschaar wieder- zugeben. Dabei blieb es.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/428
Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/428>, abgerufen am 07.05.2024.