Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Anh. IV. Organisation der Siegreichen Heerschaar.
losgekauft hatten. Fast alle sollen fündig, tapfer, im Feuer zuver-
lässig und kaltblütig, aber eifersüchtig, unlenksam und händelsüchtig
in der Garnison gewesen sein. Gewöhnlich lebte die eine Hälfte
des Officiercorps in der heftigsten Spannung mit der anderen, und
der Reibungen war kein Ende. -- Die Stärke des Corps wechselte
zwischen 3000 und 5000 Mann, die in fünf bis sechs Regimenter
vertheilt waren. Die Artillerie bestand in vier Belagerungs- und
zwei Feldbatterieen. Vier kleine eiserne Raddampfer, -- etwa 90
Fuss lang und 24 breit, 3 bis 4 Fuss tief gehend, mit je einem
32pfündigen Pivot-Geschütz vorn und einer 12pfündigen Haubitze
am Heck, leisteten die besten Dienste; ihre starken 6 Fuss hohen
Brustwehren waren mit Schiessscharten versehen, der Kessel und
Maschinenraum durch starke Bohlenlagen gesichert. Ausserdem
verfügte Gordon über 50 flachgehende chinesische Kanonenboote,
die überall unter den Ufern hinschleichen und die Rebellen-
lager, die Vorposten niemals ausstellten und vom Landvolk
verrathen wurden, überraschen konnten. -- Auf weite Strecken
wurden alle Geschütze zu Wasser befördert; zum Transport
über die Felder führte jede Batterie eine Anzahl Bohlen mit,
denn die dazwischen hinlaufenden Pfade sind zu schmal für eine
Geschützspur.

Die Besoldungsverhältnisse in der Siegreichen Schaar blieben
unter Gordon die früheren. Die Ausbildung der Mannschaft geschah
nach englischem Muster; alle Commandos wurden englisch gegeben.
Kriegsartikel hatte und brauchte man nicht; die Führung der Mann-
schaft war im Ganzen vortrefflich; nur liess sich nach Erstürmung
einer Stadt die Beutelust schwer zügeln. Als Strafwerkzeug diente
der Bambus, kam aber selten in Anwendung. Für die Officiere gab
es keine andere Strafe als Entlassung; denn ihr Verhältniss zur
Regierung war rein contractlich. Die ganze Autorität lag in den
Händen des Commandirenden.

Li's Streitmacht, welche mit Gordon operirte, bestand im
Gegensatz zu anderen chinesischen Heeren aus starken, gut geklei-
deten und disciplinirten Soldaten; nur die Bewaffnung war schlecht.
Die Subaltern-Officiere standen an Bildung kaum über den Gemeinen.
Ein Mandarin des blauen Knopfes befehligte gewöhnlich ein Lager
von 500 Mann. -- Die chinesischen Krieger verstanden sich vor-
züglich auf Schanzarbeit und bivouakirten kaum eine Nacht ohne
Erdwälle um sich aufzuwerfen; ihre Schildwachen pflegten die ganze

Anh. IV. Organisation der Siegreichen Heerschaar.
losgekauft hatten. Fast alle sollen fündig, tapfer, im Feuer zuver-
lässig und kaltblütig, aber eifersüchtig, unlenksam und händelsüchtig
in der Garnison gewesen sein. Gewöhnlich lebte die eine Hälfte
des Officiercorps in der heftigsten Spannung mit der anderen, und
der Reibungen war kein Ende. — Die Stärke des Corps wechselte
zwischen 3000 und 5000 Mann, die in fünf bis sechs Regimenter
vertheilt waren. Die Artillerie bestand in vier Belagerungs- und
zwei Feldbatterieen. Vier kleine eiserne Raddampfer, — etwa 90
Fuss lang und 24 breit, 3 bis 4 Fuss tief gehend, mit je einem
32pfündigen Pivot-Geschütz vorn und einer 12pfündigen Haubitze
am Heck, leisteten die besten Dienste; ihre starken 6 Fuss hohen
Brustwehren waren mit Schiessscharten versehen, der Kessel und
Maschinenraum durch starke Bohlenlagen gesichert. Ausserdem
verfügte Gordon über 50 flachgehende chinesische Kanonenboote,
die überall unter den Ufern hinschleichen und die Rebellen-
lager, die Vorposten niemals ausstellten und vom Landvolk
verrathen wurden, überraschen konnten. — Auf weite Strecken
wurden alle Geschütze zu Wasser befördert; zum Transport
über die Felder führte jede Batterie eine Anzahl Bohlen mit,
denn die dazwischen hinlaufenden Pfade sind zu schmal für eine
Geschützspur.

Die Besoldungsverhältnisse in der Siegreichen Schaar blieben
unter Gordon die früheren. Die Ausbildung der Mannschaft geschah
nach englischem Muster; alle Commandos wurden englisch gegeben.
Kriegsartikel hatte und brauchte man nicht; die Führung der Mann-
schaft war im Ganzen vortrefflich; nur liess sich nach Erstürmung
einer Stadt die Beutelust schwer zügeln. Als Strafwerkzeug diente
der Bambus, kam aber selten in Anwendung. Für die Officiere gab
es keine andere Strafe als Entlassung; denn ihr Verhältniss zur
Regierung war rein contractlich. Die ganze Autorität lag in den
Händen des Commandirenden.

Li’s Streitmacht, welche mit Gordon operirte, bestand im
Gegensatz zu anderen chinesischen Heeren aus starken, gut geklei-
deten und disciplinirten Soldaten; nur die Bewaffnung war schlecht.
Die Subaltern-Officiere standen an Bildung kaum über den Gemeinen.
Ein Mandarin des blauen Knopfes befehligte gewöhnlich ein Lager
von 500 Mann. — Die chinesischen Krieger verstanden sich vor-
züglich auf Schanzarbeit und bivouakirten kaum eine Nacht ohne
Erdwälle um sich aufzuwerfen; ihre Schildwachen pflegten die ganze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0427" n="413"/><fw place="top" type="header">Anh. IV. Organisation der Siegreichen Heerschaar.</fw><lb/>
losgekauft hatten. Fast alle sollen fündig, tapfer, im Feuer zuver-<lb/>
lässig und kaltblütig, aber eifersüchtig, unlenksam und händelsüchtig<lb/>
in der Garnison gewesen sein. Gewöhnlich lebte die eine Hälfte<lb/>
des Officiercorps in der heftigsten Spannung mit der anderen, und<lb/>
der Reibungen war kein Ende. &#x2014; Die Stärke des Corps wechselte<lb/>
zwischen 3000 und 5000 Mann, die in fünf bis sechs Regimenter<lb/>
vertheilt waren. Die Artillerie bestand in vier Belagerungs- und<lb/>
zwei Feldbatterieen. Vier kleine eiserne Raddampfer, &#x2014; etwa 90<lb/>
Fuss lang und 24 breit, 3 bis 4 Fuss tief gehend, mit je einem<lb/>
32pfündigen Pivot-Geschütz vorn und einer 12pfündigen Haubitze<lb/>
am Heck, leisteten die besten Dienste; ihre starken 6 Fuss hohen<lb/>
Brustwehren waren mit Schiessscharten versehen, der Kessel und<lb/>
Maschinenraum durch starke Bohlenlagen gesichert. Ausserdem<lb/>
verfügte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> über 50 flachgehende chinesische Kanonenboote,<lb/>
die überall unter den Ufern hinschleichen und die Rebellen-<lb/>
lager, die Vorposten niemals ausstellten und vom Landvolk<lb/>
verrathen wurden, überraschen konnten. &#x2014; Auf weite Strecken<lb/>
wurden alle Geschütze zu Wasser befördert; zum Transport<lb/>
über die Felder führte jede Batterie eine Anzahl Bohlen mit,<lb/>
denn die dazwischen hinlaufenden Pfade sind zu schmal für eine<lb/>
Geschützspur.</p><lb/>
        <p>Die Besoldungsverhältnisse in der Siegreichen Schaar blieben<lb/>
unter <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> die früheren. Die Ausbildung der Mannschaft geschah<lb/>
nach englischem Muster; alle Commandos wurden englisch gegeben.<lb/>
Kriegsartikel hatte und brauchte man nicht; die Führung der Mann-<lb/>
schaft war im Ganzen vortrefflich; nur liess sich nach Erstürmung<lb/>
einer Stadt die Beutelust schwer zügeln. Als Strafwerkzeug diente<lb/>
der Bambus, kam aber selten in Anwendung. Für die Officiere gab<lb/>
es keine andere Strafe als Entlassung; denn ihr Verhältniss zur<lb/>
Regierung war rein contractlich. Die ganze Autorität lag in den<lb/>
Händen des Commandirenden.</p><lb/>
        <p><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118728032"><hi rendition="#k">Li</hi>&#x2019;s</persName> Streitmacht, welche mit <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118696483">Gordon</persName> operirte, bestand im<lb/>
Gegensatz zu anderen chinesischen Heeren aus starken, gut geklei-<lb/>
deten und disciplinirten Soldaten; nur die Bewaffnung war schlecht.<lb/>
Die Subaltern-Officiere standen an Bildung kaum über den Gemeinen.<lb/>
Ein Mandarin des blauen Knopfes befehligte gewöhnlich ein Lager<lb/>
von 500 Mann. &#x2014; Die chinesischen Krieger verstanden sich vor-<lb/>
züglich auf Schanzarbeit und bivouakirten kaum eine Nacht ohne<lb/>
Erdwälle um sich aufzuwerfen; ihre Schildwachen pflegten die ganze<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0427] Anh. IV. Organisation der Siegreichen Heerschaar. losgekauft hatten. Fast alle sollen fündig, tapfer, im Feuer zuver- lässig und kaltblütig, aber eifersüchtig, unlenksam und händelsüchtig in der Garnison gewesen sein. Gewöhnlich lebte die eine Hälfte des Officiercorps in der heftigsten Spannung mit der anderen, und der Reibungen war kein Ende. — Die Stärke des Corps wechselte zwischen 3000 und 5000 Mann, die in fünf bis sechs Regimenter vertheilt waren. Die Artillerie bestand in vier Belagerungs- und zwei Feldbatterieen. Vier kleine eiserne Raddampfer, — etwa 90 Fuss lang und 24 breit, 3 bis 4 Fuss tief gehend, mit je einem 32pfündigen Pivot-Geschütz vorn und einer 12pfündigen Haubitze am Heck, leisteten die besten Dienste; ihre starken 6 Fuss hohen Brustwehren waren mit Schiessscharten versehen, der Kessel und Maschinenraum durch starke Bohlenlagen gesichert. Ausserdem verfügte Gordon über 50 flachgehende chinesische Kanonenboote, die überall unter den Ufern hinschleichen und die Rebellen- lager, die Vorposten niemals ausstellten und vom Landvolk verrathen wurden, überraschen konnten. — Auf weite Strecken wurden alle Geschütze zu Wasser befördert; zum Transport über die Felder führte jede Batterie eine Anzahl Bohlen mit, denn die dazwischen hinlaufenden Pfade sind zu schmal für eine Geschützspur. Die Besoldungsverhältnisse in der Siegreichen Schaar blieben unter Gordon die früheren. Die Ausbildung der Mannschaft geschah nach englischem Muster; alle Commandos wurden englisch gegeben. Kriegsartikel hatte und brauchte man nicht; die Führung der Mann- schaft war im Ganzen vortrefflich; nur liess sich nach Erstürmung einer Stadt die Beutelust schwer zügeln. Als Strafwerkzeug diente der Bambus, kam aber selten in Anwendung. Für die Officiere gab es keine andere Strafe als Entlassung; denn ihr Verhältniss zur Regierung war rein contractlich. Die ganze Autorität lag in den Händen des Commandirenden. Li’s Streitmacht, welche mit Gordon operirte, bestand im Gegensatz zu anderen chinesischen Heeren aus starken, gut geklei- deten und disciplinirten Soldaten; nur die Bewaffnung war schlecht. Die Subaltern-Officiere standen an Bildung kaum über den Gemeinen. Ein Mandarin des blauen Knopfes befehligte gewöhnlich ein Lager von 500 Mann. — Die chinesischen Krieger verstanden sich vor- züglich auf Schanzarbeit und bivouakirten kaum eine Nacht ohne Erdwälle um sich aufzuwerfen; ihre Schildwachen pflegten die ganze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/427
Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/427>, abgerufen am 22.11.2024.