gewonnene Zucker. Die Blüthe wird vor völliger Entwickelung ab- geschnitten, der aus dem Stengel fliessende zuckerhaltige Saft in angehängten Bambusbechern gesammelt und eingedickt.
Mitten in der Stadt spannt sich eine Brücke über den schmalen Fluss, der zur Regenzeit oft die Ufer arg verwüstet. An der rechten Seite stehn alte Tempeltrümmer aus behauenen Blöcken und grosse steinerne Buddabilder. Ein grosser Phra-pran war zur Feier eines Festes an den oberen Stockwerken ganz in Stücke des gelben Stoffes gehüllt, aus welchem die Bonzengewänder bestehen.
Die Ebene um Petsaburi ist hier und da mit Reis bestellt, grösstentheils aber mit magerem Grase bewachsen und mit Tau- senden der schönen Palmyra-Palme besäet. Schroffe Kalksteinklippen steigen an vielen Stellen aus dem Boden; um sie her und aus den Klüften des verwitterten Gesteins spriessen Bambus, Tamarinden, blattlose Euphorbien mit duftenden Blüthen und mancherlei üppig Gesträuch; auf den Spitzen der Felsen stehn schlanke Dagoben. Der bewaldete Berg mit dem Lustschloss des Königs, der hier die nasse Jahreszeit zu verleben pflegt, erhebt sich inselartig etwa vier- hundert Fuss über die Ebene. Der zweite Gouverneur von Petsa- buri, der das Schloss baute, rühmte sich darin Windsor castle copirt zu haben; doch ist nur die Lage ähnlich. Das Hauptgebäude krönt, auf breiter Terrasse fussend, mit den Hauptfronten nach Süden und Norden gerichtet, den höchsten Gipfel; dahinter steht ein viereckiger Thurm. Eine Menge Pavillons, Rasthäuser, Tempel, runde thurmartige Bastionen und andere Dependenzen liegen theils um das Schloss gruppirt, theils, durch aufgemauerte Wege damit verbunden, auf Nebengipfeln und vorspringenden Felsrippen. Eine bequeme mit Backstein gepflasterte Strasse führt in Windungen zum Gipfel hinan. Die europäischen Muster sind in den weissge- tünchten Gebäuden ziemlich plump und geschmacklos nachgemacht.
Von oben schweift der Blick, nur nach Westen von fernem Gebirge beschränkt, über die weite Ebene. Die inselartigen in üppigen Wald gebetteten Höhen, mit welchen sie bestreut ist, sind die Sam-roi-yot oder Dreihundert Gipfel; der ferne Rücken soll die Wasserscheide zwischen dem Busen von Siam und dem Golf von Bengalen, zugleich die Grenze gegen Tenasserim bilden. Unter den dichten Wipfeln am Fuss des Schlossberges kauern nördlich die malerischen Hütten der Laos, königlicher Knechte, die sich hier ansiedeln mussten, um den Bau auszuführen. Von den siame-
XXII. Petšaburi.
gewonnene Zucker. Die Blüthe wird vor völliger Entwickelung ab- geschnitten, der aus dem Stengel fliessende zuckerhaltige Saft in angehängten Bambusbechern gesammelt und eingedickt.
Mitten in der Stadt spannt sich eine Brücke über den schmalen Fluss, der zur Regenzeit oft die Ufer arg verwüstet. An der rechten Seite stehn alte Tempeltrümmer aus behauenen Blöcken und grosse steinerne Buddabilder. Ein grosser Phra-praṅ war zur Feier eines Festes an den oberen Stockwerken ganz in Stücke des gelben Stoffes gehüllt, aus welchem die Bonzengewänder bestehen.
Die Ebene um Petšaburi ist hier und da mit Reis bestellt, grösstentheils aber mit magerem Grase bewachsen und mit Tau- senden der schönen Palmyra-Palme besäet. Schroffe Kalksteinklippen steigen an vielen Stellen aus dem Boden; um sie her und aus den Klüften des verwitterten Gesteins spriessen Bambus, Tamarinden, blattlose Euphorbien mit duftenden Blüthen und mancherlei üppig Gesträuch; auf den Spitzen der Felsen stehn schlanke Dagoben. Der bewaldete Berg mit dem Lustschloss des Königs, der hier die nasse Jahreszeit zu verleben pflegt, erhebt sich inselartig etwa vier- hundert Fuss über die Ebene. Der zweite Gouverneur von Petša- buri, der das Schloss baute, rühmte sich darin Windsor castle copirt zu haben; doch ist nur die Lage ähnlich. Das Hauptgebäude krönt, auf breiter Terrasse fussend, mit den Hauptfronten nach Süden und Norden gerichtet, den höchsten Gipfel; dahinter steht ein viereckiger Thurm. Eine Menge Pavillons, Rasthäuser, Tempel, runde thurmartige Bastionen und andere Dependenzen liegen theils um das Schloss gruppirt, theils, durch aufgemauerte Wege damit verbunden, auf Nebengipfeln und vorspringenden Felsrippen. Eine bequeme mit Backstein gepflasterte Strasse führt in Windungen zum Gipfel hinan. Die europäischen Muster sind in den weissge- tünchten Gebäuden ziemlich plump und geschmacklos nachgemacht.
Von oben schweift der Blick, nur nach Westen von fernem Gebirge beschränkt, über die weite Ebene. Die inselartigen in üppigen Wald gebetteten Höhen, mit welchen sie bestreut ist, sind die Sam-roi-yot oder Dreihundert Gipfel; der ferne Rücken soll die Wasserscheide zwischen dem Busen von Siam und dem Golf von Bengalen, zugleich die Grenze gegen Tenasserim bilden. Unter den dichten Wipfeln am Fuss des Schlossberges kauern nördlich die malerischen Hütten der Laos, königlicher Knechte, die sich hier ansiedeln mussten, um den Bau auszuführen. Von den siame-
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XXII. Petšaburi.
gewonnene Zucker. Die Blüthe wird vor völliger Entwickelung ab-
geschnitten, der aus dem Stengel fliessende zuckerhaltige Saft in
angehängten Bambusbechern gesammelt und eingedickt.
Mitten in der Stadt spannt sich eine Brücke über den schmalen
Fluss, der zur Regenzeit oft die Ufer arg verwüstet. An der rechten
Seite stehn alte Tempeltrümmer aus behauenen Blöcken und grosse
steinerne Buddabilder. Ein grosser Phra-praṅ war zur Feier eines
Festes an den oberen Stockwerken ganz in Stücke des gelben Stoffes
gehüllt, aus welchem die Bonzengewänder bestehen.
Die Ebene um Petšaburi ist hier und da mit Reis bestellt,
grösstentheils aber mit magerem Grase bewachsen und mit Tau-
senden der schönen Palmyra-Palme besäet. Schroffe Kalksteinklippen
steigen an vielen Stellen aus dem Boden; um sie her und aus den
Klüften des verwitterten Gesteins spriessen Bambus, Tamarinden,
blattlose Euphorbien mit duftenden Blüthen und mancherlei üppig
Gesträuch; auf den Spitzen der Felsen stehn schlanke Dagoben.
Der bewaldete Berg mit dem Lustschloss des Königs, der hier die
nasse Jahreszeit zu verleben pflegt, erhebt sich inselartig etwa vier-
hundert Fuss über die Ebene. Der zweite Gouverneur von Petša-
buri, der das Schloss baute, rühmte sich darin Windsor castle
copirt zu haben; doch ist nur die Lage ähnlich. Das Hauptgebäude
krönt, auf breiter Terrasse fussend, mit den Hauptfronten nach
Süden und Norden gerichtet, den höchsten Gipfel; dahinter steht
ein viereckiger Thurm. Eine Menge Pavillons, Rasthäuser, Tempel,
runde thurmartige Bastionen und andere Dependenzen liegen theils
um das Schloss gruppirt, theils, durch aufgemauerte Wege damit
verbunden, auf Nebengipfeln und vorspringenden Felsrippen. Eine
bequeme mit Backstein gepflasterte Strasse führt in Windungen
zum Gipfel hinan. Die europäischen Muster sind in den weissge-
tünchten Gebäuden ziemlich plump und geschmacklos nachgemacht.
Von oben schweift der Blick, nur nach Westen von fernem
Gebirge beschränkt, über die weite Ebene. Die inselartigen in
üppigen Wald gebetteten Höhen, mit welchen sie bestreut ist, sind
die Sam-roi-yot oder Dreihundert Gipfel; der ferne Rücken soll
die Wasserscheide zwischen dem Busen von Siam und dem Golf
von Bengalen, zugleich die Grenze gegen Tenasserim bilden. Unter
den dichten Wipfeln am Fuss des Schlossberges kauern nördlich
die malerischen Hütten der Laos, königlicher Knechte, die sich
hier ansiedeln mussten, um den Bau auszuführen. Von den siame-
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/361>, abgerufen am 22.11.2024.
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