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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Schatzgraben. Spiele. XXII.
Schätzen, damit sie als Schutzgeister darüber wachten. Noch heut
wird in Siam viel nach Schätzen gegraben, besonders in Ayutia
mit vielem Erfolge. Der Schatzgräber opfert Abends auf dem Fleck,
wo er graben will, dem Schutzgeist Blumen, Kerzen und Reis und
legt sich dort schlafen; dann erscheint ihm der Schutzgeist im
Traum und verlangt einen Schweinskopf und einige Flaschen Arrac
für Hebung des Schatzes, oder jagt ihn mit geschwungener Keule
fort. -- Mit Aufzählung ähnlicher Gebräuche liessen sich Bände
füllen; sie spielen auch bei den jährlichen Festen der Siamesen,
die von Pallegoix und Dr. Bastian beschrieben werden, die grösste
Rolle. Die dabei üblichen Spiele sind Ringen und Boxen -- auch
von Weibern. -- Discuswerfen, Wettläufe zu Fuss, zu Pferde und
zu Wagen. Das Federballspiel, wobei, wie in China, der Ball mit
den Füssen geschlagen wird, ist eine Lieblingsbelustigung der
Siamesen. Ein Ballspiel der Vornehmen zu Pferde, bei welchem
auf abgegrenztem Raume die Partheien ihre Bälle mit Hämmern in
bestimmte Löcher treiben und die der Gegner abwehren, gleicht
demjenigen, das wir in Japan sahen. Der Zweite König soll darin
Meister gewesen sein. -- Auch Drachenfliegen ist in Siam, wie in
Japan, ein Lieblingsspiel der Erwachsenen, besonders zur Zeit des
Südwindes. Sie haben ferner das chinesische Schach-, Trictrac-
und Kartenspiele, und würfeln mit Leidenschaft. Reiche Chinesen
haben vom König das Monopol einer Geldlotterie erkauft, an der
sich viele Siamesen zu Grunde richten sollen.

Die Chinesen, die jährlich zu Tausenden einwandern, saugen
offenbar am Mark des Landes; wie jene Lotterie, so haben sie auch
das Opiumrauchen und andere Missbräuche eingeführt. In der
Periode, welche der Freigebung des Handels vorausging, hatten sie
Monopole auf alle wichtigen Artikel gepachtet, die der englische
Vertrag 1855 beseitigte; aber auch jetzt noch ist der grösste Theil
des siamesischen Handels in Händen der Chinesen. Tausende
schleppen ein Vermögen nach der Heimath; andere, vorzüglich
Pflanzer, bleiben im Lande und heirathen Siamesinnen. Nach Palle-
goix
wüchse Siam's Bevölkerung nur durch Zuzug von Chinesen;
die Knechtschaft hindere zu viele Siamesen am Heirathen, als dass
das Volk sich mehren könnte. -- Im Gegensatz zu den Chinesen
bilden die Siamesen die arbeitende, landbauende Bevölkerung und
erwerben keine Schätze; Dürftigkeit ist dagegen selten, wie in allen
Tropenländern, wo die Natur so verschwenderisch waltet.

Schatzgraben. Spiele. XXII.
Schätzen, damit sie als Schutzgeister darüber wachten. Noch heut
wird in Siam viel nach Schätzen gegraben, besonders in Ayutia
mit vielem Erfolge. Der Schatzgräber opfert Abends auf dem Fleck,
wo er graben will, dem Schutzgeist Blumen, Kerzen und Reis und
legt sich dort schlafen; dann erscheint ihm der Schutzgeist im
Traum und verlangt einen Schweinskopf und einige Flaschen Arrac
für Hebung des Schatzes, oder jagt ihn mit geschwungener Keule
fort. — Mit Aufzählung ähnlicher Gebräuche liessen sich Bände
füllen; sie spielen auch bei den jährlichen Festen der Siamesen,
die von Pallégoix und Dr. Bastian beschrieben werden, die grösste
Rolle. Die dabei üblichen Spiele sind Ringen und Boxen — auch
von Weibern. — Discuswerfen, Wettläufe zu Fuss, zu Pferde und
zu Wagen. Das Federballspiel, wobei, wie in China, der Ball mit
den Füssen geschlagen wird, ist eine Lieblingsbelustigung der
Siamesen. Ein Ballspiel der Vornehmen zu Pferde, bei welchem
auf abgegrenztem Raume die Partheien ihre Bälle mit Hämmern in
bestimmte Löcher treiben und die der Gegner abwehren, gleicht
demjenigen, das wir in Japan sahen. Der Zweite König soll darin
Meister gewesen sein. — Auch Drachenfliegen ist in Siam, wie in
Japan, ein Lieblingsspiel der Erwachsenen, besonders zur Zeit des
Südwindes. Sie haben ferner das chinesische Schach-, Trictrac-
und Kartenspiele, und würfeln mit Leidenschaft. Reiche Chinesen
haben vom König das Monopol einer Geldlotterie erkauft, an der
sich viele Siamesen zu Grunde richten sollen.

Die Chinesen, die jährlich zu Tausenden einwandern, saugen
offenbar am Mark des Landes; wie jene Lotterie, so haben sie auch
das Opiumrauchen und andere Missbräuche eingeführt. In der
Periode, welche der Freigebung des Handels vorausging, hatten sie
Monopole auf alle wichtigen Artikel gepachtet, die der englische
Vertrag 1855 beseitigte; aber auch jetzt noch ist der grösste Theil
des siamesischen Handels in Händen der Chinesen. Tausende
schleppen ein Vermögen nach der Heimath; andere, vorzüglich
Pflanzer, bleiben im Lande und heirathen Siamesinnen. Nach Pallé-
goix
wüchse Siam’s Bevölkerung nur durch Zuzug von Chinesen;
die Knechtschaft hindere zu viele Siamesen am Heirathen, als dass
das Volk sich mehren könnte. — Im Gegensatz zu den Chinesen
bilden die Siamesen die arbeitende, landbauende Bevölkerung und
erwerben keine Schätze; Dürftigkeit ist dagegen selten, wie in allen
Tropenländern, wo die Natur so verschwenderisch waltet.

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[334/0348] Schatzgraben. Spiele. XXII. Schätzen, damit sie als Schutzgeister darüber wachten. Noch heut wird in Siam viel nach Schätzen gegraben, besonders in Ayutia mit vielem Erfolge. Der Schatzgräber opfert Abends auf dem Fleck, wo er graben will, dem Schutzgeist Blumen, Kerzen und Reis und legt sich dort schlafen; dann erscheint ihm der Schutzgeist im Traum und verlangt einen Schweinskopf und einige Flaschen Arrac für Hebung des Schatzes, oder jagt ihn mit geschwungener Keule fort. — Mit Aufzählung ähnlicher Gebräuche liessen sich Bände füllen; sie spielen auch bei den jährlichen Festen der Siamesen, die von Pallégoix und Dr. Bastian beschrieben werden, die grösste Rolle. Die dabei üblichen Spiele sind Ringen und Boxen — auch von Weibern. — Discuswerfen, Wettläufe zu Fuss, zu Pferde und zu Wagen. Das Federballspiel, wobei, wie in China, der Ball mit den Füssen geschlagen wird, ist eine Lieblingsbelustigung der Siamesen. Ein Ballspiel der Vornehmen zu Pferde, bei welchem auf abgegrenztem Raume die Partheien ihre Bälle mit Hämmern in bestimmte Löcher treiben und die der Gegner abwehren, gleicht demjenigen, das wir in Japan sahen. Der Zweite König soll darin Meister gewesen sein. — Auch Drachenfliegen ist in Siam, wie in Japan, ein Lieblingsspiel der Erwachsenen, besonders zur Zeit des Südwindes. Sie haben ferner das chinesische Schach-, Trictrac- und Kartenspiele, und würfeln mit Leidenschaft. Reiche Chinesen haben vom König das Monopol einer Geldlotterie erkauft, an der sich viele Siamesen zu Grunde richten sollen. Die Chinesen, die jährlich zu Tausenden einwandern, saugen offenbar am Mark des Landes; wie jene Lotterie, so haben sie auch das Opiumrauchen und andere Missbräuche eingeführt. In der Periode, welche der Freigebung des Handels vorausging, hatten sie Monopole auf alle wichtigen Artikel gepachtet, die der englische Vertrag 1855 beseitigte; aber auch jetzt noch ist der grösste Theil des siamesischen Handels in Händen der Chinesen. Tausende schleppen ein Vermögen nach der Heimath; andere, vorzüglich Pflanzer, bleiben im Lande und heirathen Siamesinnen. Nach Pallé- goix wüchse Siam’s Bevölkerung nur durch Zuzug von Chinesen; die Knechtschaft hindere zu viele Siamesen am Heirathen, als dass das Volk sich mehren könnte. — Im Gegensatz zu den Chinesen bilden die Siamesen die arbeitende, landbauende Bevölkerung und erwerben keine Schätze; Dürftigkeit ist dagegen selten, wie in allen Tropenländern, wo die Natur so verschwenderisch waltet.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/348>, abgerufen am 05.05.2024.