hatte anfangs so starken Zulauf, dass die Geistlichen der Arbeits- last nicht gewachsen waren und vielfach erkrankten; auch das Seminar zu Ausbildung eingeborner Lehrer, das unter Phra Narai's Herrschaft so glänzende Erfolge hatte und später mehrfach wieder ins Leben gerufen wurde, litt damals Geldmangel.
Monseigneur Pallegoix erwiederte des Gesandten Besuch und wurde bei der Unterhaltung sehr lebendig. Er hatte für die Kennt- niss des Landes viel gethan und ein umfassendes Werk darüber herausgegeben, "wollte auch, da sich seitdem neuer Stoff anhäufte, gern noch mehr über Siam schreiben, wenn er nicht seit sechs Jahren erblindet wäre". Er überlebte unsere Anwesenheit nicht lange. -- Nach dem Eindruck, den wir empfingen, ist die Wirk- samkeit der katholischen Mission heut eine weniger glänzende aber tiefer greifende, als die der Jesuiten in früheren Jahrhunderten, die in ihren Schriften mit dem Umfang der Bekehrungen unerlaubt prahlen und sich besonders der grossen Zahl -- in die Tausende -- von Taufen rühmen, die sie jährlich an sterbenden Kindern vollzogen. -- Die Erfolge der protestantischen Missionare entziehen sich nothwendig der Beobachtung, da ihre ganze Wirksamkeit eine individuelle, keine disciplinirte ist, weil jede Secte und jede Mis- sionsgesellschaft ihren eigenen Weg geht, und die Kräfte sich zer- splittern. Auf einzelne Proselyten mögen protestantische Missionare tieferen Einfluss üben als die katholischen; die Zahl ihrer Bekeh- rungen ist aber klein. Ihr grösstes Verdienst besteht wohl in Er- forschung der siamesischen Sprache und Literatur und in Ueber- setzung von Bibelabschnitten in das Siamesische.
Unser gütiger Nachbar Prinz Khroma-luan ermüdete nicht in Freundschaftsbeweisen; eines Tages lud er den Gesandten zu einem Hahnenkampf ein. Die kreisrunde Arena von etwa zehn Fuss Durchmesser fasste halbmannshohes Korbgeflecht ein, um das sich viele Siamesen drängten; der Gesandte und seine Begleiter nahmen auf einer kleinen Estrade Platz. Es trat eben eine Pause ein, die nach jedem etwa sechs Minuten dauernden Gange von den Eigen- thümern benutzt wird, um den Kämpfern Wasser zu geben und die Wunden zu waschen. -- Die Hähne waren so gross wie die cochin- chinesischen, doch viel schlanker gebaut. Fünf Gänge hatten sie gemacht, die Spannung der Zuschauer stieg auf das Höchste; sie begleiteten jeden Schnabelhieb mit Gebrüll und wetteten, wie der Dolmetsch sagte, zum Belang von 200 Tikal. Erwischte einer der
XXI. Die Missionare.
hatte anfangs so starken Zulauf, dass die Geistlichen der Arbeits- last nicht gewachsen waren und vielfach erkrankten; auch das Seminar zu Ausbildung eingeborner Lehrer, das unter Phra Naraï’s Herrschaft so glänzende Erfolge hatte und später mehrfach wieder ins Leben gerufen wurde, litt damals Geldmangel.
Monseigneur Pallégoix erwiederte des Gesandten Besuch und wurde bei der Unterhaltung sehr lebendig. Er hatte für die Kennt- niss des Landes viel gethan und ein umfassendes Werk darüber herausgegeben, »wollte auch, da sich seitdem neuer Stoff anhäufte, gern noch mehr über Siam schreiben, wenn er nicht seit sechs Jahren erblindet wäre«. Er überlebte unsere Anwesenheit nicht lange. — Nach dem Eindruck, den wir empfingen, ist die Wirk- samkeit der katholischen Mission heut eine weniger glänzende aber tiefer greifende, als die der Jesuiten in früheren Jahrhunderten, die in ihren Schriften mit dem Umfang der Bekehrungen unerlaubt prahlen und sich besonders der grossen Zahl — in die Tausende — von Taufen rühmen, die sie jährlich an sterbenden Kindern vollzogen. — Die Erfolge der protestantischen Missionare entziehen sich nothwendig der Beobachtung, da ihre ganze Wirksamkeit eine individuelle, keine disciplinirte ist, weil jede Secte und jede Mis- sionsgesellschaft ihren eigenen Weg geht, und die Kräfte sich zer- splittern. Auf einzelne Proselyten mögen protestantische Missionare tieferen Einfluss üben als die katholischen; die Zahl ihrer Bekeh- rungen ist aber klein. Ihr grösstes Verdienst besteht wohl in Er- forschung der siamesischen Sprache und Literatur und in Ueber- setzung von Bibelabschnitten in das Siamesische.
Unser gütiger Nachbar Prinz Khroma-luaṅ ermüdete nicht in Freundschaftsbeweisen; eines Tages lud er den Gesandten zu einem Hahnenkampf ein. Die kreisrunde Arena von etwa zehn Fuss Durchmesser fasste halbmannshohes Korbgeflecht ein, um das sich viele Siamesen drängten; der Gesandte und seine Begleiter nahmen auf einer kleinen Estrade Platz. Es trat eben eine Pause ein, die nach jedem etwa sechs Minuten dauernden Gange von den Eigen- thümern benutzt wird, um den Kämpfern Wasser zu geben und die Wunden zu waschen. — Die Hähne waren so gross wie die cochin- chinesischen, doch viel schlanker gebaut. Fünf Gänge hatten sie gemacht, die Spannung der Zuschauer stieg auf das Höchste; sie begleiteten jeden Schnabelhieb mit Gebrüll und wetteten, wie der Dolmetsch sagte, zum Belang von 200 Tikal. Erwischte einer der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0311"n="297"/><fwplace="top"type="header">XXI. Die Missionare.</fw><lb/>
hatte anfangs so starken Zulauf, dass die Geistlichen der Arbeits-<lb/>
last nicht gewachsen waren und vielfach erkrankten; auch<lb/>
das Seminar zu Ausbildung eingeborner Lehrer, das unter <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118855719"><hirendition="#k">Phra<lb/>
Naraï</hi>’s</persName> Herrschaft so glänzende Erfolge hatte und später mehrfach<lb/>
wieder ins Leben gerufen wurde, litt damals Geldmangel.</p><lb/><p>Monseigneur <persNameref="http://d-nb.info/gnd/141205164">Pallégoix</persName> erwiederte des Gesandten Besuch und<lb/>
wurde bei der Unterhaltung sehr lebendig. Er hatte für die Kennt-<lb/>
niss des Landes viel gethan und ein umfassendes Werk darüber<lb/>
herausgegeben, »wollte auch, da sich seitdem neuer Stoff anhäufte,<lb/>
gern noch mehr über <hirendition="#k"><placeName>Siam</placeName></hi> schreiben, wenn er nicht seit sechs<lb/>
Jahren erblindet wäre«. Er überlebte unsere Anwesenheit nicht<lb/>
lange. — Nach dem Eindruck, den wir empfingen, ist die Wirk-<lb/>
samkeit der katholischen Mission heut eine weniger glänzende aber<lb/>
tiefer greifende, als die der Jesuiten in früheren Jahrhunderten,<lb/>
die in ihren Schriften mit dem Umfang der Bekehrungen unerlaubt<lb/>
prahlen und sich besonders der grossen Zahl — in die Tausende<lb/>— von Taufen rühmen, die sie jährlich an sterbenden Kindern<lb/>
vollzogen. — Die Erfolge der protestantischen Missionare entziehen<lb/>
sich nothwendig der Beobachtung, da ihre ganze Wirksamkeit eine<lb/>
individuelle, keine disciplinirte ist, weil jede Secte und jede Mis-<lb/>
sionsgesellschaft ihren eigenen Weg geht, und die Kräfte sich zer-<lb/>
splittern. Auf einzelne Proselyten mögen protestantische Missionare<lb/>
tieferen Einfluss üben als die katholischen; die Zahl ihrer Bekeh-<lb/>
rungen ist aber klein. Ihr grösstes Verdienst besteht wohl in Er-<lb/>
forschung der siamesischen Sprache und Literatur und in Ueber-<lb/>
setzung von Bibelabschnitten in das Siamesische.</p><lb/><p>Unser gütiger Nachbar <persNameref="nognd">Prinz <hirendition="#k">Khroma-luaṅ</hi></persName> ermüdete nicht<lb/>
in Freundschaftsbeweisen; eines Tages lud er den Gesandten zu<lb/>
einem Hahnenkampf ein. Die kreisrunde Arena von etwa zehn Fuss<lb/>
Durchmesser fasste halbmannshohes Korbgeflecht ein, um das sich<lb/>
viele Siamesen drängten; der Gesandte und seine Begleiter nahmen<lb/>
auf einer kleinen Estrade Platz. Es trat eben eine Pause ein, die<lb/>
nach jedem etwa sechs Minuten dauernden Gange von den Eigen-<lb/>
thümern benutzt wird, um den Kämpfern Wasser zu geben und die<lb/>
Wunden zu waschen. — Die Hähne waren so gross wie die cochin-<lb/>
chinesischen, doch viel schlanker gebaut. Fünf Gänge hatten sie<lb/>
gemacht, die Spannung der Zuschauer stieg auf das Höchste; sie<lb/>
begleiteten jeden Schnabelhieb mit Gebrüll und wetteten, wie der<lb/>
Dolmetsch sagte, zum Belang von 200 <hirendition="#k">Tikal</hi>. Erwischte einer der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[297/0311]
XXI. Die Missionare.
hatte anfangs so starken Zulauf, dass die Geistlichen der Arbeits-
last nicht gewachsen waren und vielfach erkrankten; auch
das Seminar zu Ausbildung eingeborner Lehrer, das unter Phra
Naraï’s Herrschaft so glänzende Erfolge hatte und später mehrfach
wieder ins Leben gerufen wurde, litt damals Geldmangel.
Monseigneur Pallégoix erwiederte des Gesandten Besuch und
wurde bei der Unterhaltung sehr lebendig. Er hatte für die Kennt-
niss des Landes viel gethan und ein umfassendes Werk darüber
herausgegeben, »wollte auch, da sich seitdem neuer Stoff anhäufte,
gern noch mehr über Siam schreiben, wenn er nicht seit sechs
Jahren erblindet wäre«. Er überlebte unsere Anwesenheit nicht
lange. — Nach dem Eindruck, den wir empfingen, ist die Wirk-
samkeit der katholischen Mission heut eine weniger glänzende aber
tiefer greifende, als die der Jesuiten in früheren Jahrhunderten,
die in ihren Schriften mit dem Umfang der Bekehrungen unerlaubt
prahlen und sich besonders der grossen Zahl — in die Tausende
— von Taufen rühmen, die sie jährlich an sterbenden Kindern
vollzogen. — Die Erfolge der protestantischen Missionare entziehen
sich nothwendig der Beobachtung, da ihre ganze Wirksamkeit eine
individuelle, keine disciplinirte ist, weil jede Secte und jede Mis-
sionsgesellschaft ihren eigenen Weg geht, und die Kräfte sich zer-
splittern. Auf einzelne Proselyten mögen protestantische Missionare
tieferen Einfluss üben als die katholischen; die Zahl ihrer Bekeh-
rungen ist aber klein. Ihr grösstes Verdienst besteht wohl in Er-
forschung der siamesischen Sprache und Literatur und in Ueber-
setzung von Bibelabschnitten in das Siamesische.
Unser gütiger Nachbar Prinz Khroma-luaṅ ermüdete nicht
in Freundschaftsbeweisen; eines Tages lud er den Gesandten zu
einem Hahnenkampf ein. Die kreisrunde Arena von etwa zehn Fuss
Durchmesser fasste halbmannshohes Korbgeflecht ein, um das sich
viele Siamesen drängten; der Gesandte und seine Begleiter nahmen
auf einer kleinen Estrade Platz. Es trat eben eine Pause ein, die
nach jedem etwa sechs Minuten dauernden Gange von den Eigen-
thümern benutzt wird, um den Kämpfern Wasser zu geben und die
Wunden zu waschen. — Die Hähne waren so gross wie die cochin-
chinesischen, doch viel schlanker gebaut. Fünf Gänge hatten sie
gemacht, die Spannung der Zuschauer stieg auf das Höchste; sie
begleiteten jeden Schnabelhieb mit Gebrüll und wetteten, wie der
Dolmetsch sagte, zum Belang von 200 Tikal. Erwischte einer der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/311>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.