Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.Der Staatsstreich in Pe-kin. XIX. haben sich Geltung verschafft, die Chinesen können sich nicht mehrdem Einfluss einer Gesittung entziehen, deren Ueberlegenheit sie unwillig anerkennen, deren Vortheile sie aber gern benutzen. Die schnelle Besiegung der Tae-pin mit Hülfe europäischer Waffen, -- ein Gedanke, den Hien-fun noch entrüstet zurückwies -- lieferte in den folgenden Jahren einen schlagenden Beweis für den gewal- tigen Umschwung in der öffentlichen Meinung. Unzweifelhaft förderte das Verhalten der fremden Diplomaten Wie schwach die Stellung des grossen Tsin-Hauses im Herbst San-ko-lin-sin's Denkschrift.50) "Dein Knecht San-ko-lin-sin überreicht knieend eine Denk- 50) Rein formelle Phrasen sind in diesem und den folgenden Documenten unter-
drückt. Die Jahreszahlen sind in die christliche Zeitrechnung übersetzt. Der Staatsstreich in Pe-kiṅ. XIX. haben sich Geltung verschafft, die Chinesen können sich nicht mehrdem Einfluss einer Gesittung entziehen, deren Ueberlegenheit sie unwillig anerkennen, deren Vortheile sie aber gern benutzen. Die schnelle Besiegung der Tae-piṅ mit Hülfe europäischer Waffen, — ein Gedanke, den Hien-fuṅ noch entrüstet zurückwies — lieferte in den folgenden Jahren einen schlagenden Beweis für den gewal- tigen Umschwung in der öffentlichen Meinung. Unzweifelhaft förderte das Verhalten der fremden Diplomaten Wie schwach die Stellung des grossen Tšiṅ-Hauses im Herbst Saṅ-ko-lin-sin’s Denkschrift.50) »Dein Knecht Saṅ-ko-lin-sin überreicht knieend eine Denk- 50) Rein formelle Phrasen sind in diesem und den folgenden Documenten unter-
drückt. Die Jahreszahlen sind in die christliche Zeitrechnung übersetzt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0226" n="212"/><fw place="top" type="header">Der Staatsstreich in <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi>. XIX.</fw><lb/> haben sich Geltung verschafft, die Chinesen können sich nicht mehr<lb/> dem Einfluss einer Gesittung entziehen, deren Ueberlegenheit sie<lb/> unwillig anerkennen, deren Vortheile sie aber gern benutzen. Die<lb/> schnelle Besiegung der <hi rendition="#k">Tae-piṅ</hi> mit Hülfe europäischer Waffen, —<lb/> ein Gedanke, den <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/n87857905">Hien-fuṅ</persName></hi> noch entrüstet zurückwies — lieferte<lb/> in den folgenden Jahren einen schlagenden Beweis für den gewal-<lb/> tigen Umschwung in der öffentlichen Meinung.</p><lb/> <p>Unzweifelhaft förderte das Verhalten der fremden Diplomaten<lb/> in <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> wesentlich die Katastrophe vom 1. November, welche<lb/> gewissermaassen den Schlussact der englischen Kriege bildet. Der<lb/> Prinz von <hi rendition="#k"><placeName>Kuṅ</placeName></hi> überzeugte sich, dass der Frieden mit den Fremden<lb/> auf ihre Bedingungen nicht nur möglich, sondern der Wohlfahrt<lb/> des Reiches förderlich, ja die einzige Bürgschaft für Besiegung der<lb/> Rebellen sei. Blieben die Männer des Regentschaftsrathes am Ruder,<lb/> so begann die Arbeit der Fremden von Frischem, ein neuer Krieg<lb/> war unvermeidlich und führte muthmaasslich zum Sturze der Dynastie,<lb/> wie der vom <persName ref="http://d-nb.info/gnd/1042219869">Prinzen <hi rendition="#k">Kuṅ</hi></persName> im Vertrauen auf die Redlichkeit und Macht<lb/> der Fremden ausgeführte Staatsstreich zu ihrer Befestigung führte.</p><lb/> <p>Wie schwach die Stellung des grossen <hi rendition="#k">Tšiṅ</hi>-Hauses im Herbst<lb/> 1860 war, mögen folgende im Sommerpalast erbeutete Denkschriften<lb/> zeigen, welche <persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/n87857905"><hi rendition="#k">Hien-fuṅ</hi>’s</persName> Flucht nach <hi rendition="#k"><placeName>Džehol</placeName></hi> beleuchten. <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/1043030107">Saṅ-<lb/> ko-lin-sin</persName></hi> empfahl dieselbe nach dem Fall von <hi rendition="#k"><placeName>Ta-ku</placeName></hi>, weil<lb/> er die Fremden im offenen Felde zu schlagen hoffte. Ob der<lb/> Gedanke von ihm ausging, weiss man nicht; von seiner politischen<lb/> Tragweite hatte der Mongolenfürst wohl keinen Begriff. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/1043030107"><hi rendition="#k">Saṅ-ko-<lb/> lin-sin</hi>’s</persName> Stellung zur Kriegsfrage ist niemals ganz aufgeklärt wor-<lb/> den. 1859 galt er als Anstifter des Widerstandes; dass er da-<lb/> mals sowohl wie 1860 in <hi rendition="#k"><placeName>Ta-ku</placeName></hi> die Operationen leitete, ist sicher.<lb/> Für seine Erbitterung gegen die Fremden zeugt auch unwiderleglich<lb/> sein Auftreten gegen Herrn <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119456648">Parkes</persName> vor der Schlacht von <hi rendition="#k"><placeName>Tšaṅ-kia-<lb/> wan</placeName></hi>. An demselben Tage gewann aber <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/1043030107">Saṅ-ko-lin-sin</persName></hi> Achtung<lb/> vor den Alliirten, empfahl gleich darauf den Frieden und blieb dieser<lb/> Gesinnung auch später treu. Den Wunsch, sich des Thrones zu<lb/> bemächtigen, haben die Fremden ihm gewiss mit Unrecht angedichtet.</p><lb/> <p><persName ref="http://d-nb.info/gnd/1043030107"><hi rendition="#k">Saṅ-ko-lin-sin</hi>’s</persName> Denkschrift.<note place="foot" n="50)">Rein formelle Phrasen sind in diesem und den folgenden Documenten unter-<lb/> drückt. Die Jahreszahlen sind in die christliche Zeitrechnung übersetzt.</note></p><lb/> <p> <hi rendition="#et">»Dein Knecht <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/1043030107">Saṅ-ko-lin-sin</persName></hi> überreicht knieend eine Denk-<lb/> schrift. In der Ueberzeugung, dass der Barbaren veränderliche Ge-</hi><lb/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0226]
Der Staatsstreich in Pe-kiṅ. XIX.
haben sich Geltung verschafft, die Chinesen können sich nicht mehr
dem Einfluss einer Gesittung entziehen, deren Ueberlegenheit sie
unwillig anerkennen, deren Vortheile sie aber gern benutzen. Die
schnelle Besiegung der Tae-piṅ mit Hülfe europäischer Waffen, —
ein Gedanke, den Hien-fuṅ noch entrüstet zurückwies — lieferte
in den folgenden Jahren einen schlagenden Beweis für den gewal-
tigen Umschwung in der öffentlichen Meinung.
Unzweifelhaft förderte das Verhalten der fremden Diplomaten
in Pe-kiṅ wesentlich die Katastrophe vom 1. November, welche
gewissermaassen den Schlussact der englischen Kriege bildet. Der
Prinz von Kuṅ überzeugte sich, dass der Frieden mit den Fremden
auf ihre Bedingungen nicht nur möglich, sondern der Wohlfahrt
des Reiches förderlich, ja die einzige Bürgschaft für Besiegung der
Rebellen sei. Blieben die Männer des Regentschaftsrathes am Ruder,
so begann die Arbeit der Fremden von Frischem, ein neuer Krieg
war unvermeidlich und führte muthmaasslich zum Sturze der Dynastie,
wie der vom Prinzen Kuṅ im Vertrauen auf die Redlichkeit und Macht
der Fremden ausgeführte Staatsstreich zu ihrer Befestigung führte.
Wie schwach die Stellung des grossen Tšiṅ-Hauses im Herbst
1860 war, mögen folgende im Sommerpalast erbeutete Denkschriften
zeigen, welche Hien-fuṅ’s Flucht nach Džehol beleuchten. Saṅ-
ko-lin-sin empfahl dieselbe nach dem Fall von Ta-ku, weil
er die Fremden im offenen Felde zu schlagen hoffte. Ob der
Gedanke von ihm ausging, weiss man nicht; von seiner politischen
Tragweite hatte der Mongolenfürst wohl keinen Begriff. Saṅ-ko-
lin-sin’s Stellung zur Kriegsfrage ist niemals ganz aufgeklärt wor-
den. 1859 galt er als Anstifter des Widerstandes; dass er da-
mals sowohl wie 1860 in Ta-ku die Operationen leitete, ist sicher.
Für seine Erbitterung gegen die Fremden zeugt auch unwiderleglich
sein Auftreten gegen Herrn Parkes vor der Schlacht von Tšaṅ-kia-
wan. An demselben Tage gewann aber Saṅ-ko-lin-sin Achtung
vor den Alliirten, empfahl gleich darauf den Frieden und blieb dieser
Gesinnung auch später treu. Den Wunsch, sich des Thrones zu
bemächtigen, haben die Fremden ihm gewiss mit Unrecht angedichtet.
Saṅ-ko-lin-sin’s Denkschrift. 50)
»Dein Knecht Saṅ-ko-lin-sin überreicht knieend eine Denk-
schrift. In der Ueberzeugung, dass der Barbaren veränderliche Ge-
50) Rein formelle Phrasen sind in diesem und den folgenden Documenten unter-
drückt. Die Jahreszahlen sind in die christliche Zeitrechnung übersetzt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |