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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Fahrt auf dem Tsu-kian. XIX.
die Mündung des Tsu-kian Bocca Tigris. Davor liegen auf niedri-
gen Felsinseln und am linken steileren Flussufer die Festungs-
werke, welche die Einfahrt vertheidigen sollten und so oft zu-
sammengeschossen wurden, lange kanonengespickte Mauerlinien.
Je weiter hinauf, desto reicher sind die flachen Ufer angebaut,
desto belebter der Fluss. Viele Dörfer, Tempel und Pagoden säu-
men den Strand. -- Um halb zwei hielt der Dampfer bei Wam-
poa
, wo die grossen Seeschiffe ankern, und war im Nu von Tan-
ka
-Booten umringt, aus welchen die lustigen Mädchen um die
Wette schrieen und winkten. -- Am Ufer liegen schmutzige Häuser-
reihen mit Agenturen, Kneipen und Kramläden für den Schiffs-
bedarf, daneben ausgedehnte Werfte, wo auch Fahrzeuge euro-
päischen Schnittes gebaut werden. Wam-poa scheint schmutzig
und übelriechend, voll Gesindel, wie mancher andere Hafenort.
Die Gegend ist hügelig und hübsch bewachsen, dichte Bananen-
gruppen geben ihr einen tropischen Anstrich.

Oberhalb Wam-poa theilt sich der Strom in zwei Arme;
der Hankow läuft in den nördlichen ein. Die Landschaft wird im-
mer hübscher; auf dem linken Ufer treten die Berge näher an den
Fluss, auf dem rechten stehen zwei schlanke Pagoden. Ein Dorf
reiht sich an das andere, schattige Wäldchen und Bambusge-
büsche grünen zwischen den Reisfeldern. Der Fluss wird enger; das
Gedränge der Dschunken lässt kaum einen Durchgang frei. Eine
Felsrippe durchsetzt das Wasser; rechts und links stehen zwei
kleine Leuchtthürme. Der Dampfer schiesst durch das Thor und
lässt bald darauf seinen Anker fallen, nachdem er 98 Seemeilen in
6 Stunden machte.

Am linken nördlichen Flussufer liegt die Stadt Kan-ton,
eine graue Häusermasse, das rechte bildet die Insel Ho-nan, wo
damals die meisten Fremden wohnten. Noch war ein breiter
Streifen zwischen dem Fluss und der Stadtmauer unbebaut, wo die
verbrannten Factoreien und Vorstädte standen. -- Der Fluss ist
ungemein belebt. Am Ufer liegen in langer Reihe die "Flowerboats",
schwimmende Häuser mit reich geschnitzten, bemalten, vergoldeten
Facaden, lauter Theehäuser und Schenken. Tausend andere von
den ärmeren Volksclassen bewohnte Boote bilden Strassen und
Gassen; die der Aussätzigen liegen gesondert und abgesperrt. Im
Fahrwasser ankern viele Dschunken und Lorchas; dazwischen
schwärmen Boote mit Marktwaaren, Werkstätten, Kramläden herum,

Fahrt auf dem Tšu-kiaṅ. XIX.
die Mündung des Tšu-kiaṅ Bocca Tigris. Davor liegen auf niedri-
gen Felsinseln und am linken steileren Flussufer die Festungs-
werke, welche die Einfahrt vertheidigen sollten und so oft zu-
sammengeschossen wurden, lange kanonengespickte Mauerlinien.
Je weiter hinauf, desto reicher sind die flachen Ufer angebaut,
desto belebter der Fluss. Viele Dörfer, Tempel und Pagoden säu-
men den Strand. — Um halb zwei hielt der Dampfer bei Wam-
poa
, wo die grossen Seeschiffe ankern, und war im Nu von Tan-
ka
-Booten umringt, aus welchen die lustigen Mädchen um die
Wette schrieen und winkten. — Am Ufer liegen schmutzige Häuser-
reihen mit Agenturen, Kneipen und Kramläden für den Schiffs-
bedarf, daneben ausgedehnte Werfte, wo auch Fahrzeuge euro-
päischen Schnittes gebaut werden. Wam-poa scheint schmutzig
und übelriechend, voll Gesindel, wie mancher andere Hafenort.
Die Gegend ist hügelig und hübsch bewachsen, dichte Bananen-
gruppen geben ihr einen tropischen Anstrich.

Oberhalb Wam-poa theilt sich der Strom in zwei Arme;
der Hankow läuft in den nördlichen ein. Die Landschaft wird im-
mer hübscher; auf dem linken Ufer treten die Berge näher an den
Fluss, auf dem rechten stehen zwei schlanke Pagoden. Ein Dorf
reiht sich an das andere, schattige Wäldchen und Bambusge-
büsche grünen zwischen den Reisfeldern. Der Fluss wird enger; das
Gedränge der Dschunken lässt kaum einen Durchgang frei. Eine
Felsrippe durchsetzt das Wasser; rechts und links stehen zwei
kleine Leuchtthürme. Der Dampfer schiesst durch das Thor und
lässt bald darauf seinen Anker fallen, nachdem er 98 Seemeilen in
6 Stunden machte.

Am linken nördlichen Flussufer liegt die Stadt Kan-ton,
eine graue Häusermasse, das rechte bildet die Insel Ho-nan, wo
damals die meisten Fremden wohnten. Noch war ein breiter
Streifen zwischen dem Fluss und der Stadtmauer unbebaut, wo die
verbrannten Factoreien und Vorstädte standen. — Der Fluss ist
ungemein belebt. Am Ufer liegen in langer Reihe die »Flowerboats«,
schwimmende Häuser mit reich geschnitzten, bemalten, vergoldeten
Façaden, lauter Theehäuser und Schenken. Tausend andere von
den ärmeren Volksclassen bewohnte Boote bilden Strassen und
Gassen; die der Aussätzigen liegen gesondert und abgesperrt. Im
Fahrwasser ankern viele Dschunken und Lorchas; dazwischen
schwärmen Boote mit Marktwaaren, Werkstätten, Kramläden herum,

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[190/0204] Fahrt auf dem Tšu-kiaṅ. XIX. die Mündung des Tšu-kiaṅ Bocca Tigris. Davor liegen auf niedri- gen Felsinseln und am linken steileren Flussufer die Festungs- werke, welche die Einfahrt vertheidigen sollten und so oft zu- sammengeschossen wurden, lange kanonengespickte Mauerlinien. Je weiter hinauf, desto reicher sind die flachen Ufer angebaut, desto belebter der Fluss. Viele Dörfer, Tempel und Pagoden säu- men den Strand. — Um halb zwei hielt der Dampfer bei Wam- poa, wo die grossen Seeschiffe ankern, und war im Nu von Tan- ka-Booten umringt, aus welchen die lustigen Mädchen um die Wette schrieen und winkten. — Am Ufer liegen schmutzige Häuser- reihen mit Agenturen, Kneipen und Kramläden für den Schiffs- bedarf, daneben ausgedehnte Werfte, wo auch Fahrzeuge euro- päischen Schnittes gebaut werden. Wam-poa scheint schmutzig und übelriechend, voll Gesindel, wie mancher andere Hafenort. Die Gegend ist hügelig und hübsch bewachsen, dichte Bananen- gruppen geben ihr einen tropischen Anstrich. Oberhalb Wam-poa theilt sich der Strom in zwei Arme; der Hankow läuft in den nördlichen ein. Die Landschaft wird im- mer hübscher; auf dem linken Ufer treten die Berge näher an den Fluss, auf dem rechten stehen zwei schlanke Pagoden. Ein Dorf reiht sich an das andere, schattige Wäldchen und Bambusge- büsche grünen zwischen den Reisfeldern. Der Fluss wird enger; das Gedränge der Dschunken lässt kaum einen Durchgang frei. Eine Felsrippe durchsetzt das Wasser; rechts und links stehen zwei kleine Leuchtthürme. Der Dampfer schiesst durch das Thor und lässt bald darauf seinen Anker fallen, nachdem er 98 Seemeilen in 6 Stunden machte. Am linken nördlichen Flussufer liegt die Stadt Kan-ton, eine graue Häusermasse, das rechte bildet die Insel Ho-nan, wo damals die meisten Fremden wohnten. Noch war ein breiter Streifen zwischen dem Fluss und der Stadtmauer unbebaut, wo die verbrannten Factoreien und Vorstädte standen. — Der Fluss ist ungemein belebt. Am Ufer liegen in langer Reihe die »Flowerboats«, schwimmende Häuser mit reich geschnitzten, bemalten, vergoldeten Façaden, lauter Theehäuser und Schenken. Tausend andere von den ärmeren Volksclassen bewohnte Boote bilden Strassen und Gassen; die der Aussätzigen liegen gesondert und abgesperrt. Im Fahrwasser ankern viele Dschunken und Lorchas; dazwischen schwärmen Boote mit Marktwaaren, Werkstätten, Kramläden herum,

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/204>, abgerufen am 23.11.2024.