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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Nangasaki. XVIII.
Ufer blinkte Licht an Licht, eine stattliche Lampenreihe bezeichnete
die neue Ansiedlung der Fremden. Vom nahen Felsufer zur Linken
spiegelten sich dunkele Tannen, ringsumher lagen viele Dschunken
von zauberischem Mondlicht übergossen. -- Noch am Abend kamen
alte Bekannte aus Desima herübergerudert.

Der Eindruck von Nangasaki war nach der langen Mühsal
in China, wo nur der Ausflug nach Pe-kin einen Lichtpunkt bildete,
noch mächtiger als im Februar, da wir nach stürmischer Seefahrt
die frühlingsgrünen Gestade grüssten. Voller und üppiger prangte
jetzt die Pflanzendecke, dichter und dunkeler das Laubdach der
schirmenden Wipfel, nicht versengt, wie sonst in gleichen Breiten,
von Sommersonnengluth, sondern in strotzender Kraft der Entfaltung.
Denn hier regnet es in den heissen Monaten, die Hitze ist feucht
wie in den Tropen.

Der niederländische General-Consul Herr de Witt war kurz
vor unserer Ankunft von Yokuhama zurückgekehrt; seiner gastfreien
Einladung folgend nahmen der Gesandte und der Attache Graf zu
Eulenburg
in seinem Hause auf Desima Wohnung, während die
anderen Passagiere der Arkona bei ihren alten Bekannten freundliche
Aufnahme fanden. Fast heimathlich lachte uns auch das japanische
Volksleben an; nach den selbstzufriedenen, fertigen, trockenen,
stumpfen Chinesen, nach dem Staub und Schmutz und den fauligen
Dünsten ihrer verfallenen Städte war das kluge, frische, aufgeweckte
Wesen des frohen, thätigen Japaners, war die Erhaltung, Ordnung
und Sauberkeit bis in die innersten Winkel der japanischen Häuser
und Tempel eine rechte Erquickung. Man wandelte mit Lust durch
die Strassen. Die anständige Höflichkeit, die gute Laune und Auf-
merksamkeit, die ausgesuchte Reinlichkeit des Körpers und der
Wohnung auch bei den ärmeren Volksclassen machen den ange-
nehmsten Eindruck. Da sieht man kein zerbrochenes Geräth, keine
beschmutzten Wände oder zerrissenen Fensterscheiben; auch im
ärmlichen Haushalt ist Alles nett und ordentlich, ja ohne Vergleich
besser und reinlicher gehalten als bei uns unter gleichen Verhält-
nissen. Man kann sich der Achtung vor einer Cultur nicht erweh-
ren, die dem Volke solche Tüchtigkeit, solches Pflichtgefühl
eingeimpft hat. Besonders fiel uns nach dem mumienhaft gleich-
artigen Wesen aller Chinesen aus dem Volke die individuelle Ent-
wickelung der Japaner und die höhere lebendige Gesittung auf, die

Naṅgasaki. XVIII.
Ufer blinkte Licht an Licht, eine stattliche Lampenreihe bezeichnete
die neue Ansiedlung der Fremden. Vom nahen Felsufer zur Linken
spiegelten sich dunkele Tannen, ringsumher lagen viele Dschunken
von zauberischem Mondlicht übergossen. — Noch am Abend kamen
alte Bekannte aus Desima herübergerudert.

Der Eindruck von Naṅgasaki war nach der langen Mühsal
in China, wo nur der Ausflug nach Pe-kiṅ einen Lichtpunkt bildete,
noch mächtiger als im Februar, da wir nach stürmischer Seefahrt
die frühlingsgrünen Gestade grüssten. Voller und üppiger prangte
jetzt die Pflanzendecke, dichter und dunkeler das Laubdach der
schirmenden Wipfel, nicht versengt, wie sonst in gleichen Breiten,
von Sommersonnengluth, sondern in strotzender Kraft der Entfaltung.
Denn hier regnet es in den heissen Monaten, die Hitze ist feucht
wie in den Tropen.

Der niederländische General-Consul Herr de Witt war kurz
vor unserer Ankunft von Yokuhama zurückgekehrt; seiner gastfreien
Einladung folgend nahmen der Gesandte und der Attaché Graf zu
Eulenburg
in seinem Hause auf Desima Wohnung, während die
anderen Passagiere der Arkona bei ihren alten Bekannten freundliche
Aufnahme fanden. Fast heimathlich lachte uns auch das japanische
Volksleben an; nach den selbstzufriedenen, fertigen, trockenen,
stumpfen Chinesen, nach dem Staub und Schmutz und den fauligen
Dünsten ihrer verfallenen Städte war das kluge, frische, aufgeweckte
Wesen des frohen, thätigen Japaners, war die Erhaltung, Ordnung
und Sauberkeit bis in die innersten Winkel der japanischen Häuser
und Tempel eine rechte Erquickung. Man wandelte mit Lust durch
die Strassen. Die anständige Höflichkeit, die gute Laune und Auf-
merksamkeit, die ausgesuchte Reinlichkeit des Körpers und der
Wohnung auch bei den ärmeren Volksclassen machen den ange-
nehmsten Eindruck. Da sieht man kein zerbrochenes Geräth, keine
beschmutzten Wände oder zerrissenen Fensterscheiben; auch im
ärmlichen Haushalt ist Alles nett und ordentlich, ja ohne Vergleich
besser und reinlicher gehalten als bei uns unter gleichen Verhält-
nissen. Man kann sich der Achtung vor einer Cultur nicht erweh-
ren, die dem Volke solche Tüchtigkeit, solches Pflichtgefühl
eingeimpft hat. Besonders fiel uns nach dem mumienhaft gleich-
artigen Wesen aller Chinesen aus dem Volke die individuelle Ent-
wickelung der Japaner und die höhere lebendige Gesittung auf, die

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[170/0184] Naṅgasaki. XVIII. Ufer blinkte Licht an Licht, eine stattliche Lampenreihe bezeichnete die neue Ansiedlung der Fremden. Vom nahen Felsufer zur Linken spiegelten sich dunkele Tannen, ringsumher lagen viele Dschunken von zauberischem Mondlicht übergossen. — Noch am Abend kamen alte Bekannte aus Desima herübergerudert. Der Eindruck von Naṅgasaki war nach der langen Mühsal in China, wo nur der Ausflug nach Pe-kiṅ einen Lichtpunkt bildete, noch mächtiger als im Februar, da wir nach stürmischer Seefahrt die frühlingsgrünen Gestade grüssten. Voller und üppiger prangte jetzt die Pflanzendecke, dichter und dunkeler das Laubdach der schirmenden Wipfel, nicht versengt, wie sonst in gleichen Breiten, von Sommersonnengluth, sondern in strotzender Kraft der Entfaltung. Denn hier regnet es in den heissen Monaten, die Hitze ist feucht wie in den Tropen. Der niederländische General-Consul Herr de Witt war kurz vor unserer Ankunft von Yokuhama zurückgekehrt; seiner gastfreien Einladung folgend nahmen der Gesandte und der Attaché Graf zu Eulenburg in seinem Hause auf Desima Wohnung, während die anderen Passagiere der Arkona bei ihren alten Bekannten freundliche Aufnahme fanden. Fast heimathlich lachte uns auch das japanische Volksleben an; nach den selbstzufriedenen, fertigen, trockenen, stumpfen Chinesen, nach dem Staub und Schmutz und den fauligen Dünsten ihrer verfallenen Städte war das kluge, frische, aufgeweckte Wesen des frohen, thätigen Japaners, war die Erhaltung, Ordnung und Sauberkeit bis in die innersten Winkel der japanischen Häuser und Tempel eine rechte Erquickung. Man wandelte mit Lust durch die Strassen. Die anständige Höflichkeit, die gute Laune und Auf- merksamkeit, die ausgesuchte Reinlichkeit des Körpers und der Wohnung auch bei den ärmeren Volksclassen machen den ange- nehmsten Eindruck. Da sieht man kein zerbrochenes Geräth, keine beschmutzten Wände oder zerrissenen Fensterscheiben; auch im ärmlichen Haushalt ist Alles nett und ordentlich, ja ohne Vergleich besser und reinlicher gehalten als bei uns unter gleichen Verhält- nissen. Man kann sich der Achtung vor einer Cultur nicht erweh- ren, die dem Volke solche Tüchtigkeit, solches Pflichtgefühl eingeimpft hat. Besonders fiel uns nach dem mumienhaft gleich- artigen Wesen aller Chinesen aus dem Volke die individuelle Ent- wickelung der Japaner und die höhere lebendige Gesittung auf, die

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/184>, abgerufen am 25.11.2024.