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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVIII. Irrfahrt.
Tages eine Auswahl vaterländischer Stücke vortrug, wich mancher
Trompetenton krächzend aus der Lage. -- Abends halsten wir nach
N. N. W., das Gesicht wieder gegen China wendend; in der Nacht
schlängerte das Schiff unbändig.

Am 19. October wurde es ruhiger. Als gegen Mittag die
Meaksima-Gruppe in Sicht kam, konnte man die Schraube nieder-
lassen und auf die japanische Küste losdampfen. Nach fünf befan-
den wir uns bei jener Inselgruppe, die, von schroffen Klippen um-
geben, aus den Fluthen zu steiler Höhe aufsteigt. Den Abend
beschien ein glänzender Mond; nur spät und ungern suchte man
den Schlaf.

Am Morgen des 20. October lag die japanische Küste in
voller Herrlichkeit vor uns. Die Ortsbestimmungen waren unsicher;
Capitän Sundewall glaubte, das Schiff sei in der Nacht noch süd-
lich getrieben, dann musste der Rechnung nach unser Ziel weiter
nördlich liegen; dahin wurde der Cours gerichtet. Nun fuhren wir
die Küste hinauf, an Klippen, Inseln und Vorgebirgen vorüber, und
sahen lauter Ufergebilde, denen von Nangasaki ähnlich, konnten aber
den Eingang der Bucht nicht finden. Ueberall waren die Hänge
angebaut; der aufsteigende Rauch verrieth die Lage vieler Dörfer
in den enggeschlossenen Buchten, aus welchen zahllose Dschunken
hervorschwärmten. Die Küste wurde immer fremder, aber erst die
Mittagsobservation bewies mit Sicherheit, dass wir zu nördlich
und Morgens in der Dämmerung Nangasaki vorbeigesteuert waren.
Sofort liess Capitän Sundewall wenden und setzte alle Segel,
unter denen das Schiff bei leichter Brise mit Hülfe der kräftigen
Maschine die Bucht noch beim letzten Tageslicht erreichte. Auch
jetzt erkannte man den Eingang nur mit Hülfe der genauen beim
ersten Besuche gemachten Zeichnung. Arkona war nicht das erste
und wird nicht das letzte Schiff sein, das dieses Schicksal hat.
Capitän Krusenstern kreuzte eine volle Woche, bis er die Einfahrt
fand; ähnlich soll es Vielen ergangen sein. -- Morgens als wir vor-
überfuhren signalisirte den Bewohnern von Nangasaki ein Kanonen-
schuss des Observationspostens das Nahen eines Kriegsschiffes,
und man war dort befremdet, dass keines einlief.

Die hohen Küsten lagen im Dämmerschein und es wurde
ganz dunkel, während wir die lange Bai hinaufdampften; um halb
sieben ankerte das Schiff in ihrem hintersten Winkel. Der Mond
ging eben zwischen Wolken auf in unbeschreiblicher Pracht. Am

XVIII. Irrfahrt.
Tages eine Auswahl vaterländischer Stücke vortrug, wich mancher
Trompetenton krächzend aus der Lage. — Abends halsten wir nach
N. N. W., das Gesicht wieder gegen China wendend; in der Nacht
schlängerte das Schiff unbändig.

Am 19. October wurde es ruhiger. Als gegen Mittag die
Meaksima-Gruppe in Sicht kam, konnte man die Schraube nieder-
lassen und auf die japanische Küste losdampfen. Nach fünf befan-
den wir uns bei jener Inselgruppe, die, von schroffen Klippen um-
geben, aus den Fluthen zu steiler Höhe aufsteigt. Den Abend
beschien ein glänzender Mond; nur spät und ungern suchte man
den Schlaf.

Am Morgen des 20. October lag die japanische Küste in
voller Herrlichkeit vor uns. Die Ortsbestimmungen waren unsicher;
Capitän Sundewall glaubte, das Schiff sei in der Nacht noch süd-
lich getrieben, dann musste der Rechnung nach unser Ziel weiter
nördlich liegen; dahin wurde der Cours gerichtet. Nun fuhren wir
die Küste hinauf, an Klippen, Inseln und Vorgebirgen vorüber, und
sahen lauter Ufergebilde, denen von Naṅgasaki ähnlich, konnten aber
den Eingang der Bucht nicht finden. Ueberall waren die Hänge
angebaut; der aufsteigende Rauch verrieth die Lage vieler Dörfer
in den enggeschlossenen Buchten, aus welchen zahllose Dschunken
hervorschwärmten. Die Küste wurde immer fremder, aber erst die
Mittagsobservation bewies mit Sicherheit, dass wir zu nördlich
und Morgens in der Dämmerung Naṅgasaki vorbeigesteuert waren.
Sofort liess Capitän Sundewall wenden und setzte alle Segel,
unter denen das Schiff bei leichter Brise mit Hülfe der kräftigen
Maschine die Bucht noch beim letzten Tageslicht erreichte. Auch
jetzt erkannte man den Eingang nur mit Hülfe der genauen beim
ersten Besuche gemachten Zeichnung. Arkona war nicht das erste
und wird nicht das letzte Schiff sein, das dieses Schicksal hat.
Capitän Krusenstern kreuzte eine volle Woche, bis er die Einfahrt
fand; ähnlich soll es Vielen ergangen sein. — Morgens als wir vor-
überfuhren signalisirte den Bewohnern von Naṅgasaki ein Kanonen-
schuss des Observationspostens das Nahen eines Kriegsschiffes,
und man war dort befremdet, dass keines einlief.

Die hohen Küsten lagen im Dämmerschein und es wurde
ganz dunkel, während wir die lange Bai hinaufdampften; um halb
sieben ankerte das Schiff in ihrem hintersten Winkel. Der Mond
ging eben zwischen Wolken auf in unbeschreiblicher Pracht. Am

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[169/0183] XVIII. Irrfahrt. Tages eine Auswahl vaterländischer Stücke vortrug, wich mancher Trompetenton krächzend aus der Lage. — Abends halsten wir nach N. N. W., das Gesicht wieder gegen China wendend; in der Nacht schlängerte das Schiff unbändig. Am 19. October wurde es ruhiger. Als gegen Mittag die Meaksima-Gruppe in Sicht kam, konnte man die Schraube nieder- lassen und auf die japanische Küste losdampfen. Nach fünf befan- den wir uns bei jener Inselgruppe, die, von schroffen Klippen um- geben, aus den Fluthen zu steiler Höhe aufsteigt. Den Abend beschien ein glänzender Mond; nur spät und ungern suchte man den Schlaf. Am Morgen des 20. October lag die japanische Küste in voller Herrlichkeit vor uns. Die Ortsbestimmungen waren unsicher; Capitän Sundewall glaubte, das Schiff sei in der Nacht noch süd- lich getrieben, dann musste der Rechnung nach unser Ziel weiter nördlich liegen; dahin wurde der Cours gerichtet. Nun fuhren wir die Küste hinauf, an Klippen, Inseln und Vorgebirgen vorüber, und sahen lauter Ufergebilde, denen von Naṅgasaki ähnlich, konnten aber den Eingang der Bucht nicht finden. Ueberall waren die Hänge angebaut; der aufsteigende Rauch verrieth die Lage vieler Dörfer in den enggeschlossenen Buchten, aus welchen zahllose Dschunken hervorschwärmten. Die Küste wurde immer fremder, aber erst die Mittagsobservation bewies mit Sicherheit, dass wir zu nördlich und Morgens in der Dämmerung Naṅgasaki vorbeigesteuert waren. Sofort liess Capitän Sundewall wenden und setzte alle Segel, unter denen das Schiff bei leichter Brise mit Hülfe der kräftigen Maschine die Bucht noch beim letzten Tageslicht erreichte. Auch jetzt erkannte man den Eingang nur mit Hülfe der genauen beim ersten Besuche gemachten Zeichnung. Arkona war nicht das erste und wird nicht das letzte Schiff sein, das dieses Schicksal hat. Capitän Krusenstern kreuzte eine volle Woche, bis er die Einfahrt fand; ähnlich soll es Vielen ergangen sein. — Morgens als wir vor- überfuhren signalisirte den Bewohnern von Naṅgasaki ein Kanonen- schuss des Observationspostens das Nahen eines Kriegsschiffes, und man war dort befremdet, dass keines einlief. Die hohen Küsten lagen im Dämmerschein und es wurde ganz dunkel, während wir die lange Bai hinaufdampften; um halb sieben ankerte das Schiff in ihrem hintersten Winkel. Der Mond ging eben zwischen Wolken auf in unbeschreiblicher Pracht. Am

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/183>, abgerufen am 28.04.2024.