Hauses gemünzt sind. Das halbe Reich mag in Flammen stehen ohne dass die kaiserliche Autorität darunter litte. Erhebt sich aber die Hauptstadt gegen den Herrscher, so ist seine Per- son gefährdet. Nun ging die Hausmacht der Mandschu in der Bevölkerung von Pe-kin auf und nahm chinesische Cultur an; aus einem Werkzeug wurde sie ein politischer Factor, mit welchem der Hof zu rechnen hat. Wo es sich um keinen Systemwechsel handelt, da entscheidet das persönliche Schick- sal des Herrschers; so müssen die chinesischen Kaiser eifrig bedacht sein, sich die Gunst ihrer nächsten Umgebung zu sichern.
Dass die Himmelssöhne von jeher mit der öffentlichen Mei- nung ihrer Hauptstadt rechneten, beweist die Zeitung von Pe-kin, die wahrscheinlich älteren Ursprungs ist als alle europäischen. Sicher kennt man das Datum ihrer Entstehung nicht; Traditionen setzen sie in die Zeit der Sun-Dynastie, die 1366 erlosch. In den jüngst vergangenen Jahrhunderten spielte die Zeitung beständig eine Rolle. Sie ist kein amtliches Organ im eigentlichen Sinne, wohl aber bestimmt, die öffentliche Meinung zu leiten. Ihre Ver- bindung mit der Regierung soll darauf hinauslaufen, dass Beamte den Herausgebern alle amtlichen Documente zur Publication zu- stellen dürfen, welche ihnen nicht ausdrücklich als vertrauliche be- zeichnet werden; womit einfach ausgesprochen ist, dass die Behör- den Stücke auswählen, -- oder verfassen, -- durch welche sie auf die öffentliche Meinung wirken möchten. Die Zeitung von Pe-kin ist die einzige in China, sie wird im ganzen Reiche gelesen. In der Hauptstadt erscheinen drei Ausgaben: eine in grossem Format und rothem Umschlag alle zwei Tage publicirte soll nur amtliche Documente und Bekanntmachungen enthalten; eine tägliche Aus- gabe in weissem Umschlag verbreitet sich über die in jenen Docu- menten berührten Ereignisse; eine dritte wohlfeile Ausgabe ist ein Auszug aus den beiden anderen. -- Ausserdem erscheint viertel- jährlich ein amtliches "Roth-Buch" in sechs Bänden, zwei auf das Heer und vier auf den Civildienst bezüglichen, in welchen die Thätigkeit aller Staatsdiener beleuchtet wird. -- Bei der vollkom- menen Freiheit, welche die Presse in ganz China geniesst, muss es Wunder nehmen, dass nicht oppositionelle Zeitungen erscheinen. Das Publicum hat die Sache billiger: alle Handlungen auch der höchsten Staatsbeamten werden in zahllosen öffentlichen Mauer-
XVII. Die Zeitung von Pe-kiṅ.
Hauses gemünzt sind. Das halbe Reich mag in Flammen stehen ohne dass die kaiserliche Autorität darunter litte. Erhebt sich aber die Hauptstadt gegen den Herrscher, so ist seine Per- son gefährdet. Nun ging die Hausmacht der Mandschu in der Bevölkerung von Pe-kiṅ auf und nahm chinesische Cultur an; aus einem Werkzeug wurde sie ein politischer Factor, mit welchem der Hof zu rechnen hat. Wo es sich um keinen Systemwechsel handelt, da entscheidet das persönliche Schick- sal des Herrschers; so müssen die chinesischen Kaiser eifrig bedacht sein, sich die Gunst ihrer nächsten Umgebung zu sichern.
Dass die Himmelssöhne von jeher mit der öffentlichen Mei- nung ihrer Hauptstadt rechneten, beweist die Zeitung von Pe-kiṅ, die wahrscheinlich älteren Ursprungs ist als alle europäischen. Sicher kennt man das Datum ihrer Entstehung nicht; Traditionen setzen sie in die Zeit der Suṅ-Dynastie, die 1366 erlosch. In den jüngst vergangenen Jahrhunderten spielte die Zeitung beständig eine Rolle. Sie ist kein amtliches Organ im eigentlichen Sinne, wohl aber bestimmt, die öffentliche Meinung zu leiten. Ihre Ver- bindung mit der Regierung soll darauf hinauslaufen, dass Beamte den Herausgebern alle amtlichen Documente zur Publication zu- stellen dürfen, welche ihnen nicht ausdrücklich als vertrauliche be- zeichnet werden; womit einfach ausgesprochen ist, dass die Behör- den Stücke auswählen, — oder verfassen, — durch welche sie auf die öffentliche Meinung wirken möchten. Die Zeitung von Pe-kiṅ ist die einzige in China, sie wird im ganzen Reiche gelesen. In der Hauptstadt erscheinen drei Ausgaben: eine in grossem Format und rothem Umschlag alle zwei Tage publicirte soll nur amtliche Documente und Bekanntmachungen enthalten; eine tägliche Aus- gabe in weissem Umschlag verbreitet sich über die in jenen Docu- menten berührten Ereignisse; eine dritte wohlfeile Ausgabe ist ein Auszug aus den beiden anderen. — Ausserdem erscheint viertel- jährlich ein amtliches »Roth-Buch« in sechs Bänden, zwei auf das Heer und vier auf den Civildienst bezüglichen, in welchen die Thätigkeit aller Staatsdiener beleuchtet wird. — Bei der vollkom- menen Freiheit, welche die Presse in ganz China geniesst, muss es Wunder nehmen, dass nicht oppositionelle Zeitungen erscheinen. Das Publicum hat die Sache billiger: alle Handlungen auch der höchsten Staatsbeamten werden in zahllosen öffentlichen Mauer-
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XVII. Die Zeitung von Pe-kiṅ.
Hauses gemünzt sind. Das halbe Reich mag in Flammen stehen
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aber die Hauptstadt gegen den Herrscher, so ist seine Per-
son gefährdet. Nun ging die Hausmacht der Mandschu in der
Bevölkerung von Pe-kiṅ auf und nahm chinesische Cultur an;
aus einem Werkzeug wurde sie ein politischer Factor, mit
welchem der Hof zu rechnen hat. Wo es sich um keinen
Systemwechsel handelt, da entscheidet das persönliche Schick-
sal des Herrschers; so müssen die chinesischen Kaiser eifrig
bedacht sein, sich die Gunst ihrer nächsten Umgebung zu
sichern.
Dass die Himmelssöhne von jeher mit der öffentlichen Mei-
nung ihrer Hauptstadt rechneten, beweist die Zeitung von Pe-kiṅ,
die wahrscheinlich älteren Ursprungs ist als alle europäischen.
Sicher kennt man das Datum ihrer Entstehung nicht; Traditionen
setzen sie in die Zeit der Suṅ-Dynastie, die 1366 erlosch. In
den jüngst vergangenen Jahrhunderten spielte die Zeitung beständig
eine Rolle. Sie ist kein amtliches Organ im eigentlichen Sinne,
wohl aber bestimmt, die öffentliche Meinung zu leiten. Ihre Ver-
bindung mit der Regierung soll darauf hinauslaufen, dass Beamte
den Herausgebern alle amtlichen Documente zur Publication zu-
stellen dürfen, welche ihnen nicht ausdrücklich als vertrauliche be-
zeichnet werden; womit einfach ausgesprochen ist, dass die Behör-
den Stücke auswählen, — oder verfassen, — durch welche sie auf
die öffentliche Meinung wirken möchten. Die Zeitung von Pe-kiṅ
ist die einzige in China, sie wird im ganzen Reiche gelesen. In
der Hauptstadt erscheinen drei Ausgaben: eine in grossem Format
und rothem Umschlag alle zwei Tage publicirte soll nur amtliche
Documente und Bekanntmachungen enthalten; eine tägliche Aus-
gabe in weissem Umschlag verbreitet sich über die in jenen Docu-
menten berührten Ereignisse; eine dritte wohlfeile Ausgabe ist ein
Auszug aus den beiden anderen. — Ausserdem erscheint viertel-
jährlich ein amtliches »Roth-Buch« in sechs Bänden, zwei auf
das Heer und vier auf den Civildienst bezüglichen, in welchen die
Thätigkeit aller Staatsdiener beleuchtet wird. — Bei der vollkom-
menen Freiheit, welche die Presse in ganz China geniesst, muss es
Wunder nehmen, dass nicht oppositionelle Zeitungen erscheinen.
Das Publicum hat die Sache billiger: alle Handlungen auch der
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/171>, abgerufen am 19.07.2024.
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