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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVII. Yuan-min-yuan.
Berge Yu-kiuan-tsan am Westufer. Seinen Doppelgipfel zieren
ein Tempel, eine hohe spitze Pagode und das Schloss Tsin-min-
yuan
. Des Berges Namen bedeutet "köstliche Quelle"; eine solche,
deren Wasser die Kaiser trinken, entspringt an seinem Abhang. --
Mitten im See liegt, durch eine Marmorbrücke mit dem Ufer ver-
bunden, ein Insel-Palast; ein anderer im italienischen Styl, den die
Kaiser mit Vorliebe bewohnten, wurde 1860 zerstört; er lag auf
dem Berge des langen Lebens Wun-tsen-tsan am nordöstlichen
Ufer; jetzt steht nur noch der massive Grundbau. -- Das eigent-
liche Yuan-min-yuan, der Garten der vollkommenen Klarheit am
Ostufer des Sees lag vor unseren Blicken versteckt; die Gesandten
von England und Frankreich vermieden, wie gesagt, jeden Besuch
dieser Stelle. Die schriftgelehrten Chinesen der englischen Ge-
sandtschaft sprachen noch immer mit grösster Wehmuth von der
Zerstörung der Schätze: hätte man sie wenigstens geraubt, dann
wären sie doch erhalten; das Fortgeschleppte stehe an Menge und
Werth ganz ausser Vergleich zu dem Zerstörten; nicht der Kaiser
allein sei von dem Verlust betroffen, sondern viele Familien der
Hauptstadt, die der grösseren Sicherheit wegen ihre Kostbarkeiten
nach Yuan-min-yuan geflüchtet hätten. -- Dass eine Menge der
werthvollsten Sachen in der That unbeachtet blieben, beweist die
Zertrümmerung vieler grösseren Stücke, deren Masse eben der Grösse
wegen für Bronce gehalten wurde; Bruchstücke davon, die Ein-
zelne einsteckten, erwiesen sich als massives Gold. Han-ki schätzte
den Verlust auf acht Millionen Tael. Der Kaiser entführte aus
Yuan-min-yuan nur die Gedenktafeln seiner Ahnen. -- Im
ganzen Reich wurde die Zerstörung als ein schweres Verhängniss
betrauert. Die chinesischen Schriftgelehrten leugneten auch hart-
näckig die Theilnahme des Kaisers an der Misshandlung der Ge-
fangenen: "die Engländer hätten die Auslieferung Su-tsuen's und
seiner Genossen fordern und an diesen grausame Rache üben
sollen."

Auf dem Rückweg kreuzten wir die von Yuan-min-yuan
nach dem Thore Si-tsi-men der Tartarenstadt führende Strasse
und das Flüsschen Kao-lian-ho, das, aus dem Si-ho-See kom-
mend, die Gräben und Becken in Pe-kin speist. -- Es dunkelte
als wir heimkehrten.


XVII. Yuaṅ-miṅ-yuaṅ.
Berge Yu-kiuan-tšan am Westufer. Seinen Doppelgipfel zieren
ein Tempel, eine hohe spitze Pagode und das Schloss Tsiṅ-miṅ-
yuaṅ
. Des Berges Namen bedeutet »köstliche Quelle«; eine solche,
deren Wasser die Kaiser trinken, entspringt an seinem Abhang. —
Mitten im See liegt, durch eine Marmorbrücke mit dem Ufer ver-
bunden, ein Insel-Palast; ein anderer im italienischen Styl, den die
Kaiser mit Vorliebe bewohnten, wurde 1860 zerstört; er lag auf
dem Berge des langen Lebens Wuṅ-tšen-tšan am nordöstlichen
Ufer; jetzt steht nur noch der massive Grundbau. — Das eigent-
liche Yuaṅ-miṅ-yuaṅ, der Garten der vollkommenen Klarheit am
Ostufer des Sees lag vor unseren Blicken versteckt; die Gesandten
von England und Frankreich vermieden, wie gesagt, jeden Besuch
dieser Stelle. Die schriftgelehrten Chinesen der englischen Ge-
sandtschaft sprachen noch immer mit grösster Wehmuth von der
Zerstörung der Schätze: hätte man sie wenigstens geraubt, dann
wären sie doch erhalten; das Fortgeschleppte stehe an Menge und
Werth ganz ausser Vergleich zu dem Zerstörten; nicht der Kaiser
allein sei von dem Verlust betroffen, sondern viele Familien der
Hauptstadt, die der grösseren Sicherheit wegen ihre Kostbarkeiten
nach Yuaṅ-miṅ-yuaṅ geflüchtet hätten. — Dass eine Menge der
werthvollsten Sachen in der That unbeachtet blieben, beweist die
Zertrümmerung vieler grösseren Stücke, deren Masse eben der Grösse
wegen für Bronce gehalten wurde; Bruchstücke davon, die Ein-
zelne einsteckten, erwiesen sich als massives Gold. Haṅ-ki schätzte
den Verlust auf acht Millionen Tael. Der Kaiser entführte aus
Yuaṅ-miṅ-yuaṅ nur die Gedenktafeln seiner Ahnen. — Im
ganzen Reich wurde die Zerstörung als ein schweres Verhängniss
betrauert. Die chinesischen Schriftgelehrten leugneten auch hart-
näckig die Theilnahme des Kaisers an der Misshandlung der Ge-
fangenen: »die Engländer hätten die Auslieferung Su-tšuen’s und
seiner Genossen fordern und an diesen grausame Rache üben
sollen.«

Auf dem Rückweg kreuzten wir die von Yuaṅ-miṅ-yuaṅ
nach dem Thore Si-tši-men der Tartarenstadt führende Strasse
und das Flüsschen Kao-liaṅ-ho, das, aus dem Si-ho-See kom-
mend, die Gräben und Becken in Pe-kiṅ speist. — Es dunkelte
als wir heimkehrten.


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[141/0155] XVII. Yuaṅ-miṅ-yuaṅ. Berge Yu-kiuan-tšan am Westufer. Seinen Doppelgipfel zieren ein Tempel, eine hohe spitze Pagode und das Schloss Tsiṅ-miṅ- yuaṅ. Des Berges Namen bedeutet »köstliche Quelle«; eine solche, deren Wasser die Kaiser trinken, entspringt an seinem Abhang. — Mitten im See liegt, durch eine Marmorbrücke mit dem Ufer ver- bunden, ein Insel-Palast; ein anderer im italienischen Styl, den die Kaiser mit Vorliebe bewohnten, wurde 1860 zerstört; er lag auf dem Berge des langen Lebens Wuṅ-tšen-tšan am nordöstlichen Ufer; jetzt steht nur noch der massive Grundbau. — Das eigent- liche Yuaṅ-miṅ-yuaṅ, der Garten der vollkommenen Klarheit am Ostufer des Sees lag vor unseren Blicken versteckt; die Gesandten von England und Frankreich vermieden, wie gesagt, jeden Besuch dieser Stelle. Die schriftgelehrten Chinesen der englischen Ge- sandtschaft sprachen noch immer mit grösster Wehmuth von der Zerstörung der Schätze: hätte man sie wenigstens geraubt, dann wären sie doch erhalten; das Fortgeschleppte stehe an Menge und Werth ganz ausser Vergleich zu dem Zerstörten; nicht der Kaiser allein sei von dem Verlust betroffen, sondern viele Familien der Hauptstadt, die der grösseren Sicherheit wegen ihre Kostbarkeiten nach Yuaṅ-miṅ-yuaṅ geflüchtet hätten. — Dass eine Menge der werthvollsten Sachen in der That unbeachtet blieben, beweist die Zertrümmerung vieler grösseren Stücke, deren Masse eben der Grösse wegen für Bronce gehalten wurde; Bruchstücke davon, die Ein- zelne einsteckten, erwiesen sich als massives Gold. Haṅ-ki schätzte den Verlust auf acht Millionen Tael. Der Kaiser entführte aus Yuaṅ-miṅ-yuaṅ nur die Gedenktafeln seiner Ahnen. — Im ganzen Reich wurde die Zerstörung als ein schweres Verhängniss betrauert. Die chinesischen Schriftgelehrten leugneten auch hart- näckig die Theilnahme des Kaisers an der Misshandlung der Ge- fangenen: »die Engländer hätten die Auslieferung Su-tšuen’s und seiner Genossen fordern und an diesen grausame Rache üben sollen.« Auf dem Rückweg kreuzten wir die von Yuaṅ-miṅ-yuaṅ nach dem Thore Si-tši-men der Tartarenstadt führende Strasse und das Flüsschen Kao-liaṅ-ho, das, aus dem Si-ho-See kom- mend, die Gräben und Becken in Pe-kiṅ speist. — Es dunkelte als wir heimkehrten.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/155>, abgerufen am 23.11.2024.