Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Strasse der Chinesenstadt. XVII.
einem breiten, mit Steinplatten belegten Damm erhöht; zu beiden
Seiten der Strasse stehen an ihrer südlichen Hälfte endlose ein-
förmige Mauern, die Tempelgründe des Himmels und des Acker-
baues abgrenzend. Der räumliche Eindruck der langen Linien ist
imposant.19) Die Strasse weiter verfolgend überschreitet man auf
verfallener Marmor-Brücke einen trockenen Graben und gelangt in
den belebtesten Theil der chinesischen Stadt. Der erhöhte Stein-
damm setzt sich, von Budenreihen gesäumt, in der Mitte fort; zu
beiden Seiten läuft ein ungepflasterter Weg, den Buden gegenüber
von Häuserreihen begrenzt. So ist die Strasse dreifach; die seit-
lichen Gassen gleichen, hier und da zeltartig mit Matten verhängt,
einem Bazar, denn jedes Haus ist ein Kaufladen. Durch ein fünf-
faches hölzernes Portal mündet sie auf eine durch Geländer in drei
Bahnen getheilte Marmorbrücke; die beiden äusseren dienen dem
Verkehr, die mittlere breiteste Bahn als Halteplatz für Droschken;
sie fasst bequem zwei Reihen jener schmucken Maulthier-Karren,
die, in munterem Trabe durch das Gewühl klappernd, alle Strassen
von Pe-kin beleben. Bei aller Einfachheit hat dieses Fuhrwerk
eine gewisse grossstädtische Eleganz; das Holzwerk ist sauber ge-
glättet, oft mit blankem Messing beschlagen, das Dach aus leich-
tem Gitterwerk mit blauem Baumwollenstoff bezogen, dessen Rän-
der ausgezackt und schwarz eingefasst sind; über das glatte Maul-
thier breitet sich ein blaues Sonnensegel.

Neben den Droschken beleben auch Packpferde, Esel und
Maulthiere, den Kram der Landleute zu Markte bringend, die
Strassen von Pe-kin; lange Züge zweihöckriger Kameele wanken
in gemessenem Tritt durch das Gewühl. Sie dienen theils zum
Schleppen von Baumaterial und anderen schweren Lasten, theils
kommen sie, geritten von wilden malerischen Gestalten, mit Waaren
aus der Mongolei. Auffallendes Costüm sieht man wenig; die Männer
kleiden sich einfach in blaue oder gebrochene Farben; nur Frauen
und Kinder gehn zuweilen in gestickten Seidengewändern, die Frauen
larvenartig geschminkt. Man sieht deren überhaupt wenige auf den
Strassen; Frauen von Stand verlassen ihr Haus nur in geschlossener
Sänfte. Sehr vortheilhaft stechen die Tartarenfrauen durch un-
verkümmerte Füsse von den Chinesinnen ab, nicht allein im Gang,
sondern in der ganzen Gestalt und den Gesichtszügen, auf deren

19) S. Ansichten aus Japan, China und Siam. VII.

Strasse der Chinesenstadt. XVII.
einem breiten, mit Steinplatten belegten Damm erhöht; zu beiden
Seiten der Strasse stehen an ihrer südlichen Hälfte endlose ein-
förmige Mauern, die Tempelgründe des Himmels und des Acker-
baues abgrenzend. Der räumliche Eindruck der langen Linien ist
imposant.19) Die Strasse weiter verfolgend überschreitet man auf
verfallener Marmor-Brücke einen trockenen Graben und gelangt in
den belebtesten Theil der chinesischen Stadt. Der erhöhte Stein-
damm setzt sich, von Budenreihen gesäumt, in der Mitte fort; zu
beiden Seiten läuft ein ungepflasterter Weg, den Buden gegenüber
von Häuserreihen begrenzt. So ist die Strasse dreifach; die seit-
lichen Gassen gleichen, hier und da zeltartig mit Matten verhängt,
einem Bazar, denn jedes Haus ist ein Kaufladen. Durch ein fünf-
faches hölzernes Portal mündet sie auf eine durch Geländer in drei
Bahnen getheilte Marmorbrücke; die beiden äusseren dienen dem
Verkehr, die mittlere breiteste Bahn als Halteplatz für Droschken;
sie fasst bequem zwei Reihen jener schmucken Maulthier-Karren,
die, in munterem Trabe durch das Gewühl klappernd, alle Strassen
von Pe-kiṅ beleben. Bei aller Einfachheit hat dieses Fuhrwerk
eine gewisse grossstädtische Eleganz; das Holzwerk ist sauber ge-
glättet, oft mit blankem Messing beschlagen, das Dach aus leich-
tem Gitterwerk mit blauem Baumwollenstoff bezogen, dessen Rän-
der ausgezackt und schwarz eingefasst sind; über das glatte Maul-
thier breitet sich ein blaues Sonnensegel.

Neben den Droschken beleben auch Packpferde, Esel und
Maulthiere, den Kram der Landleute zu Markte bringend, die
Strassen von Pe-kiṅ; lange Züge zweihöckriger Kameele wanken
in gemessenem Tritt durch das Gewühl. Sie dienen theils zum
Schleppen von Baumaterial und anderen schweren Lasten, theils
kommen sie, geritten von wilden malerischen Gestalten, mit Waaren
aus der Mongolei. Auffallendes Costüm sieht man wenig; die Männer
kleiden sich einfach in blaue oder gebrochene Farben; nur Frauen
und Kinder gehn zuweilen in gestickten Seidengewändern, die Frauen
larvenartig geschminkt. Man sieht deren überhaupt wenige auf den
Strassen; Frauen von Stand verlassen ihr Haus nur in geschlossener
Sänfte. Sehr vortheilhaft stechen die Tartarenfrauen durch un-
verkümmerte Füsse von den Chinesinnen ab, nicht allein im Gang,
sondern in der ganzen Gestalt und den Gesichtszügen, auf deren

19) S. Ansichten aus Japan, China und Siam. VII.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0124" n="110"/><fw place="top" type="header">Strasse der <placeName>Chinesenstadt</placeName>. XVII.</fw><lb/>
einem breiten, mit Steinplatten belegten Damm erhöht; zu beiden<lb/>
Seiten der Strasse stehen an ihrer südlichen Hälfte endlose ein-<lb/>
förmige Mauern, die Tempelgründe des Himmels und des Acker-<lb/>
baues abgrenzend. Der räumliche Eindruck der langen Linien ist<lb/>
imposant.<note place="foot" n="19)">S. Ansichten aus <placeName>Japan</placeName>, <placeName>China</placeName> und <placeName>Siam</placeName>. VII.</note> Die Strasse weiter verfolgend überschreitet man auf<lb/>
verfallener Marmor-Brücke einen trockenen Graben und gelangt in<lb/>
den belebtesten Theil der chinesischen Stadt. Der erhöhte Stein-<lb/>
damm setzt sich, von Budenreihen gesäumt, in der Mitte fort; zu<lb/>
beiden Seiten läuft ein ungepflasterter Weg, den Buden gegenüber<lb/>
von Häuserreihen begrenzt. So ist die Strasse dreifach; die seit-<lb/>
lichen Gassen gleichen, hier und da zeltartig mit Matten verhängt,<lb/>
einem Bazar, denn jedes Haus ist ein Kaufladen. Durch ein fünf-<lb/>
faches hölzernes Portal mündet sie auf eine durch Geländer in drei<lb/>
Bahnen getheilte Marmorbrücke; die beiden äusseren dienen dem<lb/>
Verkehr, die mittlere breiteste Bahn als Halteplatz für Droschken;<lb/>
sie fasst bequem zwei Reihen jener schmucken Maulthier-Karren,<lb/>
die, in munterem Trabe durch das Gewühl klappernd, alle Strassen<lb/>
von <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kin&#x0307;</placeName></hi> beleben. Bei aller Einfachheit hat dieses Fuhrwerk<lb/>
eine gewisse grossstädtische Eleganz; das Holzwerk ist sauber ge-<lb/>
glättet, oft mit blankem Messing beschlagen, das Dach aus leich-<lb/>
tem Gitterwerk mit blauem Baumwollenstoff bezogen, dessen Rän-<lb/>
der ausgezackt und schwarz eingefasst sind; über das glatte Maul-<lb/>
thier breitet sich ein blaues Sonnensegel.</p><lb/>
          <p>Neben den Droschken beleben auch Packpferde, Esel und<lb/>
Maulthiere, den Kram der Landleute zu Markte bringend, die<lb/>
Strassen von <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kin&#x0307;</placeName>;</hi> lange Züge zweihöckriger Kameele wanken<lb/>
in gemessenem Tritt durch das Gewühl. Sie dienen theils zum<lb/>
Schleppen von Baumaterial und anderen schweren Lasten, theils<lb/>
kommen sie, geritten von wilden malerischen Gestalten, mit Waaren<lb/>
aus der <placeName>Mongolei</placeName>. Auffallendes Costüm sieht man wenig; die Männer<lb/>
kleiden sich einfach in blaue oder gebrochene Farben; nur Frauen<lb/>
und Kinder gehn zuweilen in gestickten Seidengewändern, die Frauen<lb/>
larvenartig geschminkt. Man sieht deren überhaupt wenige auf den<lb/>
Strassen; Frauen von Stand verlassen ihr Haus nur in geschlossener<lb/>
Sänfte. Sehr vortheilhaft stechen die Tartarenfrauen durch un-<lb/>
verkümmerte Füsse von den Chinesinnen ab, nicht allein im Gang,<lb/>
sondern in der ganzen Gestalt und den Gesichtszügen, auf deren<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0124] Strasse der Chinesenstadt. XVII. einem breiten, mit Steinplatten belegten Damm erhöht; zu beiden Seiten der Strasse stehen an ihrer südlichen Hälfte endlose ein- förmige Mauern, die Tempelgründe des Himmels und des Acker- baues abgrenzend. Der räumliche Eindruck der langen Linien ist imposant. 19) Die Strasse weiter verfolgend überschreitet man auf verfallener Marmor-Brücke einen trockenen Graben und gelangt in den belebtesten Theil der chinesischen Stadt. Der erhöhte Stein- damm setzt sich, von Budenreihen gesäumt, in der Mitte fort; zu beiden Seiten läuft ein ungepflasterter Weg, den Buden gegenüber von Häuserreihen begrenzt. So ist die Strasse dreifach; die seit- lichen Gassen gleichen, hier und da zeltartig mit Matten verhängt, einem Bazar, denn jedes Haus ist ein Kaufladen. Durch ein fünf- faches hölzernes Portal mündet sie auf eine durch Geländer in drei Bahnen getheilte Marmorbrücke; die beiden äusseren dienen dem Verkehr, die mittlere breiteste Bahn als Halteplatz für Droschken; sie fasst bequem zwei Reihen jener schmucken Maulthier-Karren, die, in munterem Trabe durch das Gewühl klappernd, alle Strassen von Pe-kiṅ beleben. Bei aller Einfachheit hat dieses Fuhrwerk eine gewisse grossstädtische Eleganz; das Holzwerk ist sauber ge- glättet, oft mit blankem Messing beschlagen, das Dach aus leich- tem Gitterwerk mit blauem Baumwollenstoff bezogen, dessen Rän- der ausgezackt und schwarz eingefasst sind; über das glatte Maul- thier breitet sich ein blaues Sonnensegel. Neben den Droschken beleben auch Packpferde, Esel und Maulthiere, den Kram der Landleute zu Markte bringend, die Strassen von Pe-kiṅ; lange Züge zweihöckriger Kameele wanken in gemessenem Tritt durch das Gewühl. Sie dienen theils zum Schleppen von Baumaterial und anderen schweren Lasten, theils kommen sie, geritten von wilden malerischen Gestalten, mit Waaren aus der Mongolei. Auffallendes Costüm sieht man wenig; die Männer kleiden sich einfach in blaue oder gebrochene Farben; nur Frauen und Kinder gehn zuweilen in gestickten Seidengewändern, die Frauen larvenartig geschminkt. Man sieht deren überhaupt wenige auf den Strassen; Frauen von Stand verlassen ihr Haus nur in geschlossener Sänfte. Sehr vortheilhaft stechen die Tartarenfrauen durch un- verkümmerte Füsse von den Chinesinnen ab, nicht allein im Gang, sondern in der ganzen Gestalt und den Gesichtszügen, auf deren 19) S. Ansichten aus Japan, China und Siam. VII.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/124
Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/124>, abgerufen am 22.11.2024.