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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Englische Streitmacht in Hong-kong.
brachten ihnen auch Thee-Ladungen vor die Flussmündung hinaus;
dem wurde aber bald ein Ende gemacht. Im December publicirte
Lin einen kaiserlichen Erlass, welcher alle englischen und indischen
Schiffe und Waaren auf ewige Zeiten verbannte. "Die Engländer,"
hiess es, "sind vogelfrei; wie wilde Thiere sollen sie gehetzt
werden." Auch die Parsen, Hindu und Mohamedaner mussten als
englische Unterthanen Kan-ton verlassen. Die anderen Fremden
durften unter den früheren Bedingungen bleiben und ihren Handel
fortsetzen; nur wurden die Zölle erhöht.

Der General-Gouverneur von Ostindien war ermächtigt
worden, China den Krieg zu erklären. Im Mai und Juni 1840 ver-
sammelte sich die englische Flotte bei Singapore und segelte dann
nach Hong-kong; drei Linienschiffe und vier Dampfer bildeten den
Kern der Seemacht. Auf Transportschiffen kamen 4000 Mann
Landtruppen. Als englische Bevollmächtigte fungirten Capitän
Elliot und sein Vetter Admiral Elliot. Die Beschwerden der Briten
waren in einem ernst und höflich gefassten Schreiben Lord
Palmerston's niedergelegt, das später am Pei-ho übergeben wurde.
Lin richtete unterdessen einen mit Drohungen gewürzten Brief voll
sittlicher Entrüstung an die Königin Victoria, "deren Vorfahren
sämmtlich unterthänig gewesen seien", und forderte sie zum alten
Gehorsam gegen die ewigen Gesetze des Himmlischen Reiches auf.

Natürlich glaubten die Chinesen, dass ein Reich von über
300 Millionen sich einiger Schiffe und einer Streitmacht von 4000
Mann, die noch dazu Tausende von Meilen von der Heimath ent-
fernt waren, leicht erwehren könne. In China hatte Niemand, und
am wenigsten der kaiserliche Hof, eine Ahnung von den materiellen
Hülfsmitteln, der Stärke und Thatkraft der westlichen Völker;
die wenigen Kriegsschiffe, welche vereinzelt in langen Zwischen-
räumen an den Küsten erschienen, konnten davon keinen Begriff
geben. Die meisten Chinesen hatten niemals Europäer gesehen und
hielten sie für seegeborne Unthiere, die unter Wasser lebten und
nur selten auf festen Boden kämen. So dachten Kaiser Tau-kwan
und seine Grossen nun wohl nicht; aber sie achteten die Eng-
länder kaum höher, als der Europäer den Neu-Seeländer und
andere wilde Völker der niedrigsten Stufe. -- Die Entrüstung
am Kaiserhofe ist um so begreiflicher, als man dort die Sach-
lage nur aus den gefärbten Berichten der Mandarinen in Kan-
ton
kannte; denn selbst ohne diese hätten die Ruchlosigkeit

Englische Streitmacht in Hong-kong.
brachten ihnen auch Thee-Ladungen vor die Flussmündung hinaus;
dem wurde aber bald ein Ende gemacht. Im December publicirte
Lin einen kaiserlichen Erlass, welcher alle englischen und indischen
Schiffe und Waaren auf ewige Zeiten verbannte. »Die Engländer,«
hiess es, »sind vogelfrei; wie wilde Thiere sollen sie gehetzt
werden.« Auch die Parsen, Hindu und Mohamedaner mussten als
englische Unterthanen Kan-ton verlassen. Die anderen Fremden
durften unter den früheren Bedingungen bleiben und ihren Handel
fortsetzen; nur wurden die Zölle erhöht.

Der General-Gouverneur von Ostindien war ermächtigt
worden, China den Krieg zu erklären. Im Mai und Juni 1840 ver-
sammelte sich die englische Flotte bei Singapore und segelte dann
nach Hong-kong; drei Linienschiffe und vier Dampfer bildeten den
Kern der Seemacht. Auf Transportschiffen kamen 4000 Mann
Landtruppen. Als englische Bevollmächtigte fungirten Capitän
Elliot und sein Vetter Admiral Elliot. Die Beschwerden der Briten
waren in einem ernst und höflich gefassten Schreiben Lord
Palmerston’s niedergelegt, das später am Pei-ho übergeben wurde.
Lin richtete unterdessen einen mit Drohungen gewürzten Brief voll
sittlicher Entrüstung an die Königin Victoria, »deren Vorfahren
sämmtlich unterthänig gewesen seien«, und forderte sie zum alten
Gehorsam gegen die ewigen Gesetze des Himmlischen Reiches auf.

Natürlich glaubten die Chinesen, dass ein Reich von über
300 Millionen sich einiger Schiffe und einer Streitmacht von 4000
Mann, die noch dazu Tausende von Meilen von der Heimath ent-
fernt waren, leicht erwehren könne. In China hatte Niemand, und
am wenigsten der kaiserliche Hof, eine Ahnung von den materiellen
Hülfsmitteln, der Stärke und Thatkraft der westlichen Völker;
die wenigen Kriegsschiffe, welche vereinzelt in langen Zwischen-
räumen an den Küsten erschienen, konnten davon keinen Begriff
geben. Die meisten Chinesen hatten niemals Europäer gesehen und
hielten sie für seegeborne Unthiere, die unter Wasser lebten und
nur selten auf festen Boden kämen. So dachten Kaiser Tau-kwaṅ
und seine Grossen nun wohl nicht; aber sie achteten die Eng-
länder kaum höher, als der Europäer den Neu-Seeländer und
andere wilde Völker der niedrigsten Stufe. — Die Entrüstung
am Kaiserhofe ist um so begreiflicher, als man dort die Sach-
lage nur aus den gefärbten Berichten der Mandarinen in Kan-
ton
kannte; denn selbst ohne diese hätten die Ruchlosigkeit

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[74/0096] Englische Streitmacht in Hong-kong. brachten ihnen auch Thee-Ladungen vor die Flussmündung hinaus; dem wurde aber bald ein Ende gemacht. Im December publicirte Lin einen kaiserlichen Erlass, welcher alle englischen und indischen Schiffe und Waaren auf ewige Zeiten verbannte. »Die Engländer,« hiess es, »sind vogelfrei; wie wilde Thiere sollen sie gehetzt werden.« Auch die Parsen, Hindu und Mohamedaner mussten als englische Unterthanen Kan-ton verlassen. Die anderen Fremden durften unter den früheren Bedingungen bleiben und ihren Handel fortsetzen; nur wurden die Zölle erhöht. Der General-Gouverneur von Ostindien war ermächtigt worden, China den Krieg zu erklären. Im Mai und Juni 1840 ver- sammelte sich die englische Flotte bei Singapore und segelte dann nach Hong-kong; drei Linienschiffe und vier Dampfer bildeten den Kern der Seemacht. Auf Transportschiffen kamen 4000 Mann Landtruppen. Als englische Bevollmächtigte fungirten Capitän Elliot und sein Vetter Admiral Elliot. Die Beschwerden der Briten waren in einem ernst und höflich gefassten Schreiben Lord Palmerston’s niedergelegt, das später am Pei-ho übergeben wurde. Lin richtete unterdessen einen mit Drohungen gewürzten Brief voll sittlicher Entrüstung an die Königin Victoria, »deren Vorfahren sämmtlich unterthänig gewesen seien«, und forderte sie zum alten Gehorsam gegen die ewigen Gesetze des Himmlischen Reiches auf. Natürlich glaubten die Chinesen, dass ein Reich von über 300 Millionen sich einiger Schiffe und einer Streitmacht von 4000 Mann, die noch dazu Tausende von Meilen von der Heimath ent- fernt waren, leicht erwehren könne. In China hatte Niemand, und am wenigsten der kaiserliche Hof, eine Ahnung von den materiellen Hülfsmitteln, der Stärke und Thatkraft der westlichen Völker; die wenigen Kriegsschiffe, welche vereinzelt in langen Zwischen- räumen an den Küsten erschienen, konnten davon keinen Begriff geben. Die meisten Chinesen hatten niemals Europäer gesehen und hielten sie für seegeborne Unthiere, die unter Wasser lebten und nur selten auf festen Boden kämen. So dachten Kaiser Tau-kwaṅ und seine Grossen nun wohl nicht; aber sie achteten die Eng- länder kaum höher, als der Europäer den Neu-Seeländer und andere wilde Völker der niedrigsten Stufe. — Die Entrüstung am Kaiserhofe ist um so begreiflicher, als man dort die Sach- lage nur aus den gefärbten Berichten der Mandarinen in Kan- ton kannte; denn selbst ohne diese hätten die Ruchlosigkeit

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/96>, abgerufen am 27.11.2024.