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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Schreiben König Georg III.
beklagen können, dass ich Euch nicht deutlich gewarnt hätte. Lasst
uns deshalb in Frieden und Freundschaft leben, und achtet meine
Worte nicht gering." -- Die Freigebung von Tsu-san hätte wenig
Bedeutung gehabt. Für den Ostindienfahrer Hindostan gewährte
der Kaiser volle Handelsfreiheit und Befreiung von allen Abgaben,
weil derselbe zum Geschwader des Botschafters gehörte. Die
Mandarinen und Kaufleute zeigten in Tsu-san den besten Willen;
Thee und Seide waren viel billiger als in Kan-ton, aber nur in
geringer Menge vorhanden, und die Ladung des Hindostan fand so
wenig Absatz, dass die vorhandenen Ausfuhrartikel mit baarem
Silber hätten bezahlt werden müssen. Darauf war der Supercargo
nicht vorbereitet, und das Schiff segelte mit der ganzen Ladung
nach Kan-ton zurück. Tsu-san ist auch in neuerer Zeit kein
Handelsplatz geworden; dazu fehlen ihm viele Bedingungen.

Da man in England glaubte, dass Lord Macartney's Mission
günstige Folgen für den Handel haben werde, so erliess Georg III.
abermals ein Schreiben an den chinesischen Kaiser, das, von werth-
vollen Gaben begleitet, im Januar 1795 zu Kan-ton eintraf. Den
königlichen Brief und die Geschenke für den Kaiser nahm der
Vice-König bereitwillig an und beförderte sie nach Pe-kin, von wo
alsbald eine Antwort und Gegengeschenke eintrafen. Die von den
englischen Ministern und der ostindischen Compagnie dem Vice-
König bestimmten Gaben und Briefe wurden dagegen zurück-
gewiesen, "da es chinesischen Staatsdienern nicht erlaubt sei, mit
Beamten fremder Länder in Beziehungen zu treten". -- Die Chinesen
bezeichneten die vom Kaiser angenommenen Geschenke in späteren
Verhandlungen immer als Tribut, trotz allen Protesten der englischen
Diplomaten.

Obgleich Lord Macartney's Sendung keinen positiven Erfolg
hatte, so erfüllte sich doch die Hoffnung der Engländer, ihre Lage
in China gebessert zu sehen. Ohne Zweifel waren aus Pe-kin
Instructionen eingetroffen; die Mandarinen in Kan-ton merkten,
dass die Fremden Einfluss in der Hauptstadt üben konnten und
suchten dem für die Zukunft vorzubeugen. Wahrscheinlich trug
auch Sun-Tadzen's Persönlichkeit viel dazu bei, dass die Be-
ziehungen sich günstiger gestalteten; bis zum Jahre 1807 wurden
sie durch kein Ereigniss getrübt, das eine Handelssperre herbei-
geführt hätte; man konnte sich über willkürliche Bedrückung nicht
beklagen. Gleichwohl blieb es bei den hohen Abgaben und Lasten;

Schreiben König Georg III.
beklagen können, dass ich Euch nicht deutlich gewarnt hätte. Lasst
uns deshalb in Frieden und Freundschaft leben, und achtet meine
Worte nicht gering.« — Die Freigebung von Tšu-san hätte wenig
Bedeutung gehabt. Für den Ostindienfahrer Hindostan gewährte
der Kaiser volle Handelsfreiheit und Befreiung von allen Abgaben,
weil derselbe zum Geschwader des Botschafters gehörte. Die
Mandarinen und Kaufleute zeigten in Tšu-san den besten Willen;
Thee und Seide waren viel billiger als in Kan-ton, aber nur in
geringer Menge vorhanden, und die Ladung des Hindostan fand so
wenig Absatz, dass die vorhandenen Ausfuhrartikel mit baarem
Silber hätten bezahlt werden müssen. Darauf war der Supercargo
nicht vorbereitet, und das Schiff segelte mit der ganzen Ladung
nach Kan-ton zurück. Tšu-san ist auch in neuerer Zeit kein
Handelsplatz geworden; dazu fehlen ihm viele Bedingungen.

Da man in England glaubte, dass Lord Macartney’s Mission
günstige Folgen für den Handel haben werde, so erliess Georg III.
abermals ein Schreiben an den chinesischen Kaiser, das, von werth-
vollen Gaben begleitet, im Januar 1795 zu Kan-ton eintraf. Den
königlichen Brief und die Geschenke für den Kaiser nahm der
Vice-König bereitwillig an und beförderte sie nach Pe-kiṅ, von wo
alsbald eine Antwort und Gegengeschenke eintrafen. Die von den
englischen Ministern und der ostindischen Compagnie dem Vice-
König bestimmten Gaben und Briefe wurden dagegen zurück-
gewiesen, »da es chinesischen Staatsdienern nicht erlaubt sei, mit
Beamten fremder Länder in Beziehungen zu treten«. — Die Chinesen
bezeichneten die vom Kaiser angenommenen Geschenke in späteren
Verhandlungen immer als Tribut, trotz allen Protesten der englischen
Diplomaten.

Obgleich Lord Macartney’s Sendung keinen positiven Erfolg
hatte, so erfüllte sich doch die Hoffnung der Engländer, ihre Lage
in China gebessert zu sehen. Ohne Zweifel waren aus Pe-kiṅ
Instructionen eingetroffen; die Mandarinen in Kan-ton merkten,
dass die Fremden Einfluss in der Hauptstadt üben konnten und
suchten dem für die Zukunft vorzubeugen. Wahrscheinlich trug
auch Suṅ-Tadžen’s Persönlichkeit viel dazu bei, dass die Be-
ziehungen sich günstiger gestalteten; bis zum Jahre 1807 wurden
sie durch kein Ereigniss getrübt, das eine Handelssperre herbei-
geführt hätte; man konnte sich über willkürliche Bedrückung nicht
beklagen. Gleichwohl blieb es bei den hohen Abgaben und Lasten;

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[40/0062] Schreiben König Georg III. beklagen können, dass ich Euch nicht deutlich gewarnt hätte. Lasst uns deshalb in Frieden und Freundschaft leben, und achtet meine Worte nicht gering.« — Die Freigebung von Tšu-san hätte wenig Bedeutung gehabt. Für den Ostindienfahrer Hindostan gewährte der Kaiser volle Handelsfreiheit und Befreiung von allen Abgaben, weil derselbe zum Geschwader des Botschafters gehörte. Die Mandarinen und Kaufleute zeigten in Tšu-san den besten Willen; Thee und Seide waren viel billiger als in Kan-ton, aber nur in geringer Menge vorhanden, und die Ladung des Hindostan fand so wenig Absatz, dass die vorhandenen Ausfuhrartikel mit baarem Silber hätten bezahlt werden müssen. Darauf war der Supercargo nicht vorbereitet, und das Schiff segelte mit der ganzen Ladung nach Kan-ton zurück. Tšu-san ist auch in neuerer Zeit kein Handelsplatz geworden; dazu fehlen ihm viele Bedingungen. Da man in England glaubte, dass Lord Macartney’s Mission günstige Folgen für den Handel haben werde, so erliess Georg III. abermals ein Schreiben an den chinesischen Kaiser, das, von werth- vollen Gaben begleitet, im Januar 1795 zu Kan-ton eintraf. Den königlichen Brief und die Geschenke für den Kaiser nahm der Vice-König bereitwillig an und beförderte sie nach Pe-kiṅ, von wo alsbald eine Antwort und Gegengeschenke eintrafen. Die von den englischen Ministern und der ostindischen Compagnie dem Vice- König bestimmten Gaben und Briefe wurden dagegen zurück- gewiesen, »da es chinesischen Staatsdienern nicht erlaubt sei, mit Beamten fremder Länder in Beziehungen zu treten«. — Die Chinesen bezeichneten die vom Kaiser angenommenen Geschenke in späteren Verhandlungen immer als Tribut, trotz allen Protesten der englischen Diplomaten. Obgleich Lord Macartney’s Sendung keinen positiven Erfolg hatte, so erfüllte sich doch die Hoffnung der Engländer, ihre Lage in China gebessert zu sehen. Ohne Zweifel waren aus Pe-kiṅ Instructionen eingetroffen; die Mandarinen in Kan-ton merkten, dass die Fremden Einfluss in der Hauptstadt üben konnten und suchten dem für die Zukunft vorzubeugen. Wahrscheinlich trug auch Suṅ-Tadžen’s Persönlichkeit viel dazu bei, dass die Be- ziehungen sich günstiger gestalteten; bis zum Jahre 1807 wurden sie durch kein Ereigniss getrübt, das eine Handelssperre herbei- geführt hätte; man konnte sich über willkürliche Bedrückung nicht beklagen. Gleichwohl blieb es bei den hohen Abgaben und Lasten;

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/62>, abgerufen am 24.11.2024.