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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Earl Macartney.
wäre. Er habe hohe Achtung vor Seiner Grossbritannischen
Majestät und fühle sich geneigt, dessen Unterthanen grössere Zu-
geständnisse zu machen als anderen Europäern, auch die neuen
Einrichtungen für den Handel in Kan-ton zu treffen, welche Haupt-
zweck der Gesandtschaft zu sein schienen; er werde aber stets vor
Allem das Wohl und den Vortheil seiner eigenen Unterthanen im
Auge behalten und niemals eine Spur davon opfern. Jeder fremden
Nation, deren Interessen sich nicht mit den chinesischen vertrügen,
werde er seine Gunst entziehen; die Engländer könnten die ihnen
gewährten Vortheile durch schlechtes Betragen wieder verwirken.
Dieser Ausdruck seines bestimmten Willens, erklärte der Kaiser,
bedürfe keiner Aufzeichnung oder Unterschrift. -- Noch deutlicher
sprach der Minister, mit welchem Lord Macartney verkehrte: es
könnten keine Verhandlungen auf der Basis gegenseitiger Vortheile
stattfinden; alle Zugeständnisse seien nur als Gnade und Herab-
lassung des chinesischen Kaisers aufzufassen.

Bei der Abschieds-Audienz in Dzehol übergab Kien-lon dem
Botschafter mit den gnädigsten Worten einige kostbare Steine, die
seit 800 Jahren in seiner Familie seien, und eigenhändig geschriebene
Verse für den König von England 15); Lord Macartney reiste noch
voll Hoffnung auf den schliesslichen Erfolg seiner Mission nach
Pe-kin zurück, wo er am 26. September wieder eintraf. Er hatte in
dem ihm dort angewiesenen Palast während seiner Abwesenheit
glänzende und bequeme Einrichtungen für einen längeren Aufenthalt
treffen lassen, denn man hoffte da den Winter durch von den
Mühsalen der Reise auszuruhen. Die Decoration des Staatszimmers
mit Thronhimmel und königlichem Wappen in Purpurseide und
reicher Goldstickerei, kostbaren Teppichen und den lebensgrossen
Bildnissen der Königsfamlie muss sehr prächtig gewesen sein.
Die Repräsentation sollte erst hier beginnen, denn der Kaiser wurde
unverzüglich erwartet. In Dzehol war wenig Gelegenheit zu

15) Nach Andersons Bericht hätte der Kaiser dabei Folgendes gesagt: "Ueber-
gieb dieses Kästchen deinem Herrn dem König mit eigener Hand. So klein es
scheinen mag, so ist es doch nach meiner Schätzung das Werthvollste, was ich ihm
geben und mein Reich aufweisen kann. Denn es ist von einer langen Reihe
meiner Vorfahren auf mich übergegangen, und ich hatte es zur letzten Liebesgabe
für meinen Sohn und Nachfolger bestimmt, als ein Denkmal der Tugenden seiner
Ahnen, dessen Anblick ihm den edelen Entschluss eingeflösst hätte, ihrem glän-
zenden Beispiel nachzueifern und gleich ihnen die Ehre des kaiserlichen Thrones, das
Glück und den Wohlstand seines Volkes zu seinem grossen Lebenszweck zu machen."

Earl Macartney.
wäre. Er habe hohe Achtung vor Seiner Grossbritannischen
Majestät und fühle sich geneigt, dessen Unterthanen grössere Zu-
geständnisse zu machen als anderen Europäern, auch die neuen
Einrichtungen für den Handel in Kan-ton zu treffen, welche Haupt-
zweck der Gesandtschaft zu sein schienen; er werde aber stets vor
Allem das Wohl und den Vortheil seiner eigenen Unterthanen im
Auge behalten und niemals eine Spur davon opfern. Jeder fremden
Nation, deren Interessen sich nicht mit den chinesischen vertrügen,
werde er seine Gunst entziehen; die Engländer könnten die ihnen
gewährten Vortheile durch schlechtes Betragen wieder verwirken.
Dieser Ausdruck seines bestimmten Willens, erklärte der Kaiser,
bedürfe keiner Aufzeichnung oder Unterschrift. — Noch deutlicher
sprach der Minister, mit welchem Lord Macartney verkehrte: es
könnten keine Verhandlungen auf der Basis gegenseitiger Vortheile
stattfinden; alle Zugeständnisse seien nur als Gnade und Herab-
lassung des chinesischen Kaisers aufzufassen.

Bei der Abschieds-Audienz in Džehol übergab Kien-loṅ dem
Botschafter mit den gnädigsten Worten einige kostbare Steine, die
seit 800 Jahren in seiner Familie seien, und eigenhändig geschriebene
Verse für den König von England 15); Lord Macartney reiste noch
voll Hoffnung auf den schliesslichen Erfolg seiner Mission nach
Pe-kiṅ zurück, wo er am 26. September wieder eintraf. Er hatte in
dem ihm dort angewiesenen Palast während seiner Abwesenheit
glänzende und bequeme Einrichtungen für einen längeren Aufenthalt
treffen lassen, denn man hoffte da den Winter durch von den
Mühsalen der Reise auszuruhen. Die Decoration des Staatszimmers
mit Thronhimmel und königlichem Wappen in Purpurseide und
reicher Goldstickerei, kostbaren Teppichen und den lebensgrossen
Bildnissen der Königsfamlie muss sehr prächtig gewesen sein.
Die Repräsentation sollte erst hier beginnen, denn der Kaiser wurde
unverzüglich erwartet. In Džehol war wenig Gelegenheit zu

15) Nach Andersons Bericht hätte der Kaiser dabei Folgendes gesagt: »Ueber-
gieb dieses Kästchen deinem Herrn dem König mit eigener Hand. So klein es
scheinen mag, so ist es doch nach meiner Schätzung das Werthvollste, was ich ihm
geben und mein Reich aufweisen kann. Denn es ist von einer langen Reihe
meiner Vorfahren auf mich übergegangen, und ich hatte es zur letzten Liebesgabe
für meinen Sohn und Nachfolger bestimmt, als ein Denkmal der Tugenden seiner
Ahnen, dessen Anblick ihm den edelen Entschluss eingeflösst hätte, ihrem glän-
zenden Beispiel nachzueifern und gleich ihnen die Ehre des kaiserlichen Thrones, das
Glück und den Wohlstand seines Volkes zu seinem grossen Lebenszweck zu machen.«
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[37/0059] Earl Macartney. wäre. Er habe hohe Achtung vor Seiner Grossbritannischen Majestät und fühle sich geneigt, dessen Unterthanen grössere Zu- geständnisse zu machen als anderen Europäern, auch die neuen Einrichtungen für den Handel in Kan-ton zu treffen, welche Haupt- zweck der Gesandtschaft zu sein schienen; er werde aber stets vor Allem das Wohl und den Vortheil seiner eigenen Unterthanen im Auge behalten und niemals eine Spur davon opfern. Jeder fremden Nation, deren Interessen sich nicht mit den chinesischen vertrügen, werde er seine Gunst entziehen; die Engländer könnten die ihnen gewährten Vortheile durch schlechtes Betragen wieder verwirken. Dieser Ausdruck seines bestimmten Willens, erklärte der Kaiser, bedürfe keiner Aufzeichnung oder Unterschrift. — Noch deutlicher sprach der Minister, mit welchem Lord Macartney verkehrte: es könnten keine Verhandlungen auf der Basis gegenseitiger Vortheile stattfinden; alle Zugeständnisse seien nur als Gnade und Herab- lassung des chinesischen Kaisers aufzufassen. Bei der Abschieds-Audienz in Džehol übergab Kien-loṅ dem Botschafter mit den gnädigsten Worten einige kostbare Steine, die seit 800 Jahren in seiner Familie seien, und eigenhändig geschriebene Verse für den König von England 15); Lord Macartney reiste noch voll Hoffnung auf den schliesslichen Erfolg seiner Mission nach Pe-kiṅ zurück, wo er am 26. September wieder eintraf. Er hatte in dem ihm dort angewiesenen Palast während seiner Abwesenheit glänzende und bequeme Einrichtungen für einen längeren Aufenthalt treffen lassen, denn man hoffte da den Winter durch von den Mühsalen der Reise auszuruhen. Die Decoration des Staatszimmers mit Thronhimmel und königlichem Wappen in Purpurseide und reicher Goldstickerei, kostbaren Teppichen und den lebensgrossen Bildnissen der Königsfamlie muss sehr prächtig gewesen sein. Die Repräsentation sollte erst hier beginnen, denn der Kaiser wurde unverzüglich erwartet. In Džehol war wenig Gelegenheit zu 15) Nach Andersons Bericht hätte der Kaiser dabei Folgendes gesagt: »Ueber- gieb dieses Kästchen deinem Herrn dem König mit eigener Hand. So klein es scheinen mag, so ist es doch nach meiner Schätzung das Werthvollste, was ich ihm geben und mein Reich aufweisen kann. Denn es ist von einer langen Reihe meiner Vorfahren auf mich übergegangen, und ich hatte es zur letzten Liebesgabe für meinen Sohn und Nachfolger bestimmt, als ein Denkmal der Tugenden seiner Ahnen, dessen Anblick ihm den edelen Entschluss eingeflösst hätte, ihrem glän- zenden Beispiel nachzueifern und gleich ihnen die Ehre des kaiserlichen Thrones, das Glück und den Wohlstand seines Volkes zu seinem grossen Lebenszweck zu machen.«

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/59>, abgerufen am 28.04.2024.