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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Engländer in Kan-ton.
englische Factorei entstanden sein. In einem Schreiben des Direc-
toriums der Compagnie an ihren Handelsvorsteher in Kan-ton vom
Jahre 1699 heisst es: "Wir haben den Auftrag von Seiner Majestät1699.
erhalten, Euch und Diejenigen, welche nach Euch zu unseren
Handelsvorstehern in China ernannt werden, zum königlichen Be-
vollmächtigten (minister) oder Consul für das englische Volk zu
ernennen, und denselben alle mit diesem Posten verbundene Amts-
gewalt zu verleihen." 13)

Das ganze 18. Jahrhundert hindurch hatte der Handel mit
grossen Schwierigkeiten, vor Allem mit der Habgier der Beamten,
zu kämpfen, welche sich an den Fremden zu bereichern suchten.
Zwischen ehrenhaften Kaufleuten und gewissenlosen Abenteurern
machte man wenig Unterschied; alle Fremden hafteten solidarisch
für die Vergehen Einzelner. Die Maxime, nach welcher man sie
behandelte, drücken folgende von Pere Premare aus einer chinesi-
schen Schrift übersetzten Worte aus: "Die Barbaren sind gleich
Bestien, und nicht nach denselben Grundsätzen zu regieren wie
Chinesen. Wollte man versuchen, sie nach den hohen Gesetzen
der Weisheit zu leiten, so würde das nur zur ärgsten Verwirrung
führen. Die alten Könige haben das wohl gewusst und regierten
deshalb die Barbaren durch Missregierung. Deshalb ist Missregie-
rung bei weitem die beste Art, sie richtig zu leiten." Nach diesen
Grundsätzen entzog man ihnen selbst die Wohlthaten der chinesi-
schen Rechtspflege. "Die Fremden", heisst es in den Aufzeich-
nungen der englischen Factorei, "werden nicht nach Gesetzen,
sondern nach der Willkür der Mandarinen regiert, und der Grund,
dass nicht noch mehr Unzuträglichkeiten vorkommen, liegt nur darin,
dass die Rgierungsbeamten noch lieber durch Erpressung ihre
Taschen füllen, als harte Maassregeln ergreifen." -- Oft mussten,
wie gesagt, schuldlose Menschen für geringe Versehen, die schlimme
Folgen gehabt hatten, der chinesischen Justiz ausgeliefert werden,
nicht zum Verhör, sondern zu grausamer Hinrichtung. Solches
Verfahren erbitterte natürlich auch den besseren Theil der Frem-
den; die gewissenloseren rechtfertigten damit ihre eigenen Gewalt-
thaten, welche sie Vergeltung nannten, die aber unter geordneten
Verhältnissen Mord, Seeraub und Brandstiftung geheissen hätten.

13) Diese Bestallung scheinen die Directoren der ostindischen Compagnie nicht
gekannt zu haben, da sie 1832 im englischen Parlament behaupteten, der Handels-
vorsteher in Kan-ton sei lediglich ein Vertreter der Compagnie.

Die Engländer in Kan-ton.
englische Factorei entstanden sein. In einem Schreiben des Direc-
toriums der Compagnie an ihren Handelsvorsteher in Kan-ton vom
Jahre 1699 heisst es: »Wir haben den Auftrag von Seiner Majestät1699.
erhalten, Euch und Diejenigen, welche nach Euch zu unseren
Handelsvorstehern in China ernannt werden, zum königlichen Be-
vollmächtigten (minister) oder Consul für das englische Volk zu
ernennen, und denselben alle mit diesem Posten verbundene Amts-
gewalt zu verleihen.« 13)

Das ganze 18. Jahrhundert hindurch hatte der Handel mit
grossen Schwierigkeiten, vor Allem mit der Habgier der Beamten,
zu kämpfen, welche sich an den Fremden zu bereichern suchten.
Zwischen ehrenhaften Kaufleuten und gewissenlosen Abenteurern
machte man wenig Unterschied; alle Fremden hafteten solidarisch
für die Vergehen Einzelner. Die Maxime, nach welcher man sie
behandelte, drücken folgende von Père Prémare aus einer chinesi-
schen Schrift übersetzten Worte aus: »Die Barbaren sind gleich
Bestien, und nicht nach denselben Grundsätzen zu regieren wie
Chinesen. Wollte man versuchen, sie nach den hohen Gesetzen
der Weisheit zu leiten, so würde das nur zur ärgsten Verwirrung
führen. Die alten Könige haben das wohl gewusst und regierten
deshalb die Barbaren durch Missregierung. Deshalb ist Missregie-
rung bei weitem die beste Art, sie richtig zu leiten.« Nach diesen
Grundsätzen entzog man ihnen selbst die Wohlthaten der chinesi-
schen Rechtspflege. »Die Fremden«, heisst es in den Aufzeich-
nungen der englischen Factorei, »werden nicht nach Gesetzen,
sondern nach der Willkür der Mandarinen regiert, und der Grund,
dass nicht noch mehr Unzuträglichkeiten vorkommen, liegt nur darin,
dass die Rgierungsbeamten noch lieber durch Erpressung ihre
Taschen füllen, als harte Maassregeln ergreifen.« — Oft mussten,
wie gesagt, schuldlose Menschen für geringe Versehen, die schlimme
Folgen gehabt hatten, der chinesischen Justiz ausgeliefert werden,
nicht zum Verhör, sondern zu grausamer Hinrichtung. Solches
Verfahren erbitterte natürlich auch den besseren Theil der Frem-
den; die gewissenloseren rechtfertigten damit ihre eigenen Gewalt-
thaten, welche sie Vergeltung nannten, die aber unter geordneten
Verhältnissen Mord, Seeraub und Brandstiftung geheissen hätten.

13) Diese Bestallung scheinen die Directoren der ostindischen Compagnie nicht
gekannt zu haben, da sie 1832 im englischen Parlament behaupteten, der Handels-
vorsteher in Kan-ton sei lediglich ein Vertreter der Compagnie.
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[27/0049] Die Engländer in Kan-ton. englische Factorei entstanden sein. In einem Schreiben des Direc- toriums der Compagnie an ihren Handelsvorsteher in Kan-ton vom Jahre 1699 heisst es: »Wir haben den Auftrag von Seiner Majestät erhalten, Euch und Diejenigen, welche nach Euch zu unseren Handelsvorstehern in China ernannt werden, zum königlichen Be- vollmächtigten (minister) oder Consul für das englische Volk zu ernennen, und denselben alle mit diesem Posten verbundene Amts- gewalt zu verleihen.« 13) 1699. Das ganze 18. Jahrhundert hindurch hatte der Handel mit grossen Schwierigkeiten, vor Allem mit der Habgier der Beamten, zu kämpfen, welche sich an den Fremden zu bereichern suchten. Zwischen ehrenhaften Kaufleuten und gewissenlosen Abenteurern machte man wenig Unterschied; alle Fremden hafteten solidarisch für die Vergehen Einzelner. Die Maxime, nach welcher man sie behandelte, drücken folgende von Père Prémare aus einer chinesi- schen Schrift übersetzten Worte aus: »Die Barbaren sind gleich Bestien, und nicht nach denselben Grundsätzen zu regieren wie Chinesen. Wollte man versuchen, sie nach den hohen Gesetzen der Weisheit zu leiten, so würde das nur zur ärgsten Verwirrung führen. Die alten Könige haben das wohl gewusst und regierten deshalb die Barbaren durch Missregierung. Deshalb ist Missregie- rung bei weitem die beste Art, sie richtig zu leiten.« Nach diesen Grundsätzen entzog man ihnen selbst die Wohlthaten der chinesi- schen Rechtspflege. »Die Fremden«, heisst es in den Aufzeich- nungen der englischen Factorei, »werden nicht nach Gesetzen, sondern nach der Willkür der Mandarinen regiert, und der Grund, dass nicht noch mehr Unzuträglichkeiten vorkommen, liegt nur darin, dass die Rgierungsbeamten noch lieber durch Erpressung ihre Taschen füllen, als harte Maassregeln ergreifen.« — Oft mussten, wie gesagt, schuldlose Menschen für geringe Versehen, die schlimme Folgen gehabt hatten, der chinesischen Justiz ausgeliefert werden, nicht zum Verhör, sondern zu grausamer Hinrichtung. Solches Verfahren erbitterte natürlich auch den besseren Theil der Frem- den; die gewissenloseren rechtfertigten damit ihre eigenen Gewalt- thaten, welche sie Vergeltung nannten, die aber unter geordneten Verhältnissen Mord, Seeraub und Brandstiftung geheissen hätten. 13) Diese Bestallung scheinen die Directoren der ostindischen Compagnie nicht gekannt zu haben, da sie 1832 im englischen Parlament behaupteten, der Handels- vorsteher in Kan-ton sei lediglich ein Vertreter der Compagnie.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/49>, abgerufen am 29.03.2024.