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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Kaufläden, Schenken, Tempel. XIII.
in dichtbewohnten Gassen ungeheure Schutthaufen, bequeme
Stätten zu Ablagerung aller Undinge, die dort ungestört faulen
dürfen. Aus trüben Pfützen schöpft man das Trinkwasser, das
mit Alaun geklärt und meist als Thee genossen wird; in grossen
Kesseln siedet er auf dem Herde der zahlreichen Kneipen. Im
Gebrauch geistiger Getränke sind die Chinesen mässig; ihr Sam-su
ist ein aus Reis bereiteter Branntwein; dagegen rauchen sie fast
beständig den im Lande gebauten schlechten Tabak. Die Pfeifen
gleichen den japanischen, haben fusslange Rohre und metallene
Köpfchen, die man in wenig Zügen leert; ein salpetergetränkter
glimmender Fidibus giebt angehaucht eine helle Flamme, und
Pfeife folgt auf Pfeife. -- Opiumhöhlen finden sich in Shang-hae
wie anderwärts im Reiche der Mitte für alle Volksclassen. Die
Raucher liegen auf Bänke gestreckt, etwas Opium wird abgeschabt,
gekocht und durch Papier filtrirt, der bräunliche Satz zu einem
Kügelchen gedreht, das der Raucher an der Spitze einer Nadel
über einer Oelflamme schmilzt. Die Pfeife bildet ein fusslanges
Rohr mit seitlich angebrachten Metallnäpfchen, das der Raucher
vor das schmelzende Kügelchen bringt, um den Duft einzusaugen.
Dem Anfänger sollen eine bis zwei Pfeifen genügen, während der
Geübte Stunden, ja Tage lang eine nach der anderen raucht.
Mässig genossen wirkt Opium kaum verderblicher als Tabak,
und selbst das Uebermaass hat nach gültigem Zeugniss keine
schlimmeren Folgen als Branntweintrunk; niemals soll es so
viehische Zustände erzeugen, führt aber zu Siechthum und frühem
Tode. Der Knochen- und Muskelbau widersteht dem Gifte länger
als das Nervensystem: man sieht Männer mit kräftigen Gliedern, die
ein elendes Dasein hinschleppen und jede Arbeit meiden. -- Der
Dunst der Opiumhöhlen ist betäubend.

Die Tempel von Shang-hae sind so schmutzig wie alles
Uebrige. Man tritt durch ein rohbemaltes Thor in den Vorhof,
wo es lustig hergeht: da wird gewürfelt, geflötet, geplaudert, ge-
wahrsagt, Karten und Domino gespielt. In einem Haupttempel be-
reitete man bei unserem Besuch zu Belustigung des Götzen eine
theatralische Vorstellung nebst Concert vor. Die Tempel gleichen
den beschriebenen in Singapore, sind aber meist von roher Bauart,
schmutzig, verfallen, und die Sammelplätze aller obdachlosen
Bummler und Bettler. Die grösseren Tempel umgeben viele Höfe
und Nebengebäude, mit Ausgängen nach verschiedenen Gassen; in

Kaufläden, Schenken, Tempel. XIII.
in dichtbewohnten Gassen ungeheure Schutthaufen, bequeme
Stätten zu Ablagerung aller Undinge, die dort ungestört faulen
dürfen. Aus trüben Pfützen schöpft man das Trinkwasser, das
mit Alaun geklärt und meist als Thee genossen wird; in grossen
Kesseln siedet er auf dem Herde der zahlreichen Kneipen. Im
Gebrauch geistiger Getränke sind die Chinesen mässig; ihr Sam-šu
ist ein aus Reis bereiteter Branntwein; dagegen rauchen sie fast
beständig den im Lande gebauten schlechten Tabak. Die Pfeifen
gleichen den japanischen, haben fusslange Rohre und metallene
Köpfchen, die man in wenig Zügen leert; ein salpetergetränkter
glimmender Fidibus giebt angehaucht eine helle Flamme, und
Pfeife folgt auf Pfeife. — Opiumhöhlen finden sich in Shang-hae
wie anderwärts im Reiche der Mitte für alle Volksclassen. Die
Raucher liegen auf Bänke gestreckt, etwas Opium wird abgeschabt,
gekocht und durch Papier filtrirt, der bräunliche Satz zu einem
Kügelchen gedreht, das der Raucher an der Spitze einer Nadel
über einer Oelflamme schmilzt. Die Pfeife bildet ein fusslanges
Rohr mit seitlich angebrachten Metallnäpfchen, das der Raucher
vor das schmelzende Kügelchen bringt, um den Duft einzusaugen.
Dem Anfänger sollen eine bis zwei Pfeifen genügen, während der
Geübte Stunden, ja Tage lang eine nach der anderen raucht.
Mässig genossen wirkt Opium kaum verderblicher als Tabak,
und selbst das Uebermaass hat nach gültigem Zeugniss keine
schlimmeren Folgen als Branntweintrunk; niemals soll es so
viehische Zustände erzeugen, führt aber zu Siechthum und frühem
Tode. Der Knochen- und Muskelbau widersteht dem Gifte länger
als das Nervensystem: man sieht Männer mit kräftigen Gliedern, die
ein elendes Dasein hinschleppen und jede Arbeit meiden. — Der
Dunst der Opiumhöhlen ist betäubend.

Die Tempel von Shang-hae sind so schmutzig wie alles
Uebrige. Man tritt durch ein rohbemaltes Thor in den Vorhof,
wo es lustig hergeht: da wird gewürfelt, geflötet, geplaudert, ge-
wahrsagt, Karten und Domino gespielt. In einem Haupttempel be-
reitete man bei unserem Besuch zu Belustigung des Götzen eine
theatralische Vorstellung nebst Concert vor. Die Tempel gleichen
den beschriebenen in Singapore, sind aber meist von roher Bauart,
schmutzig, verfallen, und die Sammelplätze aller obdachlosen
Bummler und Bettler. Die grösseren Tempel umgeben viele Höfe
und Nebengebäude, mit Ausgängen nach verschiedenen Gassen; in

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[382/0404] Kaufläden, Schenken, Tempel. XIII. in dichtbewohnten Gassen ungeheure Schutthaufen, bequeme Stätten zu Ablagerung aller Undinge, die dort ungestört faulen dürfen. Aus trüben Pfützen schöpft man das Trinkwasser, das mit Alaun geklärt und meist als Thee genossen wird; in grossen Kesseln siedet er auf dem Herde der zahlreichen Kneipen. Im Gebrauch geistiger Getränke sind die Chinesen mässig; ihr Sam-šu ist ein aus Reis bereiteter Branntwein; dagegen rauchen sie fast beständig den im Lande gebauten schlechten Tabak. Die Pfeifen gleichen den japanischen, haben fusslange Rohre und metallene Köpfchen, die man in wenig Zügen leert; ein salpetergetränkter glimmender Fidibus giebt angehaucht eine helle Flamme, und Pfeife folgt auf Pfeife. — Opiumhöhlen finden sich in Shang-hae wie anderwärts im Reiche der Mitte für alle Volksclassen. Die Raucher liegen auf Bänke gestreckt, etwas Opium wird abgeschabt, gekocht und durch Papier filtrirt, der bräunliche Satz zu einem Kügelchen gedreht, das der Raucher an der Spitze einer Nadel über einer Oelflamme schmilzt. Die Pfeife bildet ein fusslanges Rohr mit seitlich angebrachten Metallnäpfchen, das der Raucher vor das schmelzende Kügelchen bringt, um den Duft einzusaugen. Dem Anfänger sollen eine bis zwei Pfeifen genügen, während der Geübte Stunden, ja Tage lang eine nach der anderen raucht. Mässig genossen wirkt Opium kaum verderblicher als Tabak, und selbst das Uebermaass hat nach gültigem Zeugniss keine schlimmeren Folgen als Branntweintrunk; niemals soll es so viehische Zustände erzeugen, führt aber zu Siechthum und frühem Tode. Der Knochen- und Muskelbau widersteht dem Gifte länger als das Nervensystem: man sieht Männer mit kräftigen Gliedern, die ein elendes Dasein hinschleppen und jede Arbeit meiden. — Der Dunst der Opiumhöhlen ist betäubend. Die Tempel von Shang-hae sind so schmutzig wie alles Uebrige. Man tritt durch ein rohbemaltes Thor in den Vorhof, wo es lustig hergeht: da wird gewürfelt, geflötet, geplaudert, ge- wahrsagt, Karten und Domino gespielt. In einem Haupttempel be- reitete man bei unserem Besuch zu Belustigung des Götzen eine theatralische Vorstellung nebst Concert vor. Die Tempel gleichen den beschriebenen in Singapore, sind aber meist von roher Bauart, schmutzig, verfallen, und die Sammelplätze aller obdachlosen Bummler und Bettler. Die grösseren Tempel umgeben viele Höfe und Nebengebäude, mit Ausgängen nach verschiedenen Gassen; in

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/404>, abgerufen am 22.11.2024.