Wann der Kaiser Yuan-min-yuan verliess, ist ungewiss. Man fand die Denkschriften San-ko-lin-sin's, welcher zur Flucht rieth, und vieler Censoren und Minister, welche diesen Gedanken in den stärksten Worten verdammen. In den an die kaiserlichen Ge- mächer stossenden Höfen lagen blutige und zerfetzte Kleidungs- stücke der gefangenen Parlamentäre; dort standen auch ihre Pferde; man glaubte, dass Hien-fun selbst sich an ihren Qualen weidete, und verbrannte diese Gebäude schon damals. -- Wo der Prinz von Kun in dem Zeitraum vom 7. bis zum 12. October, dem Datum seiner nächsten Mittheilung weite, ist ebenfalls unklar. Nach Han-ki's Aussage zog er sich mit der chinesischen Armee zurück; wahrscheinlich suchte er den Kaiser auf.
Am 9. October marschirten die französischen Truppen nach dem Lagerplatz der englischen und stellten sich auf deren linkem Flügel auf; am 10. richteten die Generale Sir Hope Grant und de Montauban an den Prinzen von Kun eine Sommation auf Aus- lieferung des Nordost-Thores der Tartarenstadt, Gan-tin-men, welchem die Verbündeten gegenüberstanden; sei dieselbe bis zum 13. October nicht erfolgt, so würde die Stadtmauer bombardirt. -- Man traf alle Anstalten; die recognoscirenden Officiere konnten bis unter die Mauern reiten, deren Besatzung eifrig weisse Fahnen schwenkte, aber keinen Schuss feuerte. In die Häuser der kleinen Vorstadt vor dem Gan-tin-Thore, kaum hundert Schritt von dessen Kanonen, brach man ohne Belästigung Schiessscharten. Für die Breschebatterieen bot die hohe und starke Parkmauer des Tempels der Erde passende Emplacements; etwa 600 Schritt östlich vom Gan-tin-Thore sollte die Stadtmauer niedergelegt werden.
Die Dolmetscher hatten am 10., 11. und 12. October Zusam- menkünfte mit Han-ki, der zuversichtlich eine Lösung versprach und am 12. die Antwort des Prinzen von Kun auf die Sommation vom 10. October übergab. Er habe wiederholt gemeldet, dass seine Officiere zu ehrenvoller Behandlung des Herrn Parkes angewiesen seien, dass nach Feststellung aller die Unterzeichnung der Con- vention betreffenden Fragen mit Demselben die britischen Unter- thanen ausgeliefert werden könnten. Wie es nun komme, dass nach diesem grossmüthigen Verfahren gegen die englische Regie- rung britische Truppen den kaiserlichen Gartenpalast beschimpft, Seiner Majestät Audienzhalle und Wohngebäude niedergbrannt hätten. "Ist es vernünftig, dass, während die Nation des Gesandten
Sommation.
Wann der Kaiser Yuaṅ-miṅ-yuaṅ verliess, ist ungewiss. Man fand die Denkschriften Saṅ-ko-lin-sin’s, welcher zur Flucht rieth, und vieler Censoren und Minister, welche diesen Gedanken in den stärksten Worten verdammen. In den an die kaiserlichen Ge- mächer stossenden Höfen lagen blutige und zerfetzte Kleidungs- stücke der gefangenen Parlamentäre; dort standen auch ihre Pferde; man glaubte, dass Hien-fuṅ selbst sich an ihren Qualen weidete, und verbrannte diese Gebäude schon damals. — Wo der Prinz von Kuṅ in dem Zeitraum vom 7. bis zum 12. October, dem Datum seiner nächsten Mittheilung weite, ist ebenfalls unklar. Nach Haṅ-ki’s Aussage zog er sich mit der chinesischen Armee zurück; wahrscheinlich suchte er den Kaiser auf.
Am 9. October marschirten die französischen Truppen nach dem Lagerplatz der englischen und stellten sich auf deren linkem Flügel auf; am 10. richteten die Generale Sir Hope Grant und de Montauban an den Prinzen von Kuṅ eine Sommation auf Aus- lieferung des Nordost-Thores der Tartarenstadt, Gan-tiṅ-men, welchem die Verbündeten gegenüberstanden; sei dieselbe bis zum 13. October nicht erfolgt, so würde die Stadtmauer bombardirt. — Man traf alle Anstalten; die recognoscirenden Officiere konnten bis unter die Mauern reiten, deren Besatzung eifrig weisse Fahnen schwenkte, aber keinen Schuss feuerte. In die Häuser der kleinen Vorstadt vor dem Gan-tiṅ-Thore, kaum hundert Schritt von dessen Kanonen, brach man ohne Belästigung Schiessscharten. Für die Breschebatterieen bot die hohe und starke Parkmauer des Tempels der Erde passende Emplacements; etwa 600 Schritt östlich vom Gan-tiṅ-Thore sollte die Stadtmauer niedergelegt werden.
Die Dolmetscher hatten am 10., 11. und 12. October Zusam- menkünfte mit Haṅ-ki, der zuversichtlich eine Lösung versprach und am 12. die Antwort des Prinzen von Kuṅ auf die Sommation vom 10. October übergab. Er habe wiederholt gemeldet, dass seine Officiere zu ehrenvoller Behandlung des Herrn Parkes angewiesen seien, dass nach Feststellung aller die Unterzeichnung der Con- vention betreffenden Fragen mit Demselben die britischen Unter- thanen ausgeliefert werden könnten. Wie es nun komme, dass nach diesem grossmüthigen Verfahren gegen die englische Regie- rung britische Truppen den kaiserlichen Gartenpalast beschimpft, Seiner Majestät Audienzhalle und Wohngebäude niedergbrannt hätten. »Ist es vernünftig, dass, während die Nation des Gesandten
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Wann der Kaiser Yuaṅ-miṅ-yuaṅ verliess, ist ungewiss.
Man fand die Denkschriften Saṅ-ko-lin-sin’s, welcher zur Flucht
rieth, und vieler Censoren und Minister, welche diesen Gedanken in
den stärksten Worten verdammen. In den an die kaiserlichen Ge-
mächer stossenden Höfen lagen blutige und zerfetzte Kleidungs-
stücke der gefangenen Parlamentäre; dort standen auch ihre Pferde;
man glaubte, dass Hien-fuṅ selbst sich an ihren Qualen weidete,
und verbrannte diese Gebäude schon damals. — Wo der Prinz von
Kuṅ in dem Zeitraum vom 7. bis zum 12. October, dem Datum
seiner nächsten Mittheilung weite, ist ebenfalls unklar. Nach
Haṅ-ki’s Aussage zog er sich mit der chinesischen Armee zurück;
wahrscheinlich suchte er den Kaiser auf.
Am 9. October marschirten die französischen Truppen nach
dem Lagerplatz der englischen und stellten sich auf deren linkem
Flügel auf; am 10. richteten die Generale Sir Hope Grant und
de Montauban an den Prinzen von Kuṅ eine Sommation auf Aus-
lieferung des Nordost-Thores der Tartarenstadt, Gan-tiṅ-men,
welchem die Verbündeten gegenüberstanden; sei dieselbe bis zum
13. October nicht erfolgt, so würde die Stadtmauer bombardirt. —
Man traf alle Anstalten; die recognoscirenden Officiere konnten bis
unter die Mauern reiten, deren Besatzung eifrig weisse Fahnen
schwenkte, aber keinen Schuss feuerte. In die Häuser der kleinen
Vorstadt vor dem Gan-tiṅ-Thore, kaum hundert Schritt von dessen
Kanonen, brach man ohne Belästigung Schiessscharten. Für die
Breschebatterieen bot die hohe und starke Parkmauer des Tempels
der Erde passende Emplacements; etwa 600 Schritt östlich vom
Gan-tiṅ-Thore sollte die Stadtmauer niedergelegt werden.
Die Dolmetscher hatten am 10., 11. und 12. October Zusam-
menkünfte mit Haṅ-ki, der zuversichtlich eine Lösung versprach
und am 12. die Antwort des Prinzen von Kuṅ auf die Sommation
vom 10. October übergab. Er habe wiederholt gemeldet, dass seine
Officiere zu ehrenvoller Behandlung des Herrn Parkes angewiesen
seien, dass nach Feststellung aller die Unterzeichnung der Con-
vention betreffenden Fragen mit Demselben die britischen Unter-
thanen ausgeliefert werden könnten. Wie es nun komme, dass
nach diesem grossmüthigen Verfahren gegen die englische Regie-
rung britische Truppen den kaiserlichen Gartenpalast beschimpft,
Seiner Majestät Audienzhalle und Wohngebäude niedergbrannt
hätten. »Ist es vernünftig, dass, während die Nation des Gesandten
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/385>, abgerufen am 24.11.2024.
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