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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Abbruch der Verhandlungen.
nach Ta-ku und Tan-tsau zurück. Nach Tilgung der ganzen
Schuld werden auch die genannten Plätze und Kan-ton geräumt.
8. Nach Ratification des Vertrages von Tien-tsin werden
dieser Vertrag und Artikel 5. der Convention durch die Ortsbehör-
den in allen Theilen des Reiches publicirt.

Den Commissaren wurde dieser Entwurf und der Entschluss
des Botschafters mitgetheilt, nach Unterzeichnung desselben die
kriegerischen Operationen zu sistiren und mit einem seiner hohen
Stellung als Vertreter Ihrer Grossbritannischen Majestät angemes-
senen Gefolge zu Austausch der Ratificationsurkunden und Ueber-
reichung eines Schreibens seiner Königin an den Kaiser von China
nach Pe-kin zu gehen.

Am 8. September sollte die Convention unterzeichnet wer-
den; am 6. Nachmittags begaben sich die chinesischen Secretäre
der englischen Botschaft, Herr Wade und Consul Parkes, behufs
Feststellung des chinesischen Wortlautes zu den Commissaren.
Diese erklärten aber plötzlich den Artikel, nach welchem die Con-
vention ohne gesonderte Ratificirung in Kraft treten sollte, für ganz
unmöglich; so etwas dürfe in keinem chinesischen Vertrage stehen;
die Convention müsse sogar vor der Unterzeichnung dem Kaiser
vorgelegt werden; das sei bis zum 8. September nicht zu bewirken.
Bei Erörterung ihrer Vollmachten erwies sich nun, dass ausser dem
ganz allgemein gehaltenen Decret ohne Datum:
"Wir ernennen Kwei-lian und Han-fu zu hohen Special-
Commissaren. Kwei-lian soll mit schnellster Postbeförderung nach
Tien-tsin gehen und sich mit seinem Collegen zu Erledigung der Ge-
schäfte verbinden. Achtet darauf!"

empfangen von Han-fu am 25. August, die Commissare entweder
keine Vollmachten besassen oder solche verleugneten. Ersteres
stand im Widerspruch mit Kwei-lian's Schreiben, in welchem er
sich die Eigenschaft eines Pien-ai-hin-se, eines den Umständen
gemäss nach Discretion zu handeln Ermächtigten, beilegt. Die
Commissare verloren sich bei Erörterung dieses Zwiespaltes in die
gewohnte unlogische Argumentation, welche jede Möglichkeit eines
Resultates abschnitt. Lord Elgin aber sah in dem ganzen Verfah-
ren eine Unredlichkeit und die wohlüberlegte Absicht, die Verbün-
deten hinzuhalten, damit über deren Operationen der Winter her-
einbräche. Er zeigte deshalb in Uebereinstimmung mit Baron Gros
den Commissaren unter Darlegung des Sachverhaltes an, dass, ab-

Abbruch der Verhandlungen.
nach Ta-ku und Taṅ-tšau zurück. Nach Tilgung der ganzen
Schuld werden auch die genannten Plätze und Kan-ton geräumt.
8. Nach Ratification des Vertrages von Tien-tsin werden
dieser Vertrag und Artikel 5. der Convention durch die Ortsbehör-
den in allen Theilen des Reiches publicirt.

Den Commissaren wurde dieser Entwurf und der Entschluss
des Botschafters mitgetheilt, nach Unterzeichnung desselben die
kriegerischen Operationen zu sistiren und mit einem seiner hohen
Stellung als Vertreter Ihrer Grossbritannischen Majestät angemes-
senen Gefolge zu Austausch der Ratificationsurkunden und Ueber-
reichung eines Schreibens seiner Königin an den Kaiser von China
nach Pe-kiṅ zu gehen.

Am 8. September sollte die Convention unterzeichnet wer-
den; am 6. Nachmittags begaben sich die chinesischen Secretäre
der englischen Botschaft, Herr Wade und Consul Parkes, behufs
Feststellung des chinesischen Wortlautes zu den Commissaren.
Diese erklärten aber plötzlich den Artikel, nach welchem die Con-
vention ohne gesonderte Ratificirung in Kraft treten sollte, für ganz
unmöglich; so etwas dürfe in keinem chinesischen Vertrage stehen;
die Convention müsse sogar vor der Unterzeichnung dem Kaiser
vorgelegt werden; das sei bis zum 8. September nicht zu bewirken.
Bei Erörterung ihrer Vollmachten erwies sich nun, dass ausser dem
ganz allgemein gehaltenen Decret ohne Datum:
»Wir ernennen Kwei-liaṅ und Haṅ-fu zu hohen Special-
Commissaren. Kwei-liaṅ soll mit schnellster Postbeförderung nach
Tien-tsin gehen und sich mit seinem Collegen zu Erledigung der Ge-
schäfte verbinden. Achtet darauf!«

empfangen von Haṅ-fu am 25. August, die Commissare entweder
keine Vollmachten besassen oder solche verleugneten. Ersteres
stand im Widerspruch mit Kwei-liaṅ’s Schreiben, in welchem er
sich die Eigenschaft eines Pien-ai-hiṅ-se, eines den Umständen
gemäss nach Discretion zu handeln Ermächtigten, beilegt. Die
Commissare verloren sich bei Erörterung dieses Zwiespaltes in die
gewohnte unlogische Argumentation, welche jede Möglichkeit eines
Resultates abschnitt. Lord Elgin aber sah in dem ganzen Verfah-
ren eine Unredlichkeit und die wohlüberlegte Absicht, die Verbün-
deten hinzuhalten, damit über deren Operationen der Winter her-
einbräche. Er zeigte deshalb in Uebereinstimmung mit Baron Gros
den Commissaren unter Darlegung des Sachverhaltes an, dass, ab-

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[325/0347] Abbruch der Verhandlungen. nach Ta-ku und Taṅ-tšau zurück. Nach Tilgung der ganzen Schuld werden auch die genannten Plätze und Kan-ton geräumt. 8. Nach Ratification des Vertrages von Tien-tsin werden dieser Vertrag und Artikel 5. der Convention durch die Ortsbehör- den in allen Theilen des Reiches publicirt. Den Commissaren wurde dieser Entwurf und der Entschluss des Botschafters mitgetheilt, nach Unterzeichnung desselben die kriegerischen Operationen zu sistiren und mit einem seiner hohen Stellung als Vertreter Ihrer Grossbritannischen Majestät angemes- senen Gefolge zu Austausch der Ratificationsurkunden und Ueber- reichung eines Schreibens seiner Königin an den Kaiser von China nach Pe-kiṅ zu gehen. Am 8. September sollte die Convention unterzeichnet wer- den; am 6. Nachmittags begaben sich die chinesischen Secretäre der englischen Botschaft, Herr Wade und Consul Parkes, behufs Feststellung des chinesischen Wortlautes zu den Commissaren. Diese erklärten aber plötzlich den Artikel, nach welchem die Con- vention ohne gesonderte Ratificirung in Kraft treten sollte, für ganz unmöglich; so etwas dürfe in keinem chinesischen Vertrage stehen; die Convention müsse sogar vor der Unterzeichnung dem Kaiser vorgelegt werden; das sei bis zum 8. September nicht zu bewirken. Bei Erörterung ihrer Vollmachten erwies sich nun, dass ausser dem ganz allgemein gehaltenen Decret ohne Datum: »Wir ernennen Kwei-liaṅ und Haṅ-fu zu hohen Special- Commissaren. Kwei-liaṅ soll mit schnellster Postbeförderung nach Tien-tsin gehen und sich mit seinem Collegen zu Erledigung der Ge- schäfte verbinden. Achtet darauf!« empfangen von Haṅ-fu am 25. August, die Commissare entweder keine Vollmachten besassen oder solche verleugneten. Ersteres stand im Widerspruch mit Kwei-liaṅ’s Schreiben, in welchem er sich die Eigenschaft eines Pien-ai-hiṅ-se, eines den Umständen gemäss nach Discretion zu handeln Ermächtigten, beilegt. Die Commissare verloren sich bei Erörterung dieses Zwiespaltes in die gewohnte unlogische Argumentation, welche jede Möglichkeit eines Resultates abschnitt. Lord Elgin aber sah in dem ganzen Verfah- ren eine Unredlichkeit und die wohlüberlegte Absicht, die Verbün- deten hinzuhalten, damit über deren Operationen der Winter her- einbräche. Er zeigte deshalb in Uebereinstimmung mit Baron Gros den Commissaren unter Darlegung des Sachverhaltes an, dass, ab-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/347>, abgerufen am 02.05.2024.