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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Manifest des Tsun-wan.
herrschten Gebietes umfasst die reichen Landstriche im Osten und
Süden. Der Nationalschatz bietet hinreichende Mittel, um unsere
Heere mit allen Bedürfnissen zu versehen. Später, wenn das ganze
Angesicht des Landes unter unserer Herrschaft steht, wird jeder ein-
zelne Theil in unseren Listen aufgeführt werden, und von dem kleinen
Gebiet Shang-hae's wird unser Erfolg nicht abhängen. -- Aber im
menschlichen Gemüth und in menschlichen Beziehungen haben alle
Handlungen ihre Folgen. Die Franzosen verletzten ihr Wort und
brachen den Frieden zwischen uns. Wollen sie ferner in Shang-hae
bleiben und ihre Geschäfte treiben, nachdem sie vorher so unverständig
handelten, so mögen sie das thun. Wenn sie aber wieder zu uns kommen,
um zu handeln, oder in unsere Grenzen gelangen, so möchte wohl ich, so
weit ich damit zu thun bekomme, in Grossmuth davon abstehen, mit
ihnen über das Vergangene zu rechten; unsere Truppen und Officiere
aber, welche ihrer Täuschung verfallen sind, müssen voll Entrüstung
und Rachedurst sein, und ist zu fürchten, dass sie nicht mehr nach
ihrer Bequemlichkeit in unser Gebiet kommen dürfen. -- Nach Su-tsau
gelangend hatte ich den Oberbefehl über tausend Officiere und mehr-
mal zehntausend Soldaten, ein tapferes Heer, voll Kraft, jeden Wider-
stand zu erdrücken, und von so gewaltiger Stärke wie die Berge.
Wollten wir wirklich Shang-hae angreifen, -- welche Stadt hätten sie
denn nicht bezwungen? Welchen Platz haben sie denn nicht er-
stürmt? -- Ich zog jedoch in Betracht, dass ihr und wir ge-
meinschaftlich Jesus anbeten, und dass schliesslich doch eine Ver-
wandtschaft gemeinsamer Grundlage und gemeinsamer Lehre zwischen
uns besteht. Ueberdies kam ich nach Shang-hae, einen Ver-
trag zu machen, um uns vereint zu sehen durch Handel und
Verkehr; nicht kam ich, mit euch zu kämpfen. Hätte ich begon-
nen die Stadt anzugreifen und die Leute zu tödten, so wäre das
gewesen, als wenn die Mitglieder einer Familie mit einander kämpf-
ten, und das hätte die Kobolde veranlasst, uns lächerlich zu machen.
-- Ferner: unter den Fremden in Shang-hae müssen Verschiedenheiten
der Gemüthsart und Fähigkeiten sein; da müssen verständige Männer
sein, welche die Grundsätze des Rechten kennen und wohl begreifen,
was nützlich, was schädlich ist. Nicht alle können nach dem Gelde
der Kobolde geizen und die allgemeinen Handels-Interessen in diesem
Lande vergessen. -- Deshalb will ich die Entrüstung dieses Tages für
jetzt unterdrücken und barmherzig einen Pfad öffnen, auf welchem
unser jetziges Verhältniss zu einander geändert werden kann. Ich
fürchte sehr, dass, wenn meine Soldaten Shang-hae nehmen, sie die
Guten und Bösen nicht werden unterscheiden können, in welchem

Manifest des Tšun-waṅ.
herrschten Gebietes umfasst die reichen Landstriche im Osten und
Süden. Der Nationalschatz bietet hinreichende Mittel, um unsere
Heere mit allen Bedürfnissen zu versehen. Später, wenn das ganze
Angesicht des Landes unter unserer Herrschaft steht, wird jeder ein-
zelne Theil in unseren Listen aufgeführt werden, und von dem kleinen
Gebiet Shang-hae’s wird unser Erfolg nicht abhängen. — Aber im
menschlichen Gemüth und in menschlichen Beziehungen haben alle
Handlungen ihre Folgen. Die Franzosen verletzten ihr Wort und
brachen den Frieden zwischen uns. Wollen sie ferner in Shang-hae
bleiben und ihre Geschäfte treiben, nachdem sie vorher so unverständig
handelten, so mögen sie das thun. Wenn sie aber wieder zu uns kommen,
um zu handeln, oder in unsere Grenzen gelangen, so möchte wohl ich, so
weit ich damit zu thun bekomme, in Grossmuth davon abstehen, mit
ihnen über das Vergangene zu rechten; unsere Truppen und Officiere
aber, welche ihrer Täuschung verfallen sind, müssen voll Entrüstung
und Rachedurst sein, und ist zu fürchten, dass sie nicht mehr nach
ihrer Bequemlichkeit in unser Gebiet kommen dürfen. — Nach Su-tšau
gelangend hatte ich den Oberbefehl über tausend Officiere und mehr-
mal zehntausend Soldaten, ein tapferes Heer, voll Kraft, jeden Wider-
stand zu erdrücken, und von so gewaltiger Stärke wie die Berge.
Wollten wir wirklich Shang-hae angreifen, — welche Stadt hätten sie
denn nicht bezwungen? Welchen Platz haben sie denn nicht er-
stürmt? — Ich zog jedoch in Betracht, dass ihr und wir ge-
meinschaftlich Jesus anbeten, und dass schliesslich doch eine Ver-
wandtschaft gemeinsamer Grundlage und gemeinsamer Lehre zwischen
uns besteht. Ueberdies kam ich nach Shang-hae, einen Ver-
trag zu machen, um uns vereint zu sehen durch Handel und
Verkehr; nicht kam ich, mit euch zu kämpfen. Hätte ich begon-
nen die Stadt anzugreifen und die Leute zu tödten, so wäre das
gewesen, als wenn die Mitglieder einer Familie mit einander kämpf-
ten, und das hätte die Kobolde veranlasst, uns lächerlich zu machen.
— Ferner: unter den Fremden in Shang-hae müssen Verschiedenheiten
der Gemüthsart und Fähigkeiten sein; da müssen verständige Männer
sein, welche die Grundsätze des Rechten kennen und wohl begreifen,
was nützlich, was schädlich ist. Nicht alle können nach dem Gelde
der Kobolde geizen und die allgemeinen Handels-Interessen in diesem
Lande vergessen. — Deshalb will ich die Entrüstung dieses Tages für
jetzt unterdrücken und barmherzig einen Pfad öffnen, auf welchem
unser jetziges Verhältniss zu einander geändert werden kann. Ich
fürchte sehr, dass, wenn meine Soldaten Shang-hae nehmen, sie die
Guten und Bösen nicht werden unterscheiden können, in welchem

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[282/0304] Manifest des Tšun-waṅ. herrschten Gebietes umfasst die reichen Landstriche im Osten und Süden. Der Nationalschatz bietet hinreichende Mittel, um unsere Heere mit allen Bedürfnissen zu versehen. Später, wenn das ganze Angesicht des Landes unter unserer Herrschaft steht, wird jeder ein- zelne Theil in unseren Listen aufgeführt werden, und von dem kleinen Gebiet Shang-hae’s wird unser Erfolg nicht abhängen. — Aber im menschlichen Gemüth und in menschlichen Beziehungen haben alle Handlungen ihre Folgen. Die Franzosen verletzten ihr Wort und brachen den Frieden zwischen uns. Wollen sie ferner in Shang-hae bleiben und ihre Geschäfte treiben, nachdem sie vorher so unverständig handelten, so mögen sie das thun. Wenn sie aber wieder zu uns kommen, um zu handeln, oder in unsere Grenzen gelangen, so möchte wohl ich, so weit ich damit zu thun bekomme, in Grossmuth davon abstehen, mit ihnen über das Vergangene zu rechten; unsere Truppen und Officiere aber, welche ihrer Täuschung verfallen sind, müssen voll Entrüstung und Rachedurst sein, und ist zu fürchten, dass sie nicht mehr nach ihrer Bequemlichkeit in unser Gebiet kommen dürfen. — Nach Su-tšau gelangend hatte ich den Oberbefehl über tausend Officiere und mehr- mal zehntausend Soldaten, ein tapferes Heer, voll Kraft, jeden Wider- stand zu erdrücken, und von so gewaltiger Stärke wie die Berge. Wollten wir wirklich Shang-hae angreifen, — welche Stadt hätten sie denn nicht bezwungen? Welchen Platz haben sie denn nicht er- stürmt? — Ich zog jedoch in Betracht, dass ihr und wir ge- meinschaftlich Jesus anbeten, und dass schliesslich doch eine Ver- wandtschaft gemeinsamer Grundlage und gemeinsamer Lehre zwischen uns besteht. Ueberdies kam ich nach Shang-hae, einen Ver- trag zu machen, um uns vereint zu sehen durch Handel und Verkehr; nicht kam ich, mit euch zu kämpfen. Hätte ich begon- nen die Stadt anzugreifen und die Leute zu tödten, so wäre das gewesen, als wenn die Mitglieder einer Familie mit einander kämpf- ten, und das hätte die Kobolde veranlasst, uns lächerlich zu machen. — Ferner: unter den Fremden in Shang-hae müssen Verschiedenheiten der Gemüthsart und Fähigkeiten sein; da müssen verständige Männer sein, welche die Grundsätze des Rechten kennen und wohl begreifen, was nützlich, was schädlich ist. Nicht alle können nach dem Gelde der Kobolde geizen und die allgemeinen Handels-Interessen in diesem Lande vergessen. — Deshalb will ich die Entrüstung dieses Tages für jetzt unterdrücken und barmherzig einen Pfad öffnen, auf welchem unser jetziges Verhältniss zu einander geändert werden kann. Ich fürchte sehr, dass, wenn meine Soldaten Shang-hae nehmen, sie die Guten und Bösen nicht werden unterscheiden können, in welchem

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/304>, abgerufen am 02.05.2024.