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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Zögerungen.
morant und den Tender des englischen Flaggschiffes, Coromandel
über die Barre zu bringen, so dass nun sieben Fahrzeuge zum Ein-
laufen in die Flussmündung bereit lagen. Am 30. April kam eine
Meldung von Tau, General-Gouverneur der Provinz Tsi-li, dass
er selbst, der General-Director der Getreidespeicher Tsun-Luen,
und Wu, Unter-Staatssecretär im kaiserlichen Cabinet, angewiesen
seien, mit den fremden Gesandten in Ta-ku zu unterhandeln. Auf
die Frage nach ihren Vollmachten erhielt Lord Elgin zur Antwort,
dass dieselben sich auf Uebermittelung der Eröffnungen nach Pe-
kin
beschränkten. Die Botschafter glaubten nun ihre friedfertigen
Anträge erledigt. Am 1. Mai war die Frist abgelaufen und am
Morgen dieses Tages gingen von den Flaggschiffen Befehle aus,
welche unmittelbare Eröffnung der Operationen erwarten liessen.
Die Boote wurden zu Wasser gelassen, die Landungsgeschütze
darin aufgestellt, die Landungsmannschaften abgezählt und mit
Mundvorrath versehen, und die Erwartung war auf das höchste
gespannt, als am Nachmittag die Meldung kam, der Angriff sei auf
unbestimmte Zeit verschoben.

Nun folgte eine dreiwöchentliche Unthätigkeit, während
welcher Hunderte von Getreide-Dschunken in den Pei-ho liefen.
Das Abschneiden dieser Zufuhr war ein wesentliches Moment für
die Aussicht auf Erfolg; die Blockade der Flussmündung durfte aber
nicht erklärt werden, so lange die Admiräle sich nicht stark genug
glaubten, die Werke zu nehmen; denn die grössere Zahl der inner-
halb der Barre geankerten Kanonenboote konnte vor der nächsten
Springfluth nicht hinaus und musste beim Ausbruch von Feindselig-
keiten in die schlimmste Lage gerathen. Jeder Verzug kam den
Chinesen zu gut, welche emsig an Verstärkung der Werke arbei-
teten, die Flussufer auf eine Viertelmeile mit Batterieen säumten
und täglich schweres Geschütz in Position brachten. Politisch
wirkte aber das Zaudern noch schädlicher, denn es gab dem Auf-
treten der Botschafter den Anschein schwankender Unsicherheit.
Der Kaiser bestärkte sich im Wahn seiner Unüberwindlichkeit und
befahl damals dem neuen Vice-König von Kuan-tun, die Fremden
im Süden mit allen Mitteln zu befehden. Unter seiner Autorität
organisirte sich dort ein Comite der National-Vertheidigung, das in
Fa-yune bei Kan-ton tagte. Bewaffnete Banden lauerten vor der
Stadt jedem Fremden auf, und innerhalb hausten Meuchelmörder.
Der Commandant General Straubenzee fürchtete einmal ernstlich

Zögerungen.
morant und den Tender des englischen Flaggschiffes, Coromandel
über die Barre zu bringen, so dass nun sieben Fahrzeuge zum Ein-
laufen in die Flussmündung bereit lagen. Am 30. April kam eine
Meldung von Tau, General-Gouverneur der Provinz Tši-li, dass
er selbst, der General-Director der Getreidespeicher Tsuṅ-Luen,
und Wu, Unter-Staatssecretär im kaiserlichen Cabinet, angewiesen
seien, mit den fremden Gesandten in Ta-ku zu unterhandeln. Auf
die Frage nach ihren Vollmachten erhielt Lord Elgin zur Antwort,
dass dieselben sich auf Uebermittelung der Eröffnungen nach Pe-
kiṅ
beschränkten. Die Botschafter glaubten nun ihre friedfertigen
Anträge erledigt. Am 1. Mai war die Frist abgelaufen und am
Morgen dieses Tages gingen von den Flaggschiffen Befehle aus,
welche unmittelbare Eröffnung der Operationen erwarten liessen.
Die Boote wurden zu Wasser gelassen, die Landungsgeschütze
darin aufgestellt, die Landungsmannschaften abgezählt und mit
Mundvorrath versehen, und die Erwartung war auf das höchste
gespannt, als am Nachmittag die Meldung kam, der Angriff sei auf
unbestimmte Zeit verschoben.

Nun folgte eine dreiwöchentliche Unthätigkeit, während
welcher Hunderte von Getreide-Dschunken in den Pei-ho liefen.
Das Abschneiden dieser Zufuhr war ein wesentliches Moment für
die Aussicht auf Erfolg; die Blockade der Flussmündung durfte aber
nicht erklärt werden, so lange die Admiräle sich nicht stark genug
glaubten, die Werke zu nehmen; denn die grössere Zahl der inner-
halb der Barre geankerten Kanonenboote konnte vor der nächsten
Springfluth nicht hinaus und musste beim Ausbruch von Feindselig-
keiten in die schlimmste Lage gerathen. Jeder Verzug kam den
Chinesen zu gut, welche emsig an Verstärkung der Werke arbei-
teten, die Flussufer auf eine Viertelmeile mit Batterieen säumten
und täglich schweres Geschütz in Position brachten. Politisch
wirkte aber das Zaudern noch schädlicher, denn es gab dem Auf-
treten der Botschafter den Anschein schwankender Unsicherheit.
Der Kaiser bestärkte sich im Wahn seiner Unüberwindlichkeit und
befahl damals dem neuen Vice-König von Kuaṅ-tuṅ, die Fremden
im Süden mit allen Mitteln zu befehden. Unter seiner Autorität
organisirte sich dort ein Comité der National-Vertheidigung, das in
Fa-yune bei Kan-ton tagte. Bewaffnete Banden lauerten vor der
Stadt jedem Fremden auf, und innerhalb hausten Meuchelmörder.
Der Commandant General Straubenzee fürchtete einmal ernstlich

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[240/0262] Zögerungen. morant und den Tender des englischen Flaggschiffes, Coromandel über die Barre zu bringen, so dass nun sieben Fahrzeuge zum Ein- laufen in die Flussmündung bereit lagen. Am 30. April kam eine Meldung von Tau, General-Gouverneur der Provinz Tši-li, dass er selbst, der General-Director der Getreidespeicher Tsuṅ-Luen, und Wu, Unter-Staatssecretär im kaiserlichen Cabinet, angewiesen seien, mit den fremden Gesandten in Ta-ku zu unterhandeln. Auf die Frage nach ihren Vollmachten erhielt Lord Elgin zur Antwort, dass dieselben sich auf Uebermittelung der Eröffnungen nach Pe- kiṅ beschränkten. Die Botschafter glaubten nun ihre friedfertigen Anträge erledigt. Am 1. Mai war die Frist abgelaufen und am Morgen dieses Tages gingen von den Flaggschiffen Befehle aus, welche unmittelbare Eröffnung der Operationen erwarten liessen. Die Boote wurden zu Wasser gelassen, die Landungsgeschütze darin aufgestellt, die Landungsmannschaften abgezählt und mit Mundvorrath versehen, und die Erwartung war auf das höchste gespannt, als am Nachmittag die Meldung kam, der Angriff sei auf unbestimmte Zeit verschoben. Nun folgte eine dreiwöchentliche Unthätigkeit, während welcher Hunderte von Getreide-Dschunken in den Pei-ho liefen. Das Abschneiden dieser Zufuhr war ein wesentliches Moment für die Aussicht auf Erfolg; die Blockade der Flussmündung durfte aber nicht erklärt werden, so lange die Admiräle sich nicht stark genug glaubten, die Werke zu nehmen; denn die grössere Zahl der inner- halb der Barre geankerten Kanonenboote konnte vor der nächsten Springfluth nicht hinaus und musste beim Ausbruch von Feindselig- keiten in die schlimmste Lage gerathen. Jeder Verzug kam den Chinesen zu gut, welche emsig an Verstärkung der Werke arbei- teten, die Flussufer auf eine Viertelmeile mit Batterieen säumten und täglich schweres Geschütz in Position brachten. Politisch wirkte aber das Zaudern noch schädlicher, denn es gab dem Auf- treten der Botschafter den Anschein schwankender Unsicherheit. Der Kaiser bestärkte sich im Wahn seiner Unüberwindlichkeit und befahl damals dem neuen Vice-König von Kuaṅ-tuṅ, die Fremden im Süden mit allen Mitteln zu befehden. Unter seiner Autorität organisirte sich dort ein Comité der National-Vertheidigung, das in Fa-yune bei Kan-ton tagte. Bewaffnete Banden lauerten vor der Stadt jedem Fremden auf, und innerhalb hausten Meuchelmörder. Der Commandant General Straubenzee fürchtete einmal ernstlich

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/262>, abgerufen am 28.04.2024.