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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Einzug der Bevollmächtigten.
Dienste leistete, mit den Sturmleitern heran. Die Mauern wurden
auf dem linken Flügel von den Engländern und Franzosen noch
vor der festgesetzten Zeit und bald darauf auch auf dem rechten
Flügel ohne jeden Verlust erstiegen; denn die Besatzung floh in
dem Augenblick, da die Leitern angesetzt wurden. Die Truppen
drangen auf der fünfundzwanzig Fuss breiten Esplanade nach bei-
den Seiten vor, besetzten westlich Magazine-hill und warfen die
Chinesen, welche jenseit dieses Punctes einmal Stand hielten.
Nach Osten verbreiteten sie sich über die ganze Länge der Stadt-
mauer und stellten durch die Vorstadt eine Verbindung mit den
Schiffen her. Der rechte Flügel besetzte noch ein vor dem Nord-
thor gelegenes Aussenwerk, und die Stadt war genommen. -- Die
fünftausend Engländer hatten acht Todte und einundsiebzig Ver-
wundete, die neunhundert Franzosen zwei Todte und dreissig Ver-
wundete. In der Stadt richtete das siebenundzwanzigstündige Bombar-
dement arge Verwüstungen an; im dichten Gewühl der Flüchtenden
sollen viele Frauen und Kinder erdrückt worden sein. Nach dem
Urtheil kundiger Engländer hätte eine dreistündige Beschiessung den
militärischen Forderungen genügt.

1858.Am Neujahrstage 1858 ergriffen die Botschafter durch feier-
liche Procession nach Magazine-hill Besitz von der Stadt; die
Truppen hatten sich Hütten auf der Esplanade der Ringmauer
gebaut, welche Kan-ton völlig beherrscht. Die Bevölkerung
wurde unterdessen von den einheimischen Behörden regiert. Der
Gouverneur Pi-kwei und andere hohe Beamten richteten eine Ein-
gabe an Lord Elgin, in welcher sie gegen die Handlungsweise des
Vice-Königs, der sie niemals zu Rathe gezogen habe, Verwahrung
einlegten und sich bereit erklärten, in jedem von den Siegern vor-
geschriebenen Sinne nach Pe-kin zu berichten. -- Am 5. Januar
beschlossen die Botschafter, Yi verhaften zu lassen. Ein Detache-
ment versicherte sich zunächst des Gouverneurs Pi-kwei und des
Tartarengenerals. Yi fand man erst nach längerem Suchen im
Hause des zweiten Tartarencommandeurs, der sich selbst für den
Vice-König ausgab, während dieser durch eine Hinterthür ent-
wischen wollte. Er benahm sich trotzig und aufgeregt und mochte

daran gewöhnt haben; deshalb sind sie mit vierzig Jahren Greise. Sie trinken
wenig. Sprachen lernen sie leicht: einige, die wir die ganze Zeit (31/2 Jahre) bei uns
hatten, sprachen französisch, englisch, und verständigten sich leicht mit den
Sepoys."

Einzug der Bevollmächtigten.
Dienste leistete, mit den Sturmleitern heran. Die Mauern wurden
auf dem linken Flügel von den Engländern und Franzosen noch
vor der festgesetzten Zeit und bald darauf auch auf dem rechten
Flügel ohne jeden Verlust erstiegen; denn die Besatzung floh in
dem Augenblick, da die Leitern angesetzt wurden. Die Truppen
drangen auf der fünfundzwanzig Fuss breiten Esplanade nach bei-
den Seiten vor, besetzten westlich Magazine-hill und warfen die
Chinesen, welche jenseit dieses Punctes einmal Stand hielten.
Nach Osten verbreiteten sie sich über die ganze Länge der Stadt-
mauer und stellten durch die Vorstadt eine Verbindung mit den
Schiffen her. Der rechte Flügel besetzte noch ein vor dem Nord-
thor gelegenes Aussenwerk, und die Stadt war genommen. — Die
fünftausend Engländer hatten acht Todte und einundsiebzig Ver-
wundete, die neunhundert Franzosen zwei Todte und dreissig Ver-
wundete. In der Stadt richtete das siebenundzwanzigstündige Bombar-
dement arge Verwüstungen an; im dichten Gewühl der Flüchtenden
sollen viele Frauen und Kinder erdrückt worden sein. Nach dem
Urtheil kundiger Engländer hätte eine dreistündige Beschiessung den
militärischen Forderungen genügt.

1858.Am Neujahrstage 1858 ergriffen die Botschafter durch feier-
liche Procession nach Magazine-hill Besitz von der Stadt; die
Truppen hatten sich Hütten auf der Esplanade der Ringmauer
gebaut, welche Kan-ton völlig beherrscht. Die Bevölkerung
wurde unterdessen von den einheimischen Behörden regiert. Der
Gouverneur Pi-kwei und andere hohe Beamten richteten eine Ein-
gabe an Lord Elgin, in welcher sie gegen die Handlungsweise des
Vice-Königs, der sie niemals zu Rathe gezogen habe, Verwahrung
einlegten und sich bereit erklärten, in jedem von den Siegern vor-
geschriebenen Sinne nach Pe-kiṅ zu berichten. — Am 5. Januar
beschlossen die Botschafter, Yi verhaften zu lassen. Ein Detache-
ment versicherte sich zunächst des Gouverneurs Pi-kwei und des
Tartarengenerals. Yi fand man erst nach längerem Suchen im
Hause des zweiten Tartarencommandeurs, der sich selbst für den
Vice-König ausgab, während dieser durch eine Hinterthür ent-
wischen wollte. Er benahm sich trotzig und aufgeregt und mochte

daran gewöhnt haben; deshalb sind sie mit vierzig Jahren Greise. Sie trinken
wenig. Sprachen lernen sie leicht: einige, die wir die ganze Zeit (3½ Jahre) bei uns
hatten, sprachen französisch, englisch, und verständigten sich leicht mit den
Sepoys.«
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[234/0256] Einzug der Bevollmächtigten. Dienste leistete, mit den Sturmleitern heran. Die Mauern wurden auf dem linken Flügel von den Engländern und Franzosen noch vor der festgesetzten Zeit und bald darauf auch auf dem rechten Flügel ohne jeden Verlust erstiegen; denn die Besatzung floh in dem Augenblick, da die Leitern angesetzt wurden. Die Truppen drangen auf der fünfundzwanzig Fuss breiten Esplanade nach bei- den Seiten vor, besetzten westlich Magazine-hill und warfen die Chinesen, welche jenseit dieses Punctes einmal Stand hielten. Nach Osten verbreiteten sie sich über die ganze Länge der Stadt- mauer und stellten durch die Vorstadt eine Verbindung mit den Schiffen her. Der rechte Flügel besetzte noch ein vor dem Nord- thor gelegenes Aussenwerk, und die Stadt war genommen. — Die fünftausend Engländer hatten acht Todte und einundsiebzig Ver- wundete, die neunhundert Franzosen zwei Todte und dreissig Ver- wundete. In der Stadt richtete das siebenundzwanzigstündige Bombar- dement arge Verwüstungen an; im dichten Gewühl der Flüchtenden sollen viele Frauen und Kinder erdrückt worden sein. Nach dem Urtheil kundiger Engländer hätte eine dreistündige Beschiessung den militärischen Forderungen genügt. Am Neujahrstage 1858 ergriffen die Botschafter durch feier- liche Procession nach Magazine-hill Besitz von der Stadt; die Truppen hatten sich Hütten auf der Esplanade der Ringmauer gebaut, welche Kan-ton völlig beherrscht. Die Bevölkerung wurde unterdessen von den einheimischen Behörden regiert. Der Gouverneur Pi-kwei und andere hohe Beamten richteten eine Ein- gabe an Lord Elgin, in welcher sie gegen die Handlungsweise des Vice-Königs, der sie niemals zu Rathe gezogen habe, Verwahrung einlegten und sich bereit erklärten, in jedem von den Siegern vor- geschriebenen Sinne nach Pe-kiṅ zu berichten. — Am 5. Januar beschlossen die Botschafter, Yi verhaften zu lassen. Ein Detache- ment versicherte sich zunächst des Gouverneurs Pi-kwei und des Tartarengenerals. Yi fand man erst nach längerem Suchen im Hause des zweiten Tartarencommandeurs, der sich selbst für den Vice-König ausgab, während dieser durch eine Hinterthür ent- wischen wollte. Er benahm sich trotzig und aufgeregt und mochte 98) 1858. 98) daran gewöhnt haben; deshalb sind sie mit vierzig Jahren Greise. Sie trinken wenig. Sprachen lernen sie leicht: einige, die wir die ganze Zeit (3½ Jahre) bei uns hatten, sprachen französisch, englisch, und verständigten sich leicht mit den Sepoys.«

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/256>, abgerufen am 27.04.2024.