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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Banket beim Tien-wan.
gnädige Rücksicht zu nehmen und ihnen etwas Ruhe von der Ar-
beit zu gönnen, indem du ihnen eine getrennte Wohnung zum
Wohnen und Ausruhen anwiesest. Deshalb kannst du doch ver-
langen, dass sie dir Morgens und Abends ihre Aufwartung machen.
Solche Behandlung wäre billig. Und wenn doch eine der Damen
durch ein kleines Versehen den Zorn meines Herrn erregen sollte,
so wäre wohl rathsam, sie deshalb nicht gleich mit dem Bambus
schlagen zu lassen. Du kannst sie ja tüchtig ausschelten und
warnen, dass sie künftig achtsamer sein sollen. Sollte eine ein
arges Verbrechen begehen, so musst du bis nach ihrer Entbindung
warten und sie dann erst bestrafen." -- Hun-siu-tsuen erzählte
dann noch von seinen eigenen Visionen und der Ost-König schied.
Er fragte seine Begleiter, ob er recht gehandelt habe und ermahnte
sie auf ihre Bejahung, ihren Vorgesetzten, besonders ihm selbst,
ebenfalls alle Fehler vorzuhalten.

Zwei Tage darauf entbot Yan den Nord-König und den
"Markgrafen Tin-tien" zu sich und theilte ihnen seine nach reif-
licher Ueberlegung gewonnene Ansicht mit, dass der vom himm-
lischen Vater dem Tien-wan ertheilte Verweis eigentlich auf sie
alle Anwendung finde. Er wolle sich nun mit ihnen zu Hofe be-
geben und durch Darstellung der Sache in diesem Lichte den
Herrscher beruhigen. In dessen Palast angelangt, werden sie aus
besonderer Gnade zu einem Banket eingeladen. Vor und bei der
Mahlzeit spricht der Ost-König wieder zum Tien-wan in längerer
Rede, sucht dessen Kummer zu beschwichtigen, wiederholt seine
Rathschläge wegen Behandlung der Frauen und Erziehung des
Thronerben, und berührt unter anderem das Wesen des Drachen,
welcher seit alter Zeit ein Wappen-Emblem der chinesischen Kai-
ser ist und von Vielen als ein Geist gedacht wird. Der Ost-Fürst
sagt, nach den früheren Vorschriften des Tien-wan seien alle
Drachen für Teufel zu halten; das National-Emblem müsse aber
wohl ausgenommen werden. Hun-siu-tsuen erwiedert, er habe
einst beim Herabsteigen des himmlischen älteren Bruders, -- d. h.
bei einer Verzückung des West-Königs, -- gefragt, ob der Drachen
ein Teufel sei, und eine verneinende Antwort erhalten. Ferner: bei sei-
nem Besuche im Himmel habe er dort einen goldenen Drachen gesehen,
und auf dem Marsche durch Han-yan von einem Drachen geträumt,
der ihm seine Ehrfurcht bezeigte. Aus diesen Gründen beschliesst er,
dass der Drachen kein Teufel, sondern auch in Zukunft das Emblem

Banket beim Tien-waṅ.
gnädige Rücksicht zu nehmen und ihnen etwas Ruhe von der Ar-
beit zu gönnen, indem du ihnen eine getrennte Wohnung zum
Wohnen und Ausruhen anwiesest. Deshalb kannst du doch ver-
langen, dass sie dir Morgens und Abends ihre Aufwartung machen.
Solche Behandlung wäre billig. Und wenn doch eine der Damen
durch ein kleines Versehen den Zorn meines Herrn erregen sollte,
so wäre wohl rathsam, sie deshalb nicht gleich mit dem Bambus
schlagen zu lassen. Du kannst sie ja tüchtig ausschelten und
warnen, dass sie künftig achtsamer sein sollen. Sollte eine ein
arges Verbrechen begehen, so musst du bis nach ihrer Entbindung
warten und sie dann erst bestrafen.« — Huṅ-siu-tsuen erzählte
dann noch von seinen eigenen Visionen und der Ost-König schied.
Er fragte seine Begleiter, ob er recht gehandelt habe und ermahnte
sie auf ihre Bejahung, ihren Vorgesetzten, besonders ihm selbst,
ebenfalls alle Fehler vorzuhalten.

Zwei Tage darauf entbot Yaṅ den Nord-König und den
»Markgrafen Tiṅ-tien« zu sich und theilte ihnen seine nach reif-
licher Ueberlegung gewonnene Ansicht mit, dass der vom himm-
lischen Vater dem Tien-waṅ ertheilte Verweis eigentlich auf sie
alle Anwendung finde. Er wolle sich nun mit ihnen zu Hofe be-
geben und durch Darstellung der Sache in diesem Lichte den
Herrscher beruhigen. In dessen Palast angelangt, werden sie aus
besonderer Gnade zu einem Banket eingeladen. Vor und bei der
Mahlzeit spricht der Ost-König wieder zum Tien-waṅ in längerer
Rede, sucht dessen Kummer zu beschwichtigen, wiederholt seine
Rathschläge wegen Behandlung der Frauen und Erziehung des
Thronerben, und berührt unter anderem das Wesen des Drachen,
welcher seit alter Zeit ein Wappen-Emblem der chinesischen Kai-
ser ist und von Vielen als ein Geist gedacht wird. Der Ost-Fürst
sagt, nach den früheren Vorschriften des Tien-waṅ seien alle
Drachen für Teufel zu halten; das National-Emblem müsse aber
wohl ausgenommen werden. Huṅ-siu-tsuen erwiedert, er habe
einst beim Herabsteigen des himmlischen älteren Bruders, — d. h.
bei einer Verzückung des West-Königs, — gefragt, ob der Drachen
ein Teufel sei, und eine verneinende Antwort erhalten. Ferner: bei sei-
nem Besuche im Himmel habe er dort einen goldenen Drachen gesehen,
und auf dem Marsche durch Han-yaṅ von einem Drachen geträumt,
der ihm seine Ehrfurcht bezeigte. Aus diesen Gründen beschliesst er,
dass der Drachen kein Teufel, sondern auch in Zukunft das Emblem

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[208/0230] Banket beim Tien-waṅ. gnädige Rücksicht zu nehmen und ihnen etwas Ruhe von der Ar- beit zu gönnen, indem du ihnen eine getrennte Wohnung zum Wohnen und Ausruhen anwiesest. Deshalb kannst du doch ver- langen, dass sie dir Morgens und Abends ihre Aufwartung machen. Solche Behandlung wäre billig. Und wenn doch eine der Damen durch ein kleines Versehen den Zorn meines Herrn erregen sollte, so wäre wohl rathsam, sie deshalb nicht gleich mit dem Bambus schlagen zu lassen. Du kannst sie ja tüchtig ausschelten und warnen, dass sie künftig achtsamer sein sollen. Sollte eine ein arges Verbrechen begehen, so musst du bis nach ihrer Entbindung warten und sie dann erst bestrafen.« — Huṅ-siu-tsuen erzählte dann noch von seinen eigenen Visionen und der Ost-König schied. Er fragte seine Begleiter, ob er recht gehandelt habe und ermahnte sie auf ihre Bejahung, ihren Vorgesetzten, besonders ihm selbst, ebenfalls alle Fehler vorzuhalten. Zwei Tage darauf entbot Yaṅ den Nord-König und den »Markgrafen Tiṅ-tien« zu sich und theilte ihnen seine nach reif- licher Ueberlegung gewonnene Ansicht mit, dass der vom himm- lischen Vater dem Tien-waṅ ertheilte Verweis eigentlich auf sie alle Anwendung finde. Er wolle sich nun mit ihnen zu Hofe be- geben und durch Darstellung der Sache in diesem Lichte den Herrscher beruhigen. In dessen Palast angelangt, werden sie aus besonderer Gnade zu einem Banket eingeladen. Vor und bei der Mahlzeit spricht der Ost-König wieder zum Tien-waṅ in längerer Rede, sucht dessen Kummer zu beschwichtigen, wiederholt seine Rathschläge wegen Behandlung der Frauen und Erziehung des Thronerben, und berührt unter anderem das Wesen des Drachen, welcher seit alter Zeit ein Wappen-Emblem der chinesischen Kai- ser ist und von Vielen als ein Geist gedacht wird. Der Ost-Fürst sagt, nach den früheren Vorschriften des Tien-waṅ seien alle Drachen für Teufel zu halten; das National-Emblem müsse aber wohl ausgenommen werden. Huṅ-siu-tsuen erwiedert, er habe einst beim Herabsteigen des himmlischen älteren Bruders, — d. h. bei einer Verzückung des West-Königs, — gefragt, ob der Drachen ein Teufel sei, und eine verneinende Antwort erhalten. Ferner: bei sei- nem Besuche im Himmel habe er dort einen goldenen Drachen gesehen, und auf dem Marsche durch Han-yaṅ von einem Drachen geträumt, der ihm seine Ehrfurcht bezeigte. Aus diesen Gründen beschliesst er, dass der Drachen kein Teufel, sondern auch in Zukunft das Emblem

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/230>, abgerufen am 28.11.2024.