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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Zustände in Tsu-san und Kan-ton.
fest. Emissäre des Statthalters, die sich einschlichen, wurden ver-
haftet, nach Kan-ton transportirt und an Ki-yin ausgeliefert, der
ferneren Versuchen ein Ziel setzte. Die Tsusaniten lebten sich in
den Glauben ein, dass England die Inseln behalten wolle, und
dieser Wahn konnte schwerlich so feste Wurzel schlagen, wenn
er nicht anfangs genährt wurde. Als nun der Termin der
Räumung herankam, fürchtete Davis mit Recht, dass sie ihr gutes
Betragen büssen würden. Auf sein Ersuchen richtete Ki-yin einen
öffentlichen Erlass an die Bevölkerung, welcher strenge Aufrecht-
haltung der Amnestie und volle Sicherheit nach der Einschiffung
der Engländer gelobte. Jeder, der wollte, erhielt einen Pass in eng-
lischer und chinesischer Sprache, worin dem Inhaber unter Berufung
auf den Friedensvertrag und jene Proclamation der Schutz der Be-
hörden gesichert wurde. Wie unwirksam solche Maassregel bleiben
musste, ist leicht zu erkennen. Selbst wenn die Bedrängten gegen
die Wortbrüchigkeit und Willkür fanatischer Mandarinen den Consul
anrufen konnten, so war damit noch wenig erreicht; aber die Eng-
länder hatten kein anderes Mittel ihre Freunde zu schützen.

In den anderen Häfen gestaltete sich das Verhältniss zur ein-
heimischen Bevölkerung fast eben so günstig wie auf Tsu-san; nur
in Kan-ton gab es Streit beim geringsten Anlass. Die Wetter-
fahne auf dem Flaggenmast des americanischen Consulats zeigte,
der herrschenden Windrichtung gemäss, die meiste Zeit auf eine
zufällig von Krankheiten heimgesuchte Gasse. Das musste ein Zauber
sein, der das Uebel erzeugte. Der Pöbel rottete sich zusammen
und suchte das Consulat zu stürmen, wurde aber vertrieben. -- Bald
darauf erschien ein beschimpfender Maueranschlag gegen die Eng-
länder, die sich zum Neubau der Factoreien anschickten: Die neuen
Gebäude würden wieder in Flammen aufgehen und "kein Frieden
erflehender Präfect" sollte die Engländer vor der Rache der mäch-
tigen Patrioten schützen. Es war eine beständige Gährung, welcher
die in Kan-ton geleisteten Theilzahlungen der Kriegsentschädigung
periodisch neuen Stoff zuführten. Die Furcht vor Collisionen mag
die kantonesischen Behörden 1845 veranlasst haben, in offenem1845.
Widerspruch zu den Bestimmungen der Verträge die Ausflüge der
Fremden wieder in die alten Grenzen einzuengen. Die Ausübung
des Rechts, die Stadt Kan-ton zu betreten, urgirte Davis wegen
der dort herrschenden Aufregung eine Reihe von Jahren nicht; er
bestand jedoch auf einer öffentlichen Bekanntmachung der Behörden,

III. 10

Zustände in Tšu-san und Kan-ton.
fest. Emissäre des Statthalters, die sich einschlichen, wurden ver-
haftet, nach Kan-ton transportirt und an Ki-yiṅ ausgeliefert, der
ferneren Versuchen ein Ziel setzte. Die Tšusaniten lebten sich in
den Glauben ein, dass England die Inseln behalten wolle, und
dieser Wahn konnte schwerlich so feste Wurzel schlagen, wenn
er nicht anfangs genährt wurde. Als nun der Termin der
Räumung herankam, fürchtete Davis mit Recht, dass sie ihr gutes
Betragen büssen würden. Auf sein Ersuchen richtete Ki-yiṅ einen
öffentlichen Erlass an die Bevölkerung, welcher strenge Aufrecht-
haltung der Amnestie und volle Sicherheit nach der Einschiffung
der Engländer gelobte. Jeder, der wollte, erhielt einen Pass in eng-
lischer und chinesischer Sprache, worin dem Inhaber unter Berufung
auf den Friedensvertrag und jene Proclamation der Schutz der Be-
hörden gesichert wurde. Wie unwirksam solche Maassregel bleiben
musste, ist leicht zu erkennen. Selbst wenn die Bedrängten gegen
die Wortbrüchigkeit und Willkür fanatischer Mandarinen den Consul
anrufen konnten, so war damit noch wenig erreicht; aber die Eng-
länder hatten kein anderes Mittel ihre Freunde zu schützen.

In den anderen Häfen gestaltete sich das Verhältniss zur ein-
heimischen Bevölkerung fast eben so günstig wie auf Tšu-san; nur
in Kan-ton gab es Streit beim geringsten Anlass. Die Wetter-
fahne auf dem Flaggenmast des americanischen Consulats zeigte,
der herrschenden Windrichtung gemäss, die meiste Zeit auf eine
zufällig von Krankheiten heimgesuchte Gasse. Das musste ein Zauber
sein, der das Uebel erzeugte. Der Pöbel rottete sich zusammen
und suchte das Consulat zu stürmen, wurde aber vertrieben. — Bald
darauf erschien ein beschimpfender Maueranschlag gegen die Eng-
länder, die sich zum Neubau der Factoreien anschickten: Die neuen
Gebäude würden wieder in Flammen aufgehen und »kein Frieden
erflehender Präfect« sollte die Engländer vor der Rache der mäch-
tigen Patrioten schützen. Es war eine beständige Gährung, welcher
die in Kan-ton geleisteten Theilzahlungen der Kriegsentschädigung
periodisch neuen Stoff zuführten. Die Furcht vor Collisionen mag
die kantonesischen Behörden 1845 veranlasst haben, in offenem1845.
Widerspruch zu den Bestimmungen der Verträge die Ausflüge der
Fremden wieder in die alten Grenzen einzuengen. Die Ausübung
des Rechts, die Stadt Kan-ton zu betreten, urgirte Davis wegen
der dort herrschenden Aufregung eine Reihe von Jahren nicht; er
bestand jedoch auf einer öffentlichen Bekanntmachung der Behörden,

III. 10
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[145/0167] Zustände in Tšu-san und Kan-ton. fest. Emissäre des Statthalters, die sich einschlichen, wurden ver- haftet, nach Kan-ton transportirt und an Ki-yiṅ ausgeliefert, der ferneren Versuchen ein Ziel setzte. Die Tšusaniten lebten sich in den Glauben ein, dass England die Inseln behalten wolle, und dieser Wahn konnte schwerlich so feste Wurzel schlagen, wenn er nicht anfangs genährt wurde. Als nun der Termin der Räumung herankam, fürchtete Davis mit Recht, dass sie ihr gutes Betragen büssen würden. Auf sein Ersuchen richtete Ki-yiṅ einen öffentlichen Erlass an die Bevölkerung, welcher strenge Aufrecht- haltung der Amnestie und volle Sicherheit nach der Einschiffung der Engländer gelobte. Jeder, der wollte, erhielt einen Pass in eng- lischer und chinesischer Sprache, worin dem Inhaber unter Berufung auf den Friedensvertrag und jene Proclamation der Schutz der Be- hörden gesichert wurde. Wie unwirksam solche Maassregel bleiben musste, ist leicht zu erkennen. Selbst wenn die Bedrängten gegen die Wortbrüchigkeit und Willkür fanatischer Mandarinen den Consul anrufen konnten, so war damit noch wenig erreicht; aber die Eng- länder hatten kein anderes Mittel ihre Freunde zu schützen. In den anderen Häfen gestaltete sich das Verhältniss zur ein- heimischen Bevölkerung fast eben so günstig wie auf Tšu-san; nur in Kan-ton gab es Streit beim geringsten Anlass. Die Wetter- fahne auf dem Flaggenmast des americanischen Consulats zeigte, der herrschenden Windrichtung gemäss, die meiste Zeit auf eine zufällig von Krankheiten heimgesuchte Gasse. Das musste ein Zauber sein, der das Uebel erzeugte. Der Pöbel rottete sich zusammen und suchte das Consulat zu stürmen, wurde aber vertrieben. — Bald darauf erschien ein beschimpfender Maueranschlag gegen die Eng- länder, die sich zum Neubau der Factoreien anschickten: Die neuen Gebäude würden wieder in Flammen aufgehen und »kein Frieden erflehender Präfect« sollte die Engländer vor der Rache der mäch- tigen Patrioten schützen. Es war eine beständige Gährung, welcher die in Kan-ton geleisteten Theilzahlungen der Kriegsentschädigung periodisch neuen Stoff zuführten. Die Furcht vor Collisionen mag die kantonesischen Behörden 1845 veranlasst haben, in offenem Widerspruch zu den Bestimmungen der Verträge die Ausflüge der Fremden wieder in die alten Grenzen einzuengen. Die Ausübung des Rechts, die Stadt Kan-ton zu betreten, urgirte Davis wegen der dort herrschenden Aufregung eine Reihe von Jahren nicht; er bestand jedoch auf einer öffentlichen Bekanntmachung der Behörden, 1845. III. 10

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/167>, abgerufen am 09.11.2024.