[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.Die Engländer auf Tsu-san. zahlte. Ku-lan-su ward schon 1844 geräumt,63) da der englischenRegierung die kostspielige Erhaltung einer Garnison auf dem un- 1846.gesunden Platze zwecklos schien. Zu Anfang des Jahres 1846 zahlte China die letzte Rate der bedungenen einundzwanzig Millionen und erlangte dadurch ein Recht auf Herausgabe von Tsu-san. Die ein- heimische Bevölkerung sah ungern die Engländer scheiden, unter deren Schutz sie ungeschoren von habgierigen Mandarinen in patriarchalischer Glückseligkeit lebte. Die ackerbauenden Bewohner zahlten keine Steuern, Handwerker und Kaufleute fanden Beschäf- tigung und reichen Gewinn; statt der früheren Kupfermünzen diente jetzt Silber als allgemeines Tauschmittel. Nur die conservative Classe der Studirten grollte den Fremden. Die kaiserlichen Behör- den strebten nach dem Friedensschluss eifrig, ihre Autorität über die einheimischen Unterthanen wiederzugewinnen; aber die Englän- der hatten bei der ersten Occupation zu üble Erfahrungen gemacht, um Mandarinen auf der Insel zu dulden. Selbst Ki-yin unterstützte die Vorstellungen des Statthalters von Fu-kian,64) der einen Noth- schrei über Bedrückung der Tsusaniten erhob. Davis blieb jedoch 63) Sir John Davis meldete damals Ki-yin den Beschluss der englischen Regie- rung, Ku-lan-su zu räumen, mit der Bemerkung, dass der Kaiser darin ein Zeichen des Vertrauens sehen möge, und erhielt zu seinem Erstaunen folgende Ant- wort: "Der ehrenwerthe Gesandte theilt meine Ansichten von der genauen Einhaltung des Vertrages. Ich denke deshalb auch, dass die Garnison von Ku-lan-su zu- gleich mit denjenigen von Tsu-san zurückgezogen werden sollte, sobald mit der Rate des dritten Jahres die ganze Summe bezahlt ist. Die gute Absicht des ehren- werthen Gesandten bei dem Vorschlage, Ku-lan-su zu räumen, ist unverkenn- bar; da es aber im Widerspruche steht mit der im Vertrage festgesetzten Anzahl von Jahren, so wäre es wohl besser bis zur gänzlichen Tilgung der Kriegsschuld zu warten und dann Ku-lan-su zugleich mit Tsu-san zu räumen. Dadurch würde bewiesen, dass unsere Nationen auch nicht ein Haarbreit von Erfüllung des Vertrages abweichen wollen." Die Räumung von Ku-lan-su hatte, so lange Tsu-san besezt blieb, für China nicht den geringsten Werth, und Ki-yin mochte denken "Timeo Danaos." 64) Ki-yin schrieb an Davis: "Die Absicht des englischen Commandeurs ist
gewiss, für das Beste des Volkes zu sorgen; aber seine Maassregeln sind so geartet, dass sie unmöglich ausgeführt werden können. Ist man trotzdem darauf bedacht, so werden übelwollende Menschen, welche Feindschaft zwischen beiden Nationen zu säen wünschen, Zwietracht erregen, in der Hoffnung davon Vortheil zu ziehen. Gesetzt, ein Aufstand würde heraufbeschworen, so fürchtet der General-Gouverneur (von Fu-kian), dass der Commandeur in Tsu-san dem Bevollmächtigten nicht für die Folgen stehen könnte; er fürchtet noch mehr, dass auf die Nachricht davon das Volk in den verschiedenen Provinzen in seinen Vorurtheilen bekräftigt und der künftige Handelsverkehr stark beeinträchtigt werde." Die Engländer auf Tšu-san. zahlte. Ku-laṅ-su ward schon 1844 geräumt,63) da der englischenRegierung die kostspielige Erhaltung einer Garnison auf dem un- 1846.gesunden Platze zwecklos schien. Zu Anfang des Jahres 1846 zahlte China die letzte Rate der bedungenen einundzwanzig Millionen und erlangte dadurch ein Recht auf Herausgabe von Tšu-san. Die ein- heimische Bevölkerung sah ungern die Engländer scheiden, unter deren Schutz sie ungeschoren von habgierigen Mandarinen in patriarchalischer Glückseligkeit lebte. Die ackerbauenden Bewohner zahlten keine Steuern, Handwerker und Kaufleute fanden Beschäf- tigung und reichen Gewinn; statt der früheren Kupfermünzen diente jetzt Silber als allgemeines Tauschmittel. Nur die conservative Classe der Studirten grollte den Fremden. Die kaiserlichen Behör- den strebten nach dem Friedensschluss eifrig, ihre Autorität über die einheimischen Unterthanen wiederzugewinnen; aber die Englän- der hatten bei der ersten Occupation zu üble Erfahrungen gemacht, um Mandarinen auf der Insel zu dulden. Selbst Ki-yiṅ unterstützte die Vorstellungen des Statthalters von Fu-kian,64) der einen Noth- schrei über Bedrückung der Tšusaniten erhob. Davis blieb jedoch 63) Sir John Davis meldete damals Ki-yiṅ den Beschluss der englischen Regie- rung, Ku-laṅ-su zu räumen, mit der Bemerkung, dass der Kaiser darin ein Zeichen des Vertrauens sehen möge, und erhielt zu seinem Erstaunen folgende Ant- wort: »Der ehrenwerthe Gesandte theilt meine Ansichten von der genauen Einhaltung des Vertrages. Ich denke deshalb auch, dass die Garnison von Ku-laṅ-su zu- gleich mit denjenigen von Tšu-san zurückgezogen werden sollte, sobald mit der Rate des dritten Jahres die ganze Summe bezahlt ist. Die gute Absicht des ehren- werthen Gesandten bei dem Vorschlage, Ku-laṅ-su zu räumen, ist unverkenn- bar; da es aber im Widerspruche steht mit der im Vertrage festgesetzten Anzahl von Jahren, so wäre es wohl besser bis zur gänzlichen Tilgung der Kriegsschuld zu warten und dann Ku-laṅ-su zugleich mit Tšu-san zu räumen. Dadurch würde bewiesen, dass unsere Nationen auch nicht ein Haarbreit von Erfüllung des Vertrages abweichen wollen.« Die Räumung von Ku-laṅ-su hatte, so lange Tšu-san besezt blieb, für China nicht den geringsten Werth, und Ki-yiṅ mochte denken »Timeo Danaos.« 64) Ki-yiṅ schrieb an Davis: »Die Absicht des englischen Commandeurs ist
gewiss, für das Beste des Volkes zu sorgen; aber seine Maassregeln sind so geartet, dass sie unmöglich ausgeführt werden können. Ist man trotzdem darauf bedacht, so werden übelwollende Menschen, welche Feindschaft zwischen beiden Nationen zu säen wünschen, Zwietracht erregen, in der Hoffnung davon Vortheil zu ziehen. Gesetzt, ein Aufstand würde heraufbeschworen, so fürchtet der General-Gouverneur (von Fu-kian), dass der Commandeur in Tšu-san dem Bevollmächtigten nicht für die Folgen stehen könnte; er fürchtet noch mehr, dass auf die Nachricht davon das Volk in den verschiedenen Provinzen in seinen Vorurtheilen bekräftigt und der künftige Handelsverkehr stark beeinträchtigt werde.« <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0166" n="144"/><fw place="top" type="header">Die Engländer auf <hi rendition="#k"><placeName>Tšu-san</placeName></hi>.</fw><lb/> zahlte. <hi rendition="#k"><placeName>Ku-laṅ-su</placeName></hi> ward schon 1844 geräumt,<note place="foot" n="63)">Sir <persName ref="http://d-nb.info/gnd/121769232">John Davis</persName> meldete damals <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/no89006795">Ki-yiṅ</persName></hi> den Beschluss der englischen Regie-<lb/> rung, <hi rendition="#k"><placeName>Ku-laṅ-su</placeName></hi> zu räumen, mit der Bemerkung, dass der Kaiser darin ein<lb/> Zeichen des Vertrauens sehen möge, und erhielt zu seinem Erstaunen folgende Ant-<lb/> wort: »Der ehrenwerthe Gesandte theilt meine Ansichten von der genauen Einhaltung<lb/> des Vertrages. 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Regierung die kostspielige Erhaltung einer Garnison auf dem un-
gesunden Platze zwecklos schien. Zu Anfang des Jahres 1846 zahlte
China die letzte Rate der bedungenen einundzwanzig Millionen und
erlangte dadurch ein Recht auf Herausgabe von Tšu-san. Die ein-
heimische Bevölkerung sah ungern die Engländer scheiden, unter
deren Schutz sie ungeschoren von habgierigen Mandarinen in
patriarchalischer Glückseligkeit lebte. Die ackerbauenden Bewohner
zahlten keine Steuern, Handwerker und Kaufleute fanden Beschäf-
tigung und reichen Gewinn; statt der früheren Kupfermünzen diente
jetzt Silber als allgemeines Tauschmittel. Nur die conservative
Classe der Studirten grollte den Fremden. Die kaiserlichen Behör-
den strebten nach dem Friedensschluss eifrig, ihre Autorität über
die einheimischen Unterthanen wiederzugewinnen; aber die Englän-
der hatten bei der ersten Occupation zu üble Erfahrungen gemacht,
um Mandarinen auf der Insel zu dulden. Selbst Ki-yiṅ unterstützte
die Vorstellungen des Statthalters von Fu-kian, 64) der einen Noth-
schrei über Bedrückung der Tšusaniten erhob. Davis blieb jedoch
1846.
63) Sir John Davis meldete damals Ki-yiṅ den Beschluss der englischen Regie-
rung, Ku-laṅ-su zu räumen, mit der Bemerkung, dass der Kaiser darin ein
Zeichen des Vertrauens sehen möge, und erhielt zu seinem Erstaunen folgende Ant-
wort: »Der ehrenwerthe Gesandte theilt meine Ansichten von der genauen Einhaltung
des Vertrages. Ich denke deshalb auch, dass die Garnison von Ku-laṅ-su zu-
gleich mit denjenigen von Tšu-san zurückgezogen werden sollte, sobald mit der
Rate des dritten Jahres die ganze Summe bezahlt ist. Die gute Absicht des ehren-
werthen Gesandten bei dem Vorschlage, Ku-laṅ-su zu räumen, ist unverkenn-
bar; da es aber im Widerspruche steht mit der im Vertrage festgesetzten Anzahl
von Jahren, so wäre es wohl besser bis zur gänzlichen Tilgung der Kriegsschuld zu
warten und dann Ku-laṅ-su zugleich mit Tšu-san zu räumen. Dadurch würde
bewiesen, dass unsere Nationen auch nicht ein Haarbreit von Erfüllung des Vertrages
abweichen wollen.« Die Räumung von Ku-laṅ-su hatte, so lange Tšu-san besezt
blieb, für China nicht den geringsten Werth, und Ki-yiṅ mochte denken »Timeo
Danaos.«
64) Ki-yiṅ schrieb an Davis: »Die Absicht des englischen Commandeurs ist
gewiss, für das Beste des Volkes zu sorgen; aber seine Maassregeln sind so geartet,
dass sie unmöglich ausgeführt werden können. Ist man trotzdem darauf bedacht, so
werden übelwollende Menschen, welche Feindschaft zwischen beiden Nationen zu
säen wünschen, Zwietracht erregen, in der Hoffnung davon Vortheil zu ziehen. Gesetzt,
ein Aufstand würde heraufbeschworen, so fürchtet der General-Gouverneur (von
Fu-kian), dass der Commandeur in Tšu-san dem Bevollmächtigten nicht für die
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