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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Ausführung der Verträge.
neu geöffneten Häfen ansiedelten, gehörten nicht alle zur ehren-
haften Classe der Kaufleute. Viele machten ein Gewerbe daraus,
sich beschimpfen oder schädigen zu lassen, um dann eine grosse
Kostenrechnung "für erlittenes Ungemach" oder "vereitelte Aussichten
auf Handelsgewinn" aufzustellen. Solches Mühen fand bei Davis
wenig Förderung.

Ki-yin hielt sich ängstlich an den Wortlaut der Verträge,
was zu sonderbaren Irrungen führte. So kam 1846 ein englischer
Handelsdampfer nach Kan-ton; der Zolldirector verweigerte
aber die Erlaubniss zum Laden, "weil Dampfer im Vertrage nicht
als Handelsschiffe genannt seien". Ki-yin schloss sich dieser Auf-
fassung an und wies auf die Gefahr hin, welche die Frequenz der
Dampfer im belebten Strome verursachen müsse; es kostete einen
langen Schriftwechsel, ihn über den Irrthum aufzuklären. Bei
dieser Gelegenheit kam auch das Recht der Kriegsschiffe zur
Sprache, alle chinesischen Häfen anzulaufen. -- Ziemlich fruchtlos
waren die Bestrebungen der Engländer, die Ausführung der im
Frieden von Nan-kin versprochenen Amnestie durchzusetzen. Der
Kaiser begünstigte stillschweigend die harten Maassregeln seiner
Beamten gegen alle Chinesen, welche den Barbaren gedient hatten;
sie lebten unter polizeilicher Aufsicht und wurden bei der gering-
fügigsten Anklage mit schweren Strafen heimgesucht. Viele ver-
schwanden in den geöffneten Häfen unter den Augen der Englän-
der; von einigen weiss man, dass sie gefoltert und zu Tode ge-
prügelt wurden; die Verwendung der Consuln rettete wenige. Die
grausamen Mandarinen wurden, auch wo die auf Antrag der Eng-
länder eingeleitete Untersuchung ihre Schuld klar zu Tage brachte,
vom Kaiser nur scheinbar gelinde bestraft, nachher aber durch
schnelle Beförderung für ihre Treue belohnt.

Grosse Schwierigkeit machte die Behandlung der Opium-
frage. Der Schleichhandel damit wurde in ungeheuerer Ausdehnung
betrieben, die angesehensten englischen Häuser waren daran
betheiligt. Natürlich wussten die Behörden davon und konnten
dem Treiben nicht wehren, widersetzten sich aber allen Vor-
schlägen zu seiner Legalisirung. Ki-yin erklärte dem englischen
Bevollmächtigten gleich nach seiner Ankunft in Kan-ton 1844 in
einer amtlichen Note, dass die Regierung den Opiumhandel still-
schweigend dulden und keine weiteren Verbote dagegen erlassen
werde. Wenn ein Consul dem Vertrage gemäss Opiumschiffe an-

Ausführung der Verträge.
neu geöffneten Häfen ansiedelten, gehörten nicht alle zur ehren-
haften Classe der Kaufleute. Viele machten ein Gewerbe daraus,
sich beschimpfen oder schädigen zu lassen, um dann eine grosse
Kostenrechnung »für erlittenes Ungemach« oder »vereitelte Aussichten
auf Handelsgewinn« aufzustellen. Solches Mühen fand bei Davis
wenig Förderung.

Ki-yiṅ hielt sich ängstlich an den Wortlaut der Verträge,
was zu sonderbaren Irrungen führte. So kam 1846 ein englischer
Handelsdampfer nach Kan-ton; der Zolldirector verweigerte
aber die Erlaubniss zum Laden, »weil Dampfer im Vertrage nicht
als Handelsschiffe genannt seien«. Ki-yiṅ schloss sich dieser Auf-
fassung an und wies auf die Gefahr hin, welche die Frequenz der
Dampfer im belebten Strome verursachen müsse; es kostete einen
langen Schriftwechsel, ihn über den Irrthum aufzuklären. Bei
dieser Gelegenheit kam auch das Recht der Kriegsschiffe zur
Sprache, alle chinesischen Häfen anzulaufen. — Ziemlich fruchtlos
waren die Bestrebungen der Engländer, die Ausführung der im
Frieden von Nan-kiṅ versprochenen Amnestie durchzusetzen. Der
Kaiser begünstigte stillschweigend die harten Maassregeln seiner
Beamten gegen alle Chinesen, welche den Barbaren gedient hatten;
sie lebten unter polizeilicher Aufsicht und wurden bei der gering-
fügigsten Anklage mit schweren Strafen heimgesucht. Viele ver-
schwanden in den geöffneten Häfen unter den Augen der Englän-
der; von einigen weiss man, dass sie gefoltert und zu Tode ge-
prügelt wurden; die Verwendung der Consuln rettete wenige. Die
grausamen Mandarinen wurden, auch wo die auf Antrag der Eng-
länder eingeleitete Untersuchung ihre Schuld klar zu Tage brachte,
vom Kaiser nur scheinbar gelinde bestraft, nachher aber durch
schnelle Beförderung für ihre Treue belohnt.

Grosse Schwierigkeit machte die Behandlung der Opium-
frage. Der Schleichhandel damit wurde in ungeheuerer Ausdehnung
betrieben, die angesehensten englischen Häuser waren daran
betheiligt. Natürlich wussten die Behörden davon und konnten
dem Treiben nicht wehren, widersetzten sich aber allen Vor-
schlägen zu seiner Legalisirung. Ki-yiṅ erklärte dem englischen
Bevollmächtigten gleich nach seiner Ankunft in Kan-ton 1844 in
einer amtlichen Note, dass die Regierung den Opiumhandel still-
schweigend dulden und keine weiteren Verbote dagegen erlassen
werde. Wenn ein Consul dem Vertrage gemäss Opiumschiffe an-

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[140/0162] Ausführung der Verträge. neu geöffneten Häfen ansiedelten, gehörten nicht alle zur ehren- haften Classe der Kaufleute. Viele machten ein Gewerbe daraus, sich beschimpfen oder schädigen zu lassen, um dann eine grosse Kostenrechnung »für erlittenes Ungemach« oder »vereitelte Aussichten auf Handelsgewinn« aufzustellen. Solches Mühen fand bei Davis wenig Förderung. Ki-yiṅ hielt sich ängstlich an den Wortlaut der Verträge, was zu sonderbaren Irrungen führte. So kam 1846 ein englischer Handelsdampfer nach Kan-ton; der Zolldirector verweigerte aber die Erlaubniss zum Laden, »weil Dampfer im Vertrage nicht als Handelsschiffe genannt seien«. Ki-yiṅ schloss sich dieser Auf- fassung an und wies auf die Gefahr hin, welche die Frequenz der Dampfer im belebten Strome verursachen müsse; es kostete einen langen Schriftwechsel, ihn über den Irrthum aufzuklären. Bei dieser Gelegenheit kam auch das Recht der Kriegsschiffe zur Sprache, alle chinesischen Häfen anzulaufen. — Ziemlich fruchtlos waren die Bestrebungen der Engländer, die Ausführung der im Frieden von Nan-kiṅ versprochenen Amnestie durchzusetzen. Der Kaiser begünstigte stillschweigend die harten Maassregeln seiner Beamten gegen alle Chinesen, welche den Barbaren gedient hatten; sie lebten unter polizeilicher Aufsicht und wurden bei der gering- fügigsten Anklage mit schweren Strafen heimgesucht. Viele ver- schwanden in den geöffneten Häfen unter den Augen der Englän- der; von einigen weiss man, dass sie gefoltert und zu Tode ge- prügelt wurden; die Verwendung der Consuln rettete wenige. Die grausamen Mandarinen wurden, auch wo die auf Antrag der Eng- länder eingeleitete Untersuchung ihre Schuld klar zu Tage brachte, vom Kaiser nur scheinbar gelinde bestraft, nachher aber durch schnelle Beförderung für ihre Treue belohnt. Grosse Schwierigkeit machte die Behandlung der Opium- frage. Der Schleichhandel damit wurde in ungeheuerer Ausdehnung betrieben, die angesehensten englischen Häuser waren daran betheiligt. Natürlich wussten die Behörden davon und konnten dem Treiben nicht wehren, widersetzten sich aber allen Vor- schlägen zu seiner Legalisirung. Ki-yiṅ erklärte dem englischen Bevollmächtigten gleich nach seiner Ankunft in Kan-ton 1844 in einer amtlichen Note, dass die Regierung den Opiumhandel still- schweigend dulden und keine weiteren Verbote dagegen erlassen werde. Wenn ein Consul dem Vertrage gemäss Opiumschiffe an-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/162>, abgerufen am 27.04.2024.