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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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I-li-pu zurückberufen.
tapfer zu vertheidigen und sie streng bestrafen, wo sie es daran
fehlen lassen. Diejenigen meiner Unterthanen, welche sich ver-
führen liessen oder mit den Barbaren gemeinschaftliche Sache mach-
ten, rufe ich jetzt zurück und verspreche ihnen Verzeihung für
den Verrath. Alle meine Diener werden aufgefordert, sich mit
ganzer Seele und allen Kräften zur Vernichtung dieses hassens-
werthen Volkes zu verbinden." -- Dieser Erlass wurde in allen
Heeresabtheilungen verlesen und auf öffentlichen Plätzen angehef-
tet, that aber gar keine Wirkung. Bei den chinesischen Truppen
hatte der unaufhaltsame Siegeslauf der Engländer den Wahn er-
zeugt, sie seien durch Zaubermittel gefeit, die ihr Anstürmen un-
widerstehlich, ihr Zielen unfehlbar machten. 52) -- Kaum war der
kaiserliche Erlass verbreitet, so kam aus Hong-kong die Nachricht,
dass eine grosse Flotte dort eingetroffen und ein Theil schon nach
dem Norden aufgebrochen sei. Nun stieg am Hofe wieder die Furcht
auf, die Hauptstadt bedroht zu sehen. Auf das Heer konnte man
nicht bauen, und die Ueberzeugung, dass Unterhandlungen an-
geknüpft werden müssten, scheint endlich durchgedrungen zu sein.
Das erste Symptom davon war die Rückberufung des I-li-pu, den
die kaiserlichen Couriere auf dem Wege nach dem Amur noch ein-
holten. Ohne Rang und Vollmacht erhielt er nur den gemessenen
Befehl, dem Vordringen des Feindes ein Ziel zu setzen.

1842.Am 7. Mai 1842 räumten die englischen Truppen Nin-po
um sich zu weiteren Operationen einzuschiffen. Yi-kin berichtete
nun, er habe mit seinen Tapferen den Feind verfolgt und gänzlich
aus dem Flusse vertrieben, viele Waffen und Munition erbeutet.
Auch auf Tsu-san hatte er die Engländer geschlagen, "wo eine
Menge ihrer Schiffe in die Luft gesprengt, viele Soldaten getödtet
und Todesschrecken der ganzen Schaar eingeflösst wurden. Da sie
nun Tag und Nacht bedrängt wurden, viele Leute verloren und
Mangel litten an Lebensmitteln, so beschlossen sie abzuziehen."
Auf Tsu-san war indessen nicht die geringste Störung vorgekom-
men, und die Einschiffung in Nin-po ging ohne jeden Anstoss
vor sich. Yi-kin's Siegesberichte fanden denn auch in Pe-kin

52) Die chinesischen Soldaten kauften gierig beschriebene Papierschnitzel, durch
welche sie schussfest zu werden glaubten. Mit solchen Talismanen, auf welchen
nicht immer Sittensprüche standen, trieben die englischen Soldaten einträglichen
Handel.

I-li-pu zurückberufen.
tapfer zu vertheidigen und sie streng bestrafen, wo sie es daran
fehlen lassen. Diejenigen meiner Unterthanen, welche sich ver-
führen liessen oder mit den Barbaren gemeinschaftliche Sache mach-
ten, rufe ich jetzt zurück und verspreche ihnen Verzeihung für
den Verrath. Alle meine Diener werden aufgefordert, sich mit
ganzer Seele und allen Kräften zur Vernichtung dieses hassens-
werthen Volkes zu verbinden.« — Dieser Erlass wurde in allen
Heeresabtheilungen verlesen und auf öffentlichen Plätzen angehef-
tet, that aber gar keine Wirkung. Bei den chinesischen Truppen
hatte der unaufhaltsame Siegeslauf der Engländer den Wahn er-
zeugt, sie seien durch Zaubermittel gefeit, die ihr Anstürmen un-
widerstehlich, ihr Zielen unfehlbar machten. 52) — Kaum war der
kaiserliche Erlass verbreitet, so kam aus Hong-kong die Nachricht,
dass eine grosse Flotte dort eingetroffen und ein Theil schon nach
dem Norden aufgebrochen sei. Nun stieg am Hofe wieder die Furcht
auf, die Hauptstadt bedroht zu sehen. Auf das Heer konnte man
nicht bauen, und die Ueberzeugung, dass Unterhandlungen an-
geknüpft werden müssten, scheint endlich durchgedrungen zu sein.
Das erste Symptom davon war die Rückberufung des I-li-pu, den
die kaiserlichen Couriere auf dem Wege nach dem Amur noch ein-
holten. Ohne Rang und Vollmacht erhielt er nur den gemessenen
Befehl, dem Vordringen des Feindes ein Ziel zu setzen.

1842.Am 7. Mai 1842 räumten die englischen Truppen Niṅ-po
um sich zu weiteren Operationen einzuschiffen. Yi-kiṅ berichtete
nun, er habe mit seinen Tapferen den Feind verfolgt und gänzlich
aus dem Flusse vertrieben, viele Waffen und Munition erbeutet.
Auch auf Tšu-san hatte er die Engländer geschlagen, »wo eine
Menge ihrer Schiffe in die Luft gesprengt, viele Soldaten getödtet
und Todesschrecken der ganzen Schaar eingeflösst wurden. Da sie
nun Tag und Nacht bedrängt wurden, viele Leute verloren und
Mangel litten an Lebensmitteln, so beschlossen sie abzuziehen.«
Auf Tšu-san war indessen nicht die geringste Störung vorgekom-
men, und die Einschiffung in Niṅ-po ging ohne jeden Anstoss
vor sich. Yi-kiṅ’s Siegesberichte fanden denn auch in Pe-kiṅ

52) Die chinesischen Soldaten kauften gierig beschriebene Papierschnitzel, durch
welche sie schussfest zu werden glaubten. Mit solchen Talismanen, auf welchen
nicht immer Sittensprüche standen, trieben die englischen Soldaten einträglichen
Handel.
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[118/0140] I-li-pu zurückberufen. tapfer zu vertheidigen und sie streng bestrafen, wo sie es daran fehlen lassen. Diejenigen meiner Unterthanen, welche sich ver- führen liessen oder mit den Barbaren gemeinschaftliche Sache mach- ten, rufe ich jetzt zurück und verspreche ihnen Verzeihung für den Verrath. Alle meine Diener werden aufgefordert, sich mit ganzer Seele und allen Kräften zur Vernichtung dieses hassens- werthen Volkes zu verbinden.« — Dieser Erlass wurde in allen Heeresabtheilungen verlesen und auf öffentlichen Plätzen angehef- tet, that aber gar keine Wirkung. Bei den chinesischen Truppen hatte der unaufhaltsame Siegeslauf der Engländer den Wahn er- zeugt, sie seien durch Zaubermittel gefeit, die ihr Anstürmen un- widerstehlich, ihr Zielen unfehlbar machten. 52) — Kaum war der kaiserliche Erlass verbreitet, so kam aus Hong-kong die Nachricht, dass eine grosse Flotte dort eingetroffen und ein Theil schon nach dem Norden aufgebrochen sei. Nun stieg am Hofe wieder die Furcht auf, die Hauptstadt bedroht zu sehen. Auf das Heer konnte man nicht bauen, und die Ueberzeugung, dass Unterhandlungen an- geknüpft werden müssten, scheint endlich durchgedrungen zu sein. Das erste Symptom davon war die Rückberufung des I-li-pu, den die kaiserlichen Couriere auf dem Wege nach dem Amur noch ein- holten. Ohne Rang und Vollmacht erhielt er nur den gemessenen Befehl, dem Vordringen des Feindes ein Ziel zu setzen. Am 7. Mai 1842 räumten die englischen Truppen Niṅ-po um sich zu weiteren Operationen einzuschiffen. Yi-kiṅ berichtete nun, er habe mit seinen Tapferen den Feind verfolgt und gänzlich aus dem Flusse vertrieben, viele Waffen und Munition erbeutet. Auch auf Tšu-san hatte er die Engländer geschlagen, »wo eine Menge ihrer Schiffe in die Luft gesprengt, viele Soldaten getödtet und Todesschrecken der ganzen Schaar eingeflösst wurden. Da sie nun Tag und Nacht bedrängt wurden, viele Leute verloren und Mangel litten an Lebensmitteln, so beschlossen sie abzuziehen.« Auf Tšu-san war indessen nicht die geringste Störung vorgekom- men, und die Einschiffung in Niṅ-po ging ohne jeden Anstoss vor sich. Yi-kiṅ’s Siegesberichte fanden denn auch in Pe-kiṅ 1842. 52) Die chinesischen Soldaten kauften gierig beschriebene Papierschnitzel, durch welche sie schussfest zu werden glaubten. Mit solchen Talismanen, auf welchen nicht immer Sittensprüche standen, trieben die englischen Soldaten einträglichen Handel.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/140>, abgerufen am 27.04.2024.