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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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A-moi genommen.
englische Flotte steuerte zunächst nach der Küste von Fu-kian,
deren Bewohner ein unternehmender zäher Menschenschlag, vor-
zügliche Seeleute und mehr als alle anderen Chinesen mit Euro-
päern bekannt sind; denn sie wandern zu Tausenden nach den
Colonieen in Hinter-Indien und kehren, sobald sie genug erworben
haben, an ihre heimathlichen Küsten zurück. Deshalb mag die
chinesische Regierung auf dieses Gebiet und besonders A-moi ihr
Augenmerk gerichtet haben. Seit der Recognoscirung der Fregatte
Blonde im Juli 1840 war der Hafen stark befestigt worden; von
der Stadt lief eine Steinmauer von unmässiger Dicke bis zur Hafen-
mündung. -- Am Abend des 25. August fuhr das englische Ge-
schwader in den Hafen und beschoss sich am folgenden Morgen
eine Weile mit jener steinernen Schanze; dann landete eine Ab-
theilung Infanterie und stürmte sie fast ohne Widerstand in der
ungedeckten Flanke. Die Chinesen warfen ihre dicken Schilde auf
den Rücken und liefen davon; der Commandeur wandelte bedäch-
tig in das Wasser und ertränkte sich angesichts der Flotte. Am
Morgen des 27. August drangen die Truppen ohne Widerstand in
die Stadt; ihr Verlust an beiden Tagen betrug zwei Todte und
funfzehn Verwundete.

Der Gouverneur der Provinz Yen-Tad-zen hatte vor dem
Angriff nach Pe-kin berichtet, die Werke würden die feindliche
Flotte in verheerendes Feuer hüllen und ihr keinen Weg zum
Entschlüpfen lassen. Bei Beginn des Geschützkampfes bestieg er
einen Hügel um Alles zu übersehen, und machte sich nach Erstür-
mung der langen Schanze aus dem Staube. "Ich selbst", schreibt
er dem Kaiser, "führte die Soldaten zur Schlacht. Wir versenkten
einen ihrer Dampfer und vier Kriegsschiffe durch unser schreck-
liches Feuer; aber die Barbaren antworteten. Der Südwind blies
unseren Soldaten den Pulverdampf in das Gesicht, und so ging
A-moi verloren." 40)

40) Der Kaiser antwortete: "A-moi ist der Schlüssel von Fu-kian. Yen und
der Admiral der Station müssen es wiedernehmen. Dazu erlauben wir eine genügende
Anzahl Milizen auszuheben; auch sollen Truppen zu Hülfe geschickt werden. Aber
der Statthalter muss bedacht sein, die Hauptstadt Fu-tsau zu schützen und, statt
die Barbaren zur See zu bekämpfen, ihren Angriff auf dem Lande abwarten. Uebri-
gens soll das Betragen des Gouverneurs und der anderen Commandeure, welche
nicht Stand hielten, vom Strafgerichtshof untersucht werden." Der Admiral der
Station hatte bei Annäherung der englischen Flotte geglaubt, einen Zug gegen die
Piraten unternehmen zu müssen, und rettete so das Geschwader der Provinz.

A-moi genommen.
englische Flotte steuerte zunächst nach der Küste von Fu-kian,
deren Bewohner ein unternehmender zäher Menschenschlag, vor-
zügliche Seeleute und mehr als alle anderen Chinesen mit Euro-
päern bekannt sind; denn sie wandern zu Tausenden nach den
Colonieen in Hinter-Indien und kehren, sobald sie genug erworben
haben, an ihre heimathlichen Küsten zurück. Deshalb mag die
chinesische Regierung auf dieses Gebiet und besonders A-moi ihr
Augenmerk gerichtet haben. Seit der Recognoscirung der Fregatte
Blonde im Juli 1840 war der Hafen stark befestigt worden; von
der Stadt lief eine Steinmauer von unmässiger Dicke bis zur Hafen-
mündung. — Am Abend des 25. August fuhr das englische Ge-
schwader in den Hafen und beschoss sich am folgenden Morgen
eine Weile mit jener steinernen Schanze; dann landete eine Ab-
theilung Infanterie und stürmte sie fast ohne Widerstand in der
ungedeckten Flanke. Die Chinesen warfen ihre dicken Schilde auf
den Rücken und liefen davon; der Commandeur wandelte bedäch-
tig in das Wasser und ertränkte sich angesichts der Flotte. Am
Morgen des 27. August drangen die Truppen ohne Widerstand in
die Stadt; ihr Verlust an beiden Tagen betrug zwei Todte und
funfzehn Verwundete.

Der Gouverneur der Provinz Yen-Tad-žen hatte vor dem
Angriff nach Pe-kiṅ berichtet, die Werke würden die feindliche
Flotte in verheerendes Feuer hüllen und ihr keinen Weg zum
Entschlüpfen lassen. Bei Beginn des Geschützkampfes bestieg er
einen Hügel um Alles zu übersehen, und machte sich nach Erstür-
mung der langen Schanze aus dem Staube. »Ich selbst«, schreibt
er dem Kaiser, »führte die Soldaten zur Schlacht. Wir versenkten
einen ihrer Dampfer und vier Kriegsschiffe durch unser schreck-
liches Feuer; aber die Barbaren antworteten. Der Südwind blies
unseren Soldaten den Pulverdampf in das Gesicht, und so ging
A-moi verloren.« 40)

40) Der Kaiser antwortete: »A-moi ist der Schlüssel von Fu-kian. Yen und
der Admiral der Station müssen es wiedernehmen. Dazu erlauben wir eine genügende
Anzahl Milizen auszuheben; auch sollen Truppen zu Hülfe geschickt werden. Aber
der Statthalter muss bedacht sein, die Hauptstadt Fu-tšau zu schützen und, statt
die Barbaren zur See zu bekämpfen, ihren Angriff auf dem Lande abwarten. Uebri-
gens soll das Betragen des Gouverneurs und der anderen Commandeure, welche
nicht Stand hielten, vom Strafgerichtshof untersucht werden.« Der Admiral der
Station hatte bei Annäherung der englischen Flotte geglaubt, einen Zug gegen die
Piraten unternehmen zu müssen, und rettete so das Geschwader der Provinz.
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[107/0129] A-moi genommen. englische Flotte steuerte zunächst nach der Küste von Fu-kian, deren Bewohner ein unternehmender zäher Menschenschlag, vor- zügliche Seeleute und mehr als alle anderen Chinesen mit Euro- päern bekannt sind; denn sie wandern zu Tausenden nach den Colonieen in Hinter-Indien und kehren, sobald sie genug erworben haben, an ihre heimathlichen Küsten zurück. Deshalb mag die chinesische Regierung auf dieses Gebiet und besonders A-moi ihr Augenmerk gerichtet haben. Seit der Recognoscirung der Fregatte Blonde im Juli 1840 war der Hafen stark befestigt worden; von der Stadt lief eine Steinmauer von unmässiger Dicke bis zur Hafen- mündung. — Am Abend des 25. August fuhr das englische Ge- schwader in den Hafen und beschoss sich am folgenden Morgen eine Weile mit jener steinernen Schanze; dann landete eine Ab- theilung Infanterie und stürmte sie fast ohne Widerstand in der ungedeckten Flanke. Die Chinesen warfen ihre dicken Schilde auf den Rücken und liefen davon; der Commandeur wandelte bedäch- tig in das Wasser und ertränkte sich angesichts der Flotte. Am Morgen des 27. August drangen die Truppen ohne Widerstand in die Stadt; ihr Verlust an beiden Tagen betrug zwei Todte und funfzehn Verwundete. Der Gouverneur der Provinz Yen-Tad-žen hatte vor dem Angriff nach Pe-kiṅ berichtet, die Werke würden die feindliche Flotte in verheerendes Feuer hüllen und ihr keinen Weg zum Entschlüpfen lassen. Bei Beginn des Geschützkampfes bestieg er einen Hügel um Alles zu übersehen, und machte sich nach Erstür- mung der langen Schanze aus dem Staube. »Ich selbst«, schreibt er dem Kaiser, »führte die Soldaten zur Schlacht. Wir versenkten einen ihrer Dampfer und vier Kriegsschiffe durch unser schreck- liches Feuer; aber die Barbaren antworteten. Der Südwind blies unseren Soldaten den Pulverdampf in das Gesicht, und so ging A-moi verloren.« 40) 40) Der Kaiser antwortete: »A-moi ist der Schlüssel von Fu-kian. Yen und der Admiral der Station müssen es wiedernehmen. Dazu erlauben wir eine genügende Anzahl Milizen auszuheben; auch sollen Truppen zu Hülfe geschickt werden. Aber der Statthalter muss bedacht sein, die Hauptstadt Fu-tšau zu schützen und, statt die Barbaren zur See zu bekämpfen, ihren Angriff auf dem Lande abwarten. Uebri- gens soll das Betragen des Gouverneurs und der anderen Commandeure, welche nicht Stand hielten, vom Strafgerichtshof untersucht werden.« Der Admiral der Station hatte bei Annäherung der englischen Flotte geglaubt, einen Zug gegen die Piraten unternehmen zu müssen, und rettete so das Geschwader der Provinz.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/129>, abgerufen am 27.04.2024.