[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.Ki-sen's Verantwortung. auf Ki-sen, der doch Alles gethan hatte, was Chinesen zurAbwehr des Feindes thun konnten. Zu seinen Gunsten erhoben sich wenige Stimmen; diese wurden überschrieen in hundert schmähenden Flugschriften, welche namentlich die conservative Classe der Studirten gegen den unglücklichen Staatsmann schleuderte. Die dreizehn Artikel der gegen Ki-sen erhobenen Anklage "1) Warum hast Du die Engländer nicht sofort angegriffen? Ich wünschte sie erst durch vernünftige Vorstellungen zu leiten und argwöhnte nicht, dass sie mit brutaler Gewalt die Werke von Tsuen-pi angreifen würden. 2) Warum beriethest Du Dich nicht mit dem zweiten Gouverneur und den Uebrigen, ehe die Werke genommen wurden? Die Beziehungen zu den Barbaren waren der vertraulichsten Art und gestatteten keine Behandlung vor der Oeffentlichkeit. 3) Warum entliessest Du die Fluss-Miliz und sandtest eine so geringe Anzahl Leute nach der Bocca, dass Admiral Kwan zu Grunde gehen musste? Ich entliess die Fluss-Miliz keineswegs; sie nahm sogar am Kampfe Theil. Die Streitmacht in den Batterieen brachte ich auf 400 Geschütze und 8900 Mann. 4) Du hattest eine Unterredung mit dem Oberhaupt der Fremden und hast ihn bewirthet. Nur ein Comprador war als Dol- metscher zugegen. Ich unterhielt mich mit ihm über die Einrichtungen des Handelsverkehrs, über Schleichhandel und die Bestimmungen gegen die Opiumeinfuhr, und da er nicht gegessen hatte, so gab ich ihm eine Mahlzeit. Unsere Unterredung war keine geheime; mehrere Civil- und Militär-Beamte wohnten ihr bei. Die zweite Unterredung war eine zufällige; denn ich ging nach den Werken der Bocca, um mich mit dem Admiral über ihre Vertheidigung zu besprechen, nicht um das Oberhaupt der Fremden zu treffen. Aber dieser kam und verlangte die amt- liche Bestätigung der Abtretung von Hong-kong, stellte auch andere verrätherische Anträge, denen ich meine Zustimmung versagte. 5) Du hast Dich zur Vermittelung eines gemeinen Compradors, Pau-pen, bedient, der schon früher der Verrätherei beschul- digt wurde. Ki-šen’s Verantwortung. auf Ki-šen, der doch Alles gethan hatte, was Chinesen zurAbwehr des Feindes thun konnten. Zu seinen Gunsten erhoben sich wenige Stimmen; diese wurden überschrieen in hundert schmähenden Flugschriften, welche namentlich die conservative Classe der Studirten gegen den unglücklichen Staatsmann schleuderte. Die dreizehn Artikel der gegen Ki-šen erhobenen Anklage »1) Warum hast Du die Engländer nicht sofort angegriffen? Ich wünschte sie erst durch vernünftige Vorstellungen zu leiten und argwöhnte nicht, dass sie mit brutaler Gewalt die Werke von Tšuen-pi angreifen würden. 2) Warum beriethest Du Dich nicht mit dem zweiten Gouverneur und den Uebrigen, ehe die Werke genommen wurden? Die Beziehungen zu den Barbaren waren der vertraulichsten Art und gestatteten keine Behandlung vor der Oeffentlichkeit. 3) Warum entliessest Du die Fluss-Miliz und sandtest eine so geringe Anzahl Leute nach der Bocca, dass Admiral Kwan zu Grunde gehen musste? Ich entliess die Fluss-Miliz keineswegs; sie nahm sogar am Kampfe Theil. Die Streitmacht in den Batterieen brachte ich auf 400 Geschütze und 8900 Mann. 4) Du hattest eine Unterredung mit dem Oberhaupt der Fremden und hast ihn bewirthet. Nur ein Comprador war als Dol- metscher zugegen. Ich unterhielt mich mit ihm über die Einrichtungen des Handelsverkehrs, über Schleichhandel und die Bestimmungen gegen die Opiumeinfuhr, und da er nicht gegessen hatte, so gab ich ihm eine Mahlzeit. Unsere Unterredung war keine geheime; mehrere Civil- und Militär-Beamte wohnten ihr bei. Die zweite Unterredung war eine zufällige; denn ich ging nach den Werken der Bocca, um mich mit dem Admiral über ihre Vertheidigung zu besprechen, nicht um das Oberhaupt der Fremden zu treffen. Aber dieser kam und verlangte die amt- liche Bestätigung der Abtretung von Hong-kong, stellte auch andere verrätherische Anträge, denen ich meine Zustimmung versagte. 5) Du hast Dich zur Vermittelung eines gemeinen Compradors, Pau-peṅ, bedient, der schon früher der Verrätherei beschul- digt wurde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0120" n="98"/><fw place="top" type="header"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/153149752"><hi rendition="#k">Ki-šen</hi>’s</persName> Verantwortung.</fw><lb/> auf <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/153149752">Ki-šen</persName></hi>, der doch Alles gethan hatte, was Chinesen zur<lb/> Abwehr des Feindes thun konnten. 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Ki-šen’s Verantwortung.
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Abwehr des Feindes thun konnten. Zu seinen Gunsten erhoben
sich wenige Stimmen; diese wurden überschrieen in hundert
schmähenden Flugschriften, welche namentlich die conservative
Classe der Studirten gegen den unglücklichen Staatsmann
schleuderte.
Die dreizehn Artikel der gegen Ki-šen erhobenen Anklage
und seine Verantwortung gewähren einen Einblick in die chinesische
Auffassung von amtlicher Pflichterfüllung.
»1) Warum hast Du die Engländer nicht sofort angegriffen?
Ich wünschte sie erst durch vernünftige Vorstellungen zu
leiten und argwöhnte nicht, dass sie mit brutaler Gewalt die
Werke von Tšuen-pi angreifen würden.
2) Warum beriethest Du Dich nicht mit dem zweiten Gouverneur
und den Uebrigen, ehe die Werke genommen wurden?
Die Beziehungen zu den Barbaren waren der vertraulichsten
Art und gestatteten keine Behandlung vor der Oeffentlichkeit.
3) Warum entliessest Du die Fluss-Miliz und sandtest eine so
geringe Anzahl Leute nach der Bocca, dass Admiral Kwan zu
Grunde gehen musste?
Ich entliess die Fluss-Miliz keineswegs; sie nahm sogar am
Kampfe Theil. Die Streitmacht in den Batterieen brachte ich auf
400 Geschütze und 8900 Mann.
4) Du hattest eine Unterredung mit dem Oberhaupt der Fremden
und hast ihn bewirthet. Nur ein Comprador war als Dol-
metscher zugegen.
Ich unterhielt mich mit ihm über die Einrichtungen des
Handelsverkehrs, über Schleichhandel und die Bestimmungen
gegen die Opiumeinfuhr, und da er nicht gegessen hatte, so
gab ich ihm eine Mahlzeit. Unsere Unterredung war keine
geheime; mehrere Civil- und Militär-Beamte wohnten ihr bei.
Die zweite Unterredung war eine zufällige; denn ich ging nach
den Werken der Bocca, um mich mit dem Admiral über ihre
Vertheidigung zu besprechen, nicht um das Oberhaupt der
Fremden zu treffen. Aber dieser kam und verlangte die amt-
liche Bestätigung der Abtretung von Hong-kong, stellte auch
andere verrätherische Anträge, denen ich meine Zustimmung
versagte.
5) Du hast Dich zur Vermittelung eines gemeinen Compradors,
Pau-peṅ, bedient, der schon früher der Verrätherei beschul-
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