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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Lin's auswärtige Politik.
auf zu thun gehabt mit dem Schutze ihrer eigenen Besitzungen.
Diese Pläne sollten zur Geltung kommen, aber wir müssen sie durch
Fremde zur Ausführung bringen.

"Um die Engländer zur See anzugreifen, können wir uns der
Franzosen und der Americaner bedienen. Frankreich ist von Eng-
land
nur durch eine Meerenge getrennt, America durch einen
Ocean. Ersteres hatte Colonieen gegründet, welche die Engländer
fortnahmen; daher bestand eine tiefgewurzelte Feindschaft. Als die
Americaner wegen der drückenden Steuern gegen die Engländer
aufstanden, unterstützten die Franzosen sie mit einer mächtigen
Flotte, um den Feind durch Abschneidung seiner Vorräthe zu ver-
treiben. So wurden die Engländer zu einem Frieden gezwungen,
bei dem sie viele Staaten verloren und nur vier im nordöst-
lichen Theile behielten. -- In Indien hatten sowohl die Franzosen
als die Holländer Niederlassungen. Die Engländer aber bekriegten
sie und nahmen alle Ansiedelungen der anderen europäischen Staa-
ten in Besitz.

"Von allen in Kan-ton verkehrenden Nationen haben nur
die Engländer sich hochmüthig und unverschämt betragen, während
die Franzosen und Americaner immer die ehrfurchtsvollste Unter-
würfigkeit zeigten. Als der Handel verboten wurde, gaben die
Engländer durch Blockirung unserer Häfen allen anderen Nationen
Anlass zu grosser Unzufriedenheit. Nach dem Kampfe bei Kan-ton
vermittelte das Oberhaupt der Americaner einen Vergleich, und
Elliot verlangte nur den gesetzlichen Handel. Als unsere Soldaten
die fremden Factoreien stürmten und aus Irrthum einige Ameri-
caner verwundeten, erhob ihr Oberhaupt deshalb keine Be-
schwerde u. s. w."

"Was haben wir nun gethan? Nach zweihundertjährigem
Handelsverkehr fragen wir uns noch immer, auf welchem Wege
wir nach England gelangen können. Welches ist die Entfernung
von Russland nach England? Wie weit erstrecken sich die moha-
medanischen Stämme der Tartarei? Wir weisen die Gorka zurück,
da sie, ihre Ergebenheit zeigend, Indien angreifen wollen! Wir
hegen Argwohn, da die Franzosen und Americaner ihre Vermit-
telung anbieten! Kann das Würdigung unserer Beziehungen zu
fremden Staaten genannt werden? Die Han-Dynastie benutzte die
Bewohner von Central-Asien zum Angriff auf die Hunnen; die
Tan-Dynastie brauchte die Turfanen, um Indien zu überfallen, und

Lin’s auswärtige Politik.
auf zu thun gehabt mit dem Schutze ihrer eigenen Besitzungen.
Diese Pläne sollten zur Geltung kommen, aber wir müssen sie durch
Fremde zur Ausführung bringen.

»Um die Engländer zur See anzugreifen, können wir uns der
Franzosen und der Americaner bedienen. Frankreich ist von Eng-
land
nur durch eine Meerenge getrennt, America durch einen
Ocean. Ersteres hatte Colonieen gegründet, welche die Engländer
fortnahmen; daher bestand eine tiefgewurzelte Feindschaft. Als die
Americaner wegen der drückenden Steuern gegen die Engländer
aufstanden, unterstützten die Franzosen sie mit einer mächtigen
Flotte, um den Feind durch Abschneidung seiner Vorräthe zu ver-
treiben. So wurden die Engländer zu einem Frieden gezwungen,
bei dem sie viele Staaten verloren und nur vier im nordöst-
lichen Theile behielten. — In Indien hatten sowohl die Franzosen
als die Holländer Niederlassungen. Die Engländer aber bekriegten
sie und nahmen alle Ansiedelungen der anderen europäischen Staa-
ten in Besitz.

»Von allen in Kan-ton verkehrenden Nationen haben nur
die Engländer sich hochmüthig und unverschämt betragen, während
die Franzosen und Americaner immer die ehrfurchtsvollste Unter-
würfigkeit zeigten. Als der Handel verboten wurde, gaben die
Engländer durch Blockirung unserer Häfen allen anderen Nationen
Anlass zu grosser Unzufriedenheit. Nach dem Kampfe bei Kan-ton
vermittelte das Oberhaupt der Americaner einen Vergleich, und
Elliot verlangte nur den gesetzlichen Handel. Als unsere Soldaten
die fremden Factoreien stürmten und aus Irrthum einige Ameri-
caner verwundeten, erhob ihr Oberhaupt deshalb keine Be-
schwerde u. s. w.«

»Was haben wir nun gethan? Nach zweihundertjährigem
Handelsverkehr fragen wir uns noch immer, auf welchem Wege
wir nach England gelangen können. Welches ist die Entfernung
von Russland nach England? Wie weit erstrecken sich die moha-
medanischen Stämme der Tartarei? Wir weisen die Gorka zurück,
da sie, ihre Ergebenheit zeigend, Indien angreifen wollen! Wir
hegen Argwohn, da die Franzosen und Americaner ihre Vermit-
telung anbieten! Kann das Würdigung unserer Beziehungen zu
fremden Staaten genannt werden? Die Han-Dynastie benutzte die
Bewohner von Central-Asien zum Angriff auf die Hunnen; die
Taṅ-Dynastie brauchte die Turfanen, um Indien zu überfallen, und

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[96/0118] Lin’s auswärtige Politik. auf zu thun gehabt mit dem Schutze ihrer eigenen Besitzungen. Diese Pläne sollten zur Geltung kommen, aber wir müssen sie durch Fremde zur Ausführung bringen. »Um die Engländer zur See anzugreifen, können wir uns der Franzosen und der Americaner bedienen. Frankreich ist von Eng- land nur durch eine Meerenge getrennt, America durch einen Ocean. Ersteres hatte Colonieen gegründet, welche die Engländer fortnahmen; daher bestand eine tiefgewurzelte Feindschaft. Als die Americaner wegen der drückenden Steuern gegen die Engländer aufstanden, unterstützten die Franzosen sie mit einer mächtigen Flotte, um den Feind durch Abschneidung seiner Vorräthe zu ver- treiben. So wurden die Engländer zu einem Frieden gezwungen, bei dem sie viele Staaten verloren und nur vier im nordöst- lichen Theile behielten. — In Indien hatten sowohl die Franzosen als die Holländer Niederlassungen. Die Engländer aber bekriegten sie und nahmen alle Ansiedelungen der anderen europäischen Staa- ten in Besitz. »Von allen in Kan-ton verkehrenden Nationen haben nur die Engländer sich hochmüthig und unverschämt betragen, während die Franzosen und Americaner immer die ehrfurchtsvollste Unter- würfigkeit zeigten. Als der Handel verboten wurde, gaben die Engländer durch Blockirung unserer Häfen allen anderen Nationen Anlass zu grosser Unzufriedenheit. Nach dem Kampfe bei Kan-ton vermittelte das Oberhaupt der Americaner einen Vergleich, und Elliot verlangte nur den gesetzlichen Handel. Als unsere Soldaten die fremden Factoreien stürmten und aus Irrthum einige Ameri- caner verwundeten, erhob ihr Oberhaupt deshalb keine Be- schwerde u. s. w.« »Was haben wir nun gethan? Nach zweihundertjährigem Handelsverkehr fragen wir uns noch immer, auf welchem Wege wir nach England gelangen können. Welches ist die Entfernung von Russland nach England? Wie weit erstrecken sich die moha- medanischen Stämme der Tartarei? Wir weisen die Gorka zurück, da sie, ihre Ergebenheit zeigend, Indien angreifen wollen! Wir hegen Argwohn, da die Franzosen und Americaner ihre Vermit- telung anbieten! Kann das Würdigung unserer Beziehungen zu fremden Staaten genannt werden? Die Han-Dynastie benutzte die Bewohner von Central-Asien zum Angriff auf die Hunnen; die Taṅ-Dynastie brauchte die Turfanen, um Indien zu überfallen, und

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/118>, abgerufen am 27.04.2024.