Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

VII. Landwirthschaftliche Geräthe. Zwergbäume.
nicht zu den bei uns angewandten Mitteln werden greifen müssen.
Bis jetzt war die Bodencultur der Japaner immer das Staunen und
die Bewunderung aller europäischen Reisenden, und Sachverständige
haben behauptet, dass wir viel von ihnen lernen können. In welchem
Verhältnisse sie aber die constanten Erfolge ihrem System, oder der
Gunst des Klimas und der Fülle der Arbeitskraft verdanken, würde
sich mit Sicherheit erst feststellen lassen, wenn man auch unsere
Art der Bestellung dort practisch versucht hätte. Allem Anschein
nach leistet der japanische Landwirth mit kleinen Mitteln Bedeutendes;
Inventar ist kaum vorhanden; sein ganzes Geräth besteht, soviel
wir bei Yeddo sahen, in einer Haue, einer Zinkenhacke, einem
kleinen Spaten und einer Harke. Die Haue ist das beliebteste
Instrument; sie dient zur Umarbeitung der Aecker, zugleich als
Spaten und Harke und wird mit wunderbarer Geschicklichkeit
gehandhabt. Den schmalen Spaten benutzt der Landmann nur zu
kleinen Arbeiten, zum Räumen der Wassergräben und Glätten der
Borde an den aufgeworfenen Beeten und Dämmen. Mit der krallen-
zähnigen Harke werden bei der Arbeit zwischen den Reihen Wurzel-
rückstände oder Unkraut aus dem Boden gezogen. In anderen
Landestheilen gibt es Pflüge und Eggen; hölzerne Walzen sah der
Verfasser auch bei Yeddo, aber nur in Gartenwirthschaften, wo sie
zum Ebenen der Wege dienen. -- Wahrscheinlich verdankt der
japanische Landmann seine grossen Erfolge hauptsächlich der Spaten-
wirthschaft und der starken Parcellirung der Grundstücke.

Von der Garten- und Gewächsliebhaberei der Japaner ist
schon früher die Rede gewesen; selbst in der Stadt, in den engen
Gassen der Handelsquartiere von Yeddo hat fast jedes Haus sein
grünes Fleckchen mit Duodezbäumen. Vielleicht führte grade die
Beschränkung des Raumes auf die Erzeugung von Zwergpflanzen,
die sich zur raffinirten Spielerei ausgebildet hat. Der Handelsvor-
steher Meylan sah 1826 eine Schachtel von einem Quadratzoll Grund-
fläche und drei Zoll Höhe, in welcher ein Bambusrohr, eine Tanne
und ein Pflaumenbaum, letzterer in voller Blüthe, wuchsen und
gediehen; für diese Curiosität wurde der Werth von 1200 Gulden
gefordert. Die starke Verkrüppelung der Bäume scheint vorzüglich
durch gehemmte Circulation der Säfte und Beschränkung, vielleicht
auch Erkältung der Wurzeln in flachen porösen, von aussen stets
feucht gehaltenen Töpfen erreicht zu werden. Man wählt die kleinsten
Samen der kleinsten Exemplare, biegt und bindet den Stamm im

VII. Landwirthschaftliche Geräthe. Zwergbäume.
nicht zu den bei uns angewandten Mitteln werden greifen müssen.
Bis jetzt war die Bodencultur der Japaner immer das Staunen und
die Bewunderung aller europäischen Reisenden, und Sachverständige
haben behauptet, dass wir viel von ihnen lernen können. In welchem
Verhältnisse sie aber die constanten Erfolge ihrem System, oder der
Gunst des Klimas und der Fülle der Arbeitskraft verdanken, würde
sich mit Sicherheit erst feststellen lassen, wenn man auch unsere
Art der Bestellung dort practisch versucht hätte. Allem Anschein
nach leistet der japanische Landwirth mit kleinen Mitteln Bedeutendes;
Inventar ist kaum vorhanden; sein ganzes Geräth besteht, soviel
wir bei Yeddo sahen, in einer Haue, einer Zinkenhacke, einem
kleinen Spaten und einer Harke. Die Haue ist das beliebteste
Instrument; sie dient zur Umarbeitung der Aecker, zugleich als
Spaten und Harke und wird mit wunderbarer Geschicklichkeit
gehandhabt. Den schmalen Spaten benutzt der Landmann nur zu
kleinen Arbeiten, zum Räumen der Wassergräben und Glätten der
Borde an den aufgeworfenen Beeten und Dämmen. Mit der krallen-
zähnigen Harke werden bei der Arbeit zwischen den Reihen Wurzel-
rückstände oder Unkraut aus dem Boden gezogen. In anderen
Landestheilen gibt es Pflüge und Eggen; hölzerne Walzen sah der
Verfasser auch bei Yeddo, aber nur in Gartenwirthschaften, wo sie
zum Ebenen der Wege dienen. — Wahrscheinlich verdankt der
japanische Landmann seine grossen Erfolge hauptsächlich der Spaten-
wirthschaft und der starken Parcellirung der Grundstücke.

Von der Garten- und Gewächsliebhaberei der Japaner ist
schon früher die Rede gewesen; selbst in der Stadt, in den engen
Gassen der Handelsquartiere von Yeddo hat fast jedes Haus sein
grünes Fleckchen mit Duodezbäumen. Vielleicht führte grade die
Beschränkung des Raumes auf die Erzeugung von Zwergpflanzen,
die sich zur raffinirten Spielerei ausgebildet hat. Der Handelsvor-
steher Meylan sah 1826 eine Schachtel von einem Quadratzoll Grund-
fläche und drei Zoll Höhe, in welcher ein Bambusrohr, eine Tanne
und ein Pflaumenbaum, letzterer in voller Blüthe, wuchsen und
gediehen; für diese Curiosität wurde der Werth von 1200 Gulden
gefordert. Die starke Verkrüppelung der Bäume scheint vorzüglich
durch gehemmte Circulation der Säfte und Beschränkung, vielleicht
auch Erkältung der Wurzeln in flachen porösen, von aussen stets
feucht gehaltenen Töpfen erreicht zu werden. Man wählt die kleinsten
Samen der kleinsten Exemplare, biegt und bindet den Stamm im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0093" n="73"/><fw place="top" type="header">VII. Landwirthschaftliche Geräthe. Zwergbäume.</fw><lb/>
nicht zu den bei uns angewandten Mitteln werden greifen müssen.<lb/>
Bis jetzt war die Bodencultur der Japaner immer das Staunen und<lb/>
die Bewunderung aller europäischen Reisenden, und Sachverständige<lb/>
haben behauptet, dass wir viel von ihnen lernen können. In welchem<lb/>
Verhältnisse sie aber die constanten Erfolge ihrem System, oder der<lb/>
Gunst des Klimas und der Fülle der Arbeitskraft verdanken, würde<lb/>
sich mit Sicherheit erst feststellen lassen, wenn man auch unsere<lb/>
Art der Bestellung dort practisch versucht hätte. Allem Anschein<lb/>
nach leistet der japanische Landwirth mit kleinen Mitteln Bedeutendes;<lb/>
Inventar ist kaum vorhanden; sein ganzes Geräth besteht, soviel<lb/>
wir bei <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> sahen, in einer Haue, einer Zinkenhacke, einem<lb/>
kleinen Spaten und einer Harke. Die Haue ist das beliebteste<lb/>
Instrument; sie dient zur Umarbeitung der Aecker, zugleich als<lb/>
Spaten und Harke und wird mit wunderbarer Geschicklichkeit<lb/>
gehandhabt. Den schmalen Spaten benutzt der Landmann nur zu<lb/>
kleinen Arbeiten, zum Räumen der Wassergräben und Glätten der<lb/>
Borde an den aufgeworfenen Beeten und Dämmen. Mit der krallen-<lb/>
zähnigen Harke werden bei der Arbeit zwischen den Reihen Wurzel-<lb/>
rückstände oder Unkraut aus dem Boden gezogen. In anderen<lb/>
Landestheilen gibt es Pflüge und Eggen; hölzerne Walzen sah der<lb/>
Verfasser auch bei <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi>, aber nur in Gartenwirthschaften, wo sie<lb/>
zum Ebenen der Wege dienen. &#x2014; Wahrscheinlich verdankt der<lb/>
japanische Landmann seine grossen Erfolge hauptsächlich der Spaten-<lb/>
wirthschaft und der starken Parcellirung der Grundstücke.</p><lb/>
          <p>Von der Garten- und Gewächsliebhaberei der Japaner ist<lb/>
schon früher die Rede gewesen; selbst in der Stadt, in den engen<lb/>
Gassen der Handelsquartiere von <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> hat fast jedes Haus sein<lb/>
grünes Fleckchen mit Duodezbäumen. Vielleicht führte grade die<lb/>
Beschränkung des Raumes auf die Erzeugung von Zwergpflanzen,<lb/>
die sich zur raffinirten Spielerei ausgebildet hat. Der Handelsvor-<lb/>
steher <persName ref="http://d-nb.info/gnd/140822259">Meylan</persName> sah 1826 eine Schachtel von einem Quadratzoll Grund-<lb/>
fläche und drei Zoll Höhe, in welcher ein Bambusrohr, eine Tanne<lb/>
und ein Pflaumenbaum, letzterer in voller Blüthe, wuchsen und<lb/>
gediehen; für diese Curiosität wurde der Werth von 1200 Gulden<lb/>
gefordert. Die starke Verkrüppelung der Bäume scheint vorzüglich<lb/>
durch gehemmte Circulation der Säfte und Beschränkung, vielleicht<lb/>
auch Erkältung der Wurzeln in flachen porösen, von aussen stets<lb/>
feucht gehaltenen Töpfen erreicht zu werden. Man wählt die kleinsten<lb/>
Samen der kleinsten Exemplare, biegt und bindet den Stamm im<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0093] VII. Landwirthschaftliche Geräthe. Zwergbäume. nicht zu den bei uns angewandten Mitteln werden greifen müssen. Bis jetzt war die Bodencultur der Japaner immer das Staunen und die Bewunderung aller europäischen Reisenden, und Sachverständige haben behauptet, dass wir viel von ihnen lernen können. In welchem Verhältnisse sie aber die constanten Erfolge ihrem System, oder der Gunst des Klimas und der Fülle der Arbeitskraft verdanken, würde sich mit Sicherheit erst feststellen lassen, wenn man auch unsere Art der Bestellung dort practisch versucht hätte. Allem Anschein nach leistet der japanische Landwirth mit kleinen Mitteln Bedeutendes; Inventar ist kaum vorhanden; sein ganzes Geräth besteht, soviel wir bei Yeddo sahen, in einer Haue, einer Zinkenhacke, einem kleinen Spaten und einer Harke. Die Haue ist das beliebteste Instrument; sie dient zur Umarbeitung der Aecker, zugleich als Spaten und Harke und wird mit wunderbarer Geschicklichkeit gehandhabt. Den schmalen Spaten benutzt der Landmann nur zu kleinen Arbeiten, zum Räumen der Wassergräben und Glätten der Borde an den aufgeworfenen Beeten und Dämmen. Mit der krallen- zähnigen Harke werden bei der Arbeit zwischen den Reihen Wurzel- rückstände oder Unkraut aus dem Boden gezogen. In anderen Landestheilen gibt es Pflüge und Eggen; hölzerne Walzen sah der Verfasser auch bei Yeddo, aber nur in Gartenwirthschaften, wo sie zum Ebenen der Wege dienen. — Wahrscheinlich verdankt der japanische Landmann seine grossen Erfolge hauptsächlich der Spaten- wirthschaft und der starken Parcellirung der Grundstücke. Von der Garten- und Gewächsliebhaberei der Japaner ist schon früher die Rede gewesen; selbst in der Stadt, in den engen Gassen der Handelsquartiere von Yeddo hat fast jedes Haus sein grünes Fleckchen mit Duodezbäumen. Vielleicht führte grade die Beschränkung des Raumes auf die Erzeugung von Zwergpflanzen, die sich zur raffinirten Spielerei ausgebildet hat. Der Handelsvor- steher Meylan sah 1826 eine Schachtel von einem Quadratzoll Grund- fläche und drei Zoll Höhe, in welcher ein Bambusrohr, eine Tanne und ein Pflaumenbaum, letzterer in voller Blüthe, wuchsen und gediehen; für diese Curiosität wurde der Werth von 1200 Gulden gefordert. Die starke Verkrüppelung der Bäume scheint vorzüglich durch gehemmte Circulation der Säfte und Beschränkung, vielleicht auch Erkältung der Wurzeln in flachen porösen, von aussen stets feucht gehaltenen Töpfen erreicht zu werden. Man wählt die kleinsten Samen der kleinsten Exemplare, biegt und bindet den Stamm im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/93
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/93>, abgerufen am 22.11.2024.