Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Ringkämpfe.
Götze Darma, feuerroth angethan, mit grinsender Fratze; zu seinen
Füssen sitzen drei Marionetten, wenn wir unsere Begleiter recht
verstanden, kleine Darma's, die sich erheben und einen possierlichen
Tanz aufführen, wozu der alte Götze Gesichter schneidet. -- Den
Schluss bildete eine sehr drollige Darstellung: betrunkene Europäer
im Ganyiro von Yokuhama. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer war
natürlich zwischen unseren hölzernen Landsleuten auf der Bühne
und den nüchternen Originalen im Parterre getheilt, deren Vergnügen
an der Darstellung schallenden Jubel erregte. So endete das un-
schuldige Divertissement. -- Wirkliche Theater bekamen wir in
Yeddo nicht zu sehen, sie werden in Japan nur vom Volk und den
niederen Beamtenclassen besucht; man führt dort Tänze, Possen
und Zauberspiele, Mord- und Diebstragödien auf, wobei das Harakiru
eine grosse Rolle spielt. Die Darstellung soll übertrieben, aber nicht
ganz so conventionel und geschmacklos sein wie bei den Chinesen;
alle Frauenrollen werden von Männern gespielt. -- Eine dramatische
Litteratur höherer Art scheint es nicht zu geben.

Hier möge auch das in Japan so beliebte Schauspiel der
Ringkämpfe erwähnt werden; Einige von uns hatten Gelegenheit,
sich von der Wahrheit der unglaublichen Beschreibungen zu über-
zeugen, welche frühere Reisende davon gemacht haben. Die Ringer
werden von den japanischen Grossen zur eigenen und zur Volks-
Belustigung gehalten; sie scheinen zu deren Hofstaat zu gehören,
und ihr Metier in gutem Ansehn zu stehen. Von Gestalt sind sie
wahre Riesen, nicht bloss an Höhe, sondern an Ausdehnung aller
Körperformen, klumpige Fett- und Fleischmassen, denen man Ge-
wandtheit und andauernde Muskelkraft nicht zutrauen sollte. Doch
hebt ein solches Ungeheuer nach glaubwürdigem Zeugniss mit Leich-
tigkeit zwei centnerschwere Reissäcke auf die Schultern und trägt sie
tanzend davon. Von Gewandtheit und Ausdauer zeugen ihre Kämpfe,
bei denen sie bald ringen und einander zu Boden werfen, bald wie
Bullen die Köpfe mit Donnergewalt gegen einander rennen, dass
Blutströme zur Erde fliessen. Der Anblick soll widerlich sein; die
Ringer ahmen auch die Gewohnheiten des Stieres nach, dessen
Natur sie angenommen haben; sie stampfen vor dem Angriff den
Boden mit den Füssen, stieren einander wüthend an, wühlen den
Sand auf und schleudern ihn brüllend und schnaufend über ihre
Schultern. Dank den dicken Fettmassen sind ihre Wunden nicht
gefährlich und nach dem Kampfe stehen sie lachend wieder auf.

VI. Ringkämpfe.
Götze Darma, feuerroth angethan, mit grinsender Fratze; zu seinen
Füssen sitzen drei Marionetten, wenn wir unsere Begleiter recht
verstanden, kleine Darma’s, die sich erheben und einen possierlichen
Tanz aufführen, wozu der alte Götze Gesichter schneidet. — Den
Schluss bildete eine sehr drollige Darstellung: betrunkene Europäer
im Ganyiro von Yokuhama. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer war
natürlich zwischen unseren hölzernen Landsleuten auf der Bühne
und den nüchternen Originalen im Parterre getheilt, deren Vergnügen
an der Darstellung schallenden Jubel erregte. So endete das un-
schuldige Divertissement. — Wirkliche Theater bekamen wir in
Yeddo nicht zu sehen, sie werden in Japan nur vom Volk und den
niederen Beamtenclassen besucht; man führt dort Tänze, Possen
und Zauberspiele, Mord- und Diebstragödien auf, wobei das Harakiru
eine grosse Rolle spielt. Die Darstellung soll übertrieben, aber nicht
ganz so conventionel und geschmacklos sein wie bei den Chinesen;
alle Frauenrollen werden von Männern gespielt. — Eine dramatische
Litteratur höherer Art scheint es nicht zu geben.

Hier möge auch das in Japan so beliebte Schauspiel der
Ringkämpfe erwähnt werden; Einige von uns hatten Gelegenheit,
sich von der Wahrheit der unglaublichen Beschreibungen zu über-
zeugen, welche frühere Reisende davon gemacht haben. Die Ringer
werden von den japanischen Grossen zur eigenen und zur Volks-
Belustigung gehalten; sie scheinen zu deren Hofstaat zu gehören,
und ihr Métier in gutem Ansehn zu stehen. Von Gestalt sind sie
wahre Riesen, nicht bloss an Höhe, sondern an Ausdehnung aller
Körperformen, klumpige Fett- und Fleischmassen, denen man Ge-
wandtheit und andauernde Muskelkraft nicht zutrauen sollte. Doch
hebt ein solches Ungeheuer nach glaubwürdigem Zeugniss mit Leich-
tigkeit zwei centnerschwere Reissäcke auf die Schultern und trägt sie
tanzend davon. Von Gewandtheit und Ausdauer zeugen ihre Kämpfe,
bei denen sie bald ringen und einander zu Boden werfen, bald wie
Bullen die Köpfe mit Donnergewalt gegen einander rennen, dass
Blutströme zur Erde fliessen. Der Anblick soll widerlich sein; die
Ringer ahmen auch die Gewohnheiten des Stieres nach, dessen
Natur sie angenommen haben; sie stampfen vor dem Angriff den
Boden mit den Füssen, stieren einander wüthend an, wühlen den
Sand auf und schleudern ihn brüllend und schnaufend über ihre
Schultern. Dank den dicken Fettmassen sind ihre Wunden nicht
gefährlich und nach dem Kampfe stehen sie lachend wieder auf.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="41"/><fw place="top" type="header">VI. Ringkämpfe.</fw><lb/>
Götze <hi rendition="#k">Darma</hi>, feuerroth angethan, mit grinsender Fratze; zu seinen<lb/>
Füssen sitzen drei Marionetten, wenn wir unsere Begleiter recht<lb/>
verstanden, kleine <hi rendition="#k">Darma</hi>&#x2019;s, die sich erheben und einen possierlichen<lb/>
Tanz aufführen, wozu der alte Götze Gesichter schneidet. &#x2014; Den<lb/>
Schluss bildete eine sehr drollige Darstellung: betrunkene Europäer<lb/>
im <hi rendition="#k">Ganyiro</hi> von <hi rendition="#k"><placeName>Yokuhama</placeName></hi>. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer war<lb/>
natürlich zwischen unseren hölzernen Landsleuten auf der Bühne<lb/>
und den nüchternen Originalen im Parterre getheilt, deren Vergnügen<lb/>
an der Darstellung schallenden Jubel erregte. So endete das un-<lb/>
schuldige Divertissement. &#x2014; Wirkliche Theater bekamen wir in<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> nicht zu sehen, sie werden in <placeName>Japan</placeName> nur vom Volk und den<lb/>
niederen Beamtenclassen besucht; man führt dort Tänze, Possen<lb/>
und Zauberspiele, Mord- und Diebstragödien auf, wobei das <hi rendition="#k">Harakiru</hi><lb/>
eine grosse Rolle spielt. Die Darstellung soll übertrieben, aber nicht<lb/>
ganz so conventionel und geschmacklos sein wie bei den Chinesen;<lb/>
alle Frauenrollen werden von Männern gespielt. &#x2014; Eine dramatische<lb/>
Litteratur höherer Art scheint es nicht zu geben.</p><lb/>
          <p>Hier möge auch das in <placeName>Japan</placeName> so beliebte Schauspiel der<lb/>
Ringkämpfe erwähnt werden; Einige von uns hatten Gelegenheit,<lb/>
sich von der Wahrheit der unglaublichen Beschreibungen zu über-<lb/>
zeugen, welche frühere Reisende davon gemacht haben. Die Ringer<lb/>
werden von den japanischen Grossen zur eigenen und zur Volks-<lb/>
Belustigung gehalten; sie scheinen zu deren Hofstaat zu gehören,<lb/>
und ihr Métier in gutem Ansehn zu stehen. Von Gestalt sind sie<lb/>
wahre Riesen, nicht bloss an Höhe, sondern an Ausdehnung aller<lb/>
Körperformen, klumpige Fett- und Fleischmassen, denen man Ge-<lb/>
wandtheit und andauernde Muskelkraft nicht zutrauen sollte. Doch<lb/>
hebt ein solches Ungeheuer nach glaubwürdigem Zeugniss mit Leich-<lb/>
tigkeit zwei centnerschwere Reissäcke auf die Schultern und trägt sie<lb/>
tanzend davon. Von Gewandtheit und Ausdauer zeugen ihre Kämpfe,<lb/>
bei denen sie bald ringen und einander zu Boden werfen, bald wie<lb/>
Bullen die Köpfe mit Donnergewalt gegen einander rennen, dass<lb/>
Blutströme zur Erde fliessen. Der Anblick soll widerlich sein; die<lb/>
Ringer ahmen auch die Gewohnheiten des Stieres nach, dessen<lb/>
Natur sie angenommen haben; sie stampfen vor dem Angriff den<lb/>
Boden mit den Füssen, stieren einander wüthend an, wühlen den<lb/>
Sand auf und schleudern ihn brüllend und schnaufend über ihre<lb/>
Schultern. Dank den dicken Fettmassen sind ihre Wunden nicht<lb/>
gefährlich und nach dem Kampfe stehen sie lachend wieder auf.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0061] VI. Ringkämpfe. Götze Darma, feuerroth angethan, mit grinsender Fratze; zu seinen Füssen sitzen drei Marionetten, wenn wir unsere Begleiter recht verstanden, kleine Darma’s, die sich erheben und einen possierlichen Tanz aufführen, wozu der alte Götze Gesichter schneidet. — Den Schluss bildete eine sehr drollige Darstellung: betrunkene Europäer im Ganyiro von Yokuhama. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer war natürlich zwischen unseren hölzernen Landsleuten auf der Bühne und den nüchternen Originalen im Parterre getheilt, deren Vergnügen an der Darstellung schallenden Jubel erregte. So endete das un- schuldige Divertissement. — Wirkliche Theater bekamen wir in Yeddo nicht zu sehen, sie werden in Japan nur vom Volk und den niederen Beamtenclassen besucht; man führt dort Tänze, Possen und Zauberspiele, Mord- und Diebstragödien auf, wobei das Harakiru eine grosse Rolle spielt. Die Darstellung soll übertrieben, aber nicht ganz so conventionel und geschmacklos sein wie bei den Chinesen; alle Frauenrollen werden von Männern gespielt. — Eine dramatische Litteratur höherer Art scheint es nicht zu geben. Hier möge auch das in Japan so beliebte Schauspiel der Ringkämpfe erwähnt werden; Einige von uns hatten Gelegenheit, sich von der Wahrheit der unglaublichen Beschreibungen zu über- zeugen, welche frühere Reisende davon gemacht haben. Die Ringer werden von den japanischen Grossen zur eigenen und zur Volks- Belustigung gehalten; sie scheinen zu deren Hofstaat zu gehören, und ihr Métier in gutem Ansehn zu stehen. Von Gestalt sind sie wahre Riesen, nicht bloss an Höhe, sondern an Ausdehnung aller Körperformen, klumpige Fett- und Fleischmassen, denen man Ge- wandtheit und andauernde Muskelkraft nicht zutrauen sollte. Doch hebt ein solches Ungeheuer nach glaubwürdigem Zeugniss mit Leich- tigkeit zwei centnerschwere Reissäcke auf die Schultern und trägt sie tanzend davon. Von Gewandtheit und Ausdauer zeugen ihre Kämpfe, bei denen sie bald ringen und einander zu Boden werfen, bald wie Bullen die Köpfe mit Donnergewalt gegen einander rennen, dass Blutströme zur Erde fliessen. Der Anblick soll widerlich sein; die Ringer ahmen auch die Gewohnheiten des Stieres nach, dessen Natur sie angenommen haben; sie stampfen vor dem Angriff den Boden mit den Füssen, stieren einander wüthend an, wühlen den Sand auf und schleudern ihn brüllend und schnaufend über ihre Schultern. Dank den dicken Fettmassen sind ihre Wunden nicht gefährlich und nach dem Kampfe stehen sie lachend wieder auf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/61
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/61>, abgerufen am 27.04.2024.