[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.Lebendigkeit der Japaner. VI. Während andere Asiaten nach nothdürftig gethaner Arbeit stunden-lang schläfrig auf ihren Fersen hocken, rauchend, Betel kauend. oder in völliger Apathie in die Luft starrend, ist die Erholung der Japaner immer eine thätige. Selbst unsere liederlichen Betto's spielten Schach 14) in den Ställen. Diese Lust an thätigem Genuss ist sicher ein Zeichen von Lebenskraft, geistiger Frische und Fähig- keit zu höherer Bildung. Jedes Alter, jeder Stand hat seine Ver- gnügungen, deren Reiz in der Entwickelung von Geistesgegenwart, Spannkraft und Gewandtheit liegt. Der Sinn der Kinder wird von frühester Jugend durch die mannichfaltigsten Spielzeuge 15) geweckt, und ältere Personen nehmen an ihren Vergnügungen lebendigen Antheil. -- Wie zart und rücksichtsvoll die Kinder behandelt werden, wie eifrig man für ihren Unterricht sorgt, ist schon erwähnt worden; Heranwachsende sollen oft die Schiedsrichter in kleinen Streitigkeiten der Eltern abgeben müssen. Dass die japanische Jugend auch ihre Flegeljahre hat, dass junge Leute oft über die Schnur hauen und die Vergnügungen, namentlich der zum Nichtsthun privilegirten Daimio-Trabanten häufig in Ausschweifungen und Laster ausarten, braucht kaum gesagt zu werden, aber selbst in diesen Ausartungen zeigt sich die sprudelnde Lebenskraft des Volkes, dem jede Stagna- tion und träumerische Lethargie fremd ist. Japan hat sich in seiner 14) Das japanische Schachspiel hat viel mehr Figuren als das unsere; sie bestehen in Holzblöckchen, mit Zeichen bemalt die ihren Werth ausdrücken. Nicht nur die Bauern, sondern fast jede Figur erhält, wenn sie die hinterste Reihe des Gegners erreicht, einen höheren Werth; die Blöckchen tragen auf der Rückseite das Zeichen desselben, und werden dann einfach umgedreht. Sie sind vierseitig, aber schief ab- gedacht und die Abdachung stets dem Gegner zugewendet. Dadurch lassen sich die durch keine Farben unterschiedenen Figuren der beiden Partheien erkennen. Die genommenen setzt der Spieler als seine eigenen auf das Feld. -- Ein anderes Spiel, das die Kaufleute vielfach in den Läden spielen, gleicht unserem Mühlenziehen. Die Steine der beiden Partheien haben verschiedene Farbe und werden auf einen Bogen Papier mit vielen Puncten gesetzt; gelingt es, einen Stein des Gegners vollständig einzuschliessen, so ist dieser genommen. 15) Es würde die Mühe und Kosten reichlich lohnen, eine Ladung japanischer
Spielzeuge nach Europa zu schicken. Der vielfachen Kreiselspiele ist schon im ersten Bande (S. 311, 347) erwähnt worden. Auch die japanischen Drachen würden den Neid unserer Jugend erregen; sie sind weit kunstreicher gebaut als die unseren und haben die abentheuerlichsten Formen. Es ist beim Spiel derselben nicht allein auf das Steigenlassen, sondern auf einen Wettkampf abgesehen. Die Schnüre sind mit gestossenem Glass überzogen; wem es gelingt mit seiner Schnur die des anderen zu durchschneiden, so dass der Drachen herunterfällt, dem gehört er. Lebendigkeit der Japaner. VI. Während andere Asiaten nach nothdürftig gethaner Arbeit stunden-lang schläfrig auf ihren Fersen hocken, rauchend, Betel kauend. oder in völliger Apathie in die Luft starrend, ist die Erholung der Japaner immer eine thätige. Selbst unsere liederlichen Betto’s spielten Schach 14) in den Ställen. Diese Lust an thätigem Genuss ist sicher ein Zeichen von Lebenskraft, geistiger Frische und Fähig- keit zu höherer Bildung. Jedes Alter, jeder Stand hat seine Ver- gnügungen, deren Reiz in der Entwickelung von Geistesgegenwart, Spannkraft und Gewandtheit liegt. Der Sinn der Kinder wird von frühester Jugend durch die mannichfaltigsten Spielzeuge 15) geweckt, und ältere Personen nehmen an ihren Vergnügungen lebendigen Antheil. — Wie zart und rücksichtsvoll die Kinder behandelt werden, wie eifrig man für ihren Unterricht sorgt, ist schon erwähnt worden; Heranwachsende sollen oft die Schiedsrichter in kleinen Streitigkeiten der Eltern abgeben müssen. Dass die japanische Jugend auch ihre Flegeljahre hat, dass junge Leute oft über die Schnur hauen und die Vergnügungen, namentlich der zum Nichtsthun privilegirten Daïmio-Trabanten häufig in Ausschweifungen und Laster ausarten, braucht kaum gesagt zu werden, aber selbst in diesen Ausartungen zeigt sich die sprudelnde Lebenskraft des Volkes, dem jede Stagna- tion und träumerische Lethargie fremd ist. Japan hat sich in seiner 14) Das japanische Schachspiel hat viel mehr Figuren als das unsere; sie bestehen in Holzblöckchen, mit Zeichen bemalt die ihren Werth ausdrücken. Nicht nur die Bauern, sondern fast jede Figur erhält, wenn sie die hinterste Reihe des Gegners erreicht, einen höheren Werth; die Blöckchen tragen auf der Rückseite das Zeichen desselben, und werden dann einfach umgedreht. Sie sind vierseitig, aber schief ab- gedacht und die Abdachung stets dem Gegner zugewendet. Dadurch lassen sich die durch keine Farben unterschiedenen Figuren der beiden Partheien erkennen. Die genommenen setzt der Spieler als seine eigenen auf das Feld. — Ein anderes Spiel, das die Kaufleute vielfach in den Läden spielen, gleicht unserem Mühlenziehen. Die Steine der beiden Partheien haben verschiedene Farbe und werden auf einen Bogen Papier mit vielen Puncten gesetzt; gelingt es, einen Stein des Gegners vollständig einzuschliessen, so ist dieser genommen. 15) Es würde die Mühe und Kosten reichlich lohnen, eine Ladung japanischer
Spielzeuge nach Europa zu schicken. Der vielfachen Kreiselspiele ist schon im ersten Bande (S. 311, 347) erwähnt worden. Auch die japanischen Drachen würden den Neid unserer Jugend erregen; sie sind weit kunstreicher gebaut als die unseren und haben die abentheuerlichsten Formen. Es ist beim Spiel derselben nicht allein auf das Steigenlassen, sondern auf einen Wettkampf abgesehen. Die Schnüre sind mit gestossenem Glass überzogen; wem es gelingt mit seiner Schnur die des anderen zu durchschneiden, so dass der Drachen herunterfällt, dem gehört er. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0056" n="36"/><fw place="top" type="header">Lebendigkeit der Japaner. VI.</fw><lb/> Während andere Asiaten nach nothdürftig gethaner Arbeit stunden-<lb/> lang schläfrig auf ihren Fersen hocken, rauchend, Betel kauend.<lb/> oder in völliger Apathie in die Luft starrend, ist die Erholung der<lb/> Japaner immer eine thätige. Selbst unsere liederlichen <hi rendition="#k">Betto</hi>’s<lb/> spielten Schach <note place="foot" n="14)">Das japanische Schachspiel hat viel mehr Figuren als das unsere; sie bestehen<lb/> in Holzblöckchen, mit Zeichen bemalt die ihren Werth ausdrücken. Nicht nur die<lb/> Bauern, sondern fast jede Figur erhält, wenn sie die hinterste Reihe des Gegners<lb/> erreicht, einen höheren Werth; die Blöckchen tragen auf der Rückseite das Zeichen<lb/> desselben, und werden dann einfach umgedreht. Sie sind vierseitig, aber schief ab-<lb/> gedacht und die Abdachung stets dem Gegner zugewendet. Dadurch lassen sich die<lb/> durch keine Farben unterschiedenen Figuren der beiden Partheien erkennen. Die<lb/> genommenen setzt der Spieler als seine eigenen auf das Feld. — Ein anderes Spiel,<lb/> das die Kaufleute vielfach in den Läden spielen, gleicht unserem Mühlenziehen. Die<lb/> Steine der beiden Partheien haben verschiedene Farbe und werden auf einen Bogen<lb/> Papier mit vielen Puncten gesetzt; gelingt es, einen Stein des Gegners vollständig<lb/> einzuschliessen, so ist dieser genommen.</note> in den Ställen. Diese Lust an thätigem Genuss<lb/> ist sicher ein Zeichen von Lebenskraft, geistiger Frische und Fähig-<lb/> keit zu höherer Bildung. Jedes Alter, jeder Stand hat seine Ver-<lb/> gnügungen, deren Reiz in der Entwickelung von Geistesgegenwart,<lb/> Spannkraft und Gewandtheit liegt. Der Sinn der Kinder wird von<lb/> frühester Jugend durch die mannichfaltigsten Spielzeuge <note place="foot" n="15)">Es würde die Mühe und Kosten reichlich lohnen, eine Ladung japanischer<lb/> Spielzeuge nach <placeName>Europa</placeName> zu schicken. Der vielfachen Kreiselspiele ist schon im ersten<lb/> Bande (S. 311, 347) erwähnt worden. Auch die japanischen Drachen würden den<lb/> Neid unserer Jugend erregen; sie sind weit kunstreicher gebaut als die unseren und<lb/> haben die abentheuerlichsten Formen. Es ist beim Spiel derselben nicht allein auf<lb/> das Steigenlassen, sondern auf einen Wettkampf abgesehen. Die Schnüre sind mit<lb/> gestossenem Glass überzogen; wem es gelingt mit seiner Schnur die des anderen zu<lb/> durchschneiden, so dass der Drachen herunterfällt, dem gehört er.</note> geweckt,<lb/> und ältere Personen nehmen an ihren Vergnügungen lebendigen<lb/> Antheil. — Wie zart und rücksichtsvoll die Kinder behandelt werden,<lb/> wie eifrig man für ihren Unterricht sorgt, ist schon erwähnt worden;<lb/> Heranwachsende sollen oft die Schiedsrichter in kleinen Streitigkeiten<lb/> der Eltern abgeben müssen. Dass die japanische Jugend auch ihre<lb/> Flegeljahre hat, dass junge Leute oft über die Schnur hauen und<lb/> die Vergnügungen, namentlich der zum Nichtsthun privilegirten<lb/><hi rendition="#k">Daïmio</hi>-Trabanten häufig in Ausschweifungen und Laster ausarten,<lb/> braucht kaum gesagt zu werden, aber selbst in diesen Ausartungen<lb/> zeigt sich die sprudelnde Lebenskraft des Volkes, dem jede Stagna-<lb/> tion und träumerische Lethargie fremd ist. <placeName>Japan</placeName> hat sich in seiner<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0056]
Lebendigkeit der Japaner. VI.
Während andere Asiaten nach nothdürftig gethaner Arbeit stunden-
lang schläfrig auf ihren Fersen hocken, rauchend, Betel kauend.
oder in völliger Apathie in die Luft starrend, ist die Erholung der
Japaner immer eine thätige. Selbst unsere liederlichen Betto’s
spielten Schach 14) in den Ställen. Diese Lust an thätigem Genuss
ist sicher ein Zeichen von Lebenskraft, geistiger Frische und Fähig-
keit zu höherer Bildung. Jedes Alter, jeder Stand hat seine Ver-
gnügungen, deren Reiz in der Entwickelung von Geistesgegenwart,
Spannkraft und Gewandtheit liegt. Der Sinn der Kinder wird von
frühester Jugend durch die mannichfaltigsten Spielzeuge 15) geweckt,
und ältere Personen nehmen an ihren Vergnügungen lebendigen
Antheil. — Wie zart und rücksichtsvoll die Kinder behandelt werden,
wie eifrig man für ihren Unterricht sorgt, ist schon erwähnt worden;
Heranwachsende sollen oft die Schiedsrichter in kleinen Streitigkeiten
der Eltern abgeben müssen. Dass die japanische Jugend auch ihre
Flegeljahre hat, dass junge Leute oft über die Schnur hauen und
die Vergnügungen, namentlich der zum Nichtsthun privilegirten
Daïmio-Trabanten häufig in Ausschweifungen und Laster ausarten,
braucht kaum gesagt zu werden, aber selbst in diesen Ausartungen
zeigt sich die sprudelnde Lebenskraft des Volkes, dem jede Stagna-
tion und träumerische Lethargie fremd ist. Japan hat sich in seiner
14) Das japanische Schachspiel hat viel mehr Figuren als das unsere; sie bestehen
in Holzblöckchen, mit Zeichen bemalt die ihren Werth ausdrücken. Nicht nur die
Bauern, sondern fast jede Figur erhält, wenn sie die hinterste Reihe des Gegners
erreicht, einen höheren Werth; die Blöckchen tragen auf der Rückseite das Zeichen
desselben, und werden dann einfach umgedreht. Sie sind vierseitig, aber schief ab-
gedacht und die Abdachung stets dem Gegner zugewendet. Dadurch lassen sich die
durch keine Farben unterschiedenen Figuren der beiden Partheien erkennen. Die
genommenen setzt der Spieler als seine eigenen auf das Feld. — Ein anderes Spiel,
das die Kaufleute vielfach in den Läden spielen, gleicht unserem Mühlenziehen. Die
Steine der beiden Partheien haben verschiedene Farbe und werden auf einen Bogen
Papier mit vielen Puncten gesetzt; gelingt es, einen Stein des Gegners vollständig
einzuschliessen, so ist dieser genommen.
15) Es würde die Mühe und Kosten reichlich lohnen, eine Ladung japanischer
Spielzeuge nach Europa zu schicken. Der vielfachen Kreiselspiele ist schon im ersten
Bande (S. 311, 347) erwähnt worden. Auch die japanischen Drachen würden den
Neid unserer Jugend erregen; sie sind weit kunstreicher gebaut als die unseren und
haben die abentheuerlichsten Formen. Es ist beim Spiel derselben nicht allein auf
das Steigenlassen, sondern auf einen Wettkampf abgesehen. Die Schnüre sind mit
gestossenem Glass überzogen; wem es gelingt mit seiner Schnur die des anderen zu
durchschneiden, so dass der Drachen herunterfällt, dem gehört er.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |