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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Zerstörung von Nangato's Palästen. Anh. II.
mächtigster Gegner verging sich gegen den Mikado, dessen Willen
nur durch thatkräftigen Beistand Gewicht erhält, und erlitt oben-
drein eine arge Niederlage durch die Fremden. Zu gleicher Zeit
änderte sich die Politik der feindlichen Daimio's, die, nach ver-
geblichen Versuchen den Taikun in Krieg mit den Fremden zu ver-
wickeln, jetzt die Maske abwarfen und eifrig deren Freundschaft
suchten. Beide Partheien, der Taikun und die Daimio's haben seit-
dem nur gestrebt, ihre materielle Macht mit Hülfe des Auslandes
zu stärken, um einander die Spitze zu bieten. Den Fremden ge-
fährlich sind nur noch fanatische Lonine, die, jetzt wohl ohne
anderen Rückhalt als den ohnmächtigen des altjapanisch-dünkel-
haften Hofes von Miako, hin und wieder Gewaltthaten verüben.

Dass der Reichsrath gegen den Fürsten von Nangato Ernst
machen wolle, bewies er zunächst durch Zerstörung seiner Paläste
in Yeddo. Dort wurde eines Tages im September eine Procla-
mation in den Strassen angeheftet, welche seine Vergehungen gegen
den Mikado aufzählte und den Bewohnern der Hauptstadt verbot,
den folgenden Morgen von acht bis zehn Uhr ihre Häuser zu ver-
lassen; nachher dürften sie sich das Zerstörungswerk ansehen. Die
Paläste wurden dem Boden gleich gemacht. Nach alt-japanischem
Gesetze waren auch alle Trabanten des Fürsten und deren Familien
dem Tode verfallen, doch scheinen nur wenige, die freiwillig aus-
harrten, von der Katastrophe betroffen worden zu sein.

Die Regierungsbeamten verbargen bei Rückkehr der Alliirten
nach Yokuhama ihre Freude über deren Erfolge durchaus nicht,
drangen aber ängstlich auf Zurückberufung der vor Simonoseki ge-
bliebenen Schiffe; mit der wahren Gesinnung des Fürsten vertraut,
befürchteten sie offenbar die Anbahnung freundschaftlichen Verkehrs.
Die Repräsentanten der Vertragsmächte suchten diese Stimmung zur
Beseitigung drückender Uebelstände zu benutzen und fanden williges
Gehör. Nachdem am 30. September die letzten Schiffe in Yokuhama
eingetroffen, gingen am 5. October die vereinigten Geschwader nach
Yeddo; die Diplomaten bezogen mit Gefolge und militärischer Be-
deckung ihre früheren Wohnsitze und wurden schon am nächsten
Tage vom Gorodzio in feierlicher Sitzung empfangen. Sie schlossen
mit demselben eine Convention ab, in welcher die Regierung des Taikun,
als verantwortlich für allen aus Verletzung der Verträge erwachsen-
den Schaden, zur Zahlung von drei Millionen Dollars Kriegs-
kosten und Lösegeld verpflichtet, ihr jedoch die Wahl gelassen

Zerstörung von Naṅgato’s Palästen. Anh. II.
mächtigster Gegner verging sich gegen den Mikado, dessen Willen
nur durch thatkräftigen Beistand Gewicht erhält, und erlitt oben-
drein eine arge Niederlage durch die Fremden. Zu gleicher Zeit
änderte sich die Politik der feindlichen Daïmio’s, die, nach ver-
geblichen Versuchen den Taïkūn in Krieg mit den Fremden zu ver-
wickeln, jetzt die Maske abwarfen und eifrig deren Freundschaft
suchten. Beide Partheien, der Taïkūn und die Daïmio’s haben seit-
dem nur gestrebt, ihre materielle Macht mit Hülfe des Auslandes
zu stärken, um einander die Spitze zu bieten. Den Fremden ge-
fährlich sind nur noch fanatische Lonine, die, jetzt wohl ohne
anderen Rückhalt als den ohnmächtigen des altjapanisch-dünkel-
haften Hofes von Miako, hin und wieder Gewaltthaten verüben.

Dass der Reichsrath gegen den Fürsten von Naṅgato Ernst
machen wolle, bewies er zunächst durch Zerstörung seiner Paläste
in Yeddo. Dort wurde eines Tages im September eine Procla-
mation in den Strassen angeheftet, welche seine Vergehungen gegen
den Mikado aufzählte und den Bewohnern der Hauptstadt verbot,
den folgenden Morgen von acht bis zehn Uhr ihre Häuser zu ver-
lassen; nachher dürften sie sich das Zerstörungswerk ansehen. Die
Paläste wurden dem Boden gleich gemacht. Nach alt-japanischem
Gesetze waren auch alle Trabanten des Fürsten und deren Familien
dem Tode verfallen, doch scheinen nur wenige, die freiwillig aus-
harrten, von der Katastrophe betroffen worden zu sein.

Die Regierungsbeamten verbargen bei Rückkehr der Alliirten
nach Yokuhama ihre Freude über deren Erfolge durchaus nicht,
drangen aber ängstlich auf Zurückberufung der vor Simonoseki ge-
bliebenen Schiffe; mit der wahren Gesinnung des Fürsten vertraut,
befürchteten sie offenbar die Anbahnung freundschaftlichen Verkehrs.
Die Repräsentanten der Vertragsmächte suchten diese Stimmung zur
Beseitigung drückender Uebelstände zu benutzen und fanden williges
Gehör. Nachdem am 30. September die letzten Schiffe in Yokuhama
eingetroffen, gingen am 5. October die vereinigten Geschwader nach
Yeddo; die Diplomaten bezogen mit Gefolge und militärischer Be-
deckung ihre früheren Wohnsitze und wurden schon am nächsten
Tage vom Gorodžio in feierlicher Sitzung empfangen. Sie schlossen
mit demselben eine Convention ab, in welcher die Regierung des Taïkūn,
als verantwortlich für allen aus Verletzung der Verträge erwachsen-
den Schaden, zur Zahlung von drei Millionen Dollars Kriegs-
kosten und Lösegeld verpflichtet, ihr jedoch die Wahl gelassen

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[348/0368] Zerstörung von Naṅgato’s Palästen. Anh. II. mächtigster Gegner verging sich gegen den Mikado, dessen Willen nur durch thatkräftigen Beistand Gewicht erhält, und erlitt oben- drein eine arge Niederlage durch die Fremden. Zu gleicher Zeit änderte sich die Politik der feindlichen Daïmio’s, die, nach ver- geblichen Versuchen den Taïkūn in Krieg mit den Fremden zu ver- wickeln, jetzt die Maske abwarfen und eifrig deren Freundschaft suchten. Beide Partheien, der Taïkūn und die Daïmio’s haben seit- dem nur gestrebt, ihre materielle Macht mit Hülfe des Auslandes zu stärken, um einander die Spitze zu bieten. Den Fremden ge- fährlich sind nur noch fanatische Lonine, die, jetzt wohl ohne anderen Rückhalt als den ohnmächtigen des altjapanisch-dünkel- haften Hofes von Miako, hin und wieder Gewaltthaten verüben. Dass der Reichsrath gegen den Fürsten von Naṅgato Ernst machen wolle, bewies er zunächst durch Zerstörung seiner Paläste in Yeddo. Dort wurde eines Tages im September eine Procla- mation in den Strassen angeheftet, welche seine Vergehungen gegen den Mikado aufzählte und den Bewohnern der Hauptstadt verbot, den folgenden Morgen von acht bis zehn Uhr ihre Häuser zu ver- lassen; nachher dürften sie sich das Zerstörungswerk ansehen. Die Paläste wurden dem Boden gleich gemacht. Nach alt-japanischem Gesetze waren auch alle Trabanten des Fürsten und deren Familien dem Tode verfallen, doch scheinen nur wenige, die freiwillig aus- harrten, von der Katastrophe betroffen worden zu sein. Die Regierungsbeamten verbargen bei Rückkehr der Alliirten nach Yokuhama ihre Freude über deren Erfolge durchaus nicht, drangen aber ängstlich auf Zurückberufung der vor Simonoseki ge- bliebenen Schiffe; mit der wahren Gesinnung des Fürsten vertraut, befürchteten sie offenbar die Anbahnung freundschaftlichen Verkehrs. Die Repräsentanten der Vertragsmächte suchten diese Stimmung zur Beseitigung drückender Uebelstände zu benutzen und fanden williges Gehör. Nachdem am 30. September die letzten Schiffe in Yokuhama eingetroffen, gingen am 5. October die vereinigten Geschwader nach Yeddo; die Diplomaten bezogen mit Gefolge und militärischer Be- deckung ihre früheren Wohnsitze und wurden schon am nächsten Tage vom Gorodžio in feierlicher Sitzung empfangen. Sie schlossen mit demselben eine Convention ab, in welcher die Regierung des Taïkūn, als verantwortlich für allen aus Verletzung der Verträge erwachsen- den Schaden, zur Zahlung von drei Millionen Dollars Kriegs- kosten und Lösegeld verpflichtet, ihr jedoch die Wahl gelassen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/368>, abgerufen am 21.05.2024.