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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Ultimatum. Verwickelung. Anh. II.
englischer Officiere wurde dem Fürsten von Satsuma auferlegt, und
der Reichsrath zur Uebermittellung dieser Forderung unter dem
Zusatz ersucht, dass der Geschäftsträger sie im Weigerungsfalle an
den Fürsten selbst in einem von dessen Häfen stellen werde, da
die Centralgewalt sich unfähig erkläre ihn zur Rechenschaft zu
ziehen. Diese Note wurde am 6. April überreicht und stellte
eine Frist von zwanzig Tagen, nach deren Ablauf die Feindselig-
keiten beginnen sollten. Herr Neale liess den Inhalt derselben
zugleich den englischen Unterthanen in Yokuhama mittheilen und
forderte sie zu Maassregeln der Sicherung ihres Eigenthumes und
ihrer Handelsinteressen für die Eventualität des Krieges auf, unter
der Benachrichtigung, dass der Chef des englischen Geschwaders
sich mit den Diplomaten und Schiffscommandanten der anderen
Nationen über die gemeinsamen Schutz- und Vertheidigungsanstalten
der Niederlassung für den Fall eines Angriffs verständigen würde.

Die japanische Regierung erklärte bald nach Empfang des
Ultimatums, dass in Abwesenheit des Taikun nichts entschieden
werden könne; dieser würde sich nach seiner Rückkehr mit den
englischen Forderungen beschäftigen, aber schon die Nothwendig-
keit mit ihm zu communiciren mache eine längere Frist nothwendig;
den Schritten gegen Satsuma könne sie nicht beitreten, ohne ge-
wissermaassen ihre Existenz zu leugnen. -- Herr Neale fragte an,
wie viel Zeit die Regierung brauche, um eine definitive Antwort zu
geben; sie liess aber lange garnichts von sich hören und schien
durch das Ultimatum nicht sehr beunruhigt. Man hörte die Bunyo's
die Hoffnung aussprechen, dass die Engländer sich von der Unge-
hörigkeit ihrer Forderungen überzeugen und davon abstehen wür-
den. Die Fremden lebten unterdessen in grosser Spannung. Die Japaner
in Yokuhama erzählten wieder von Lonin-Banden, welche sich in der
Umgegend herumtrieben und einen Angriff auf die Niederlassung
beabsichtigten, von Truppen, die sich in der Nähe sammelten, und
versteckten Batterieen auf den das Städtchen dominirenden Höhen.
Die Ansiedler gingen bewaffnet und verbarricadirten sich Nachts in
den Häusern. Es schien in der That, als wolle die Regierung den
Forderungen nicht weichen: sämmtliche Dampf- und Segelschiffe
des Taikun gingen aus dem Golf von Yeddo nach dem Binnen-
meere ab, und die Daimio's verliessen mit ihren Familien in langen
Zügen die Hauptstadt, deren Beschiessung man für den Kriegsfall
wohl zunächst erwartete. Mitte April setzte das Gerücht die An-

Ultimatum. Verwickelung. Anh. II.
englischer Officiere wurde dem Fürsten von Satsuma auferlegt, und
der Reichsrath zur Uebermittellung dieser Forderung unter dem
Zusatz ersucht, dass der Geschäftsträger sie im Weigerungsfalle an
den Fürsten selbst in einem von dessen Häfen stellen werde, da
die Centralgewalt sich unfähig erkläre ihn zur Rechenschaft zu
ziehen. Diese Note wurde am 6. April überreicht und stellte
eine Frist von zwanzig Tagen, nach deren Ablauf die Feindselig-
keiten beginnen sollten. Herr Neale liess den Inhalt derselben
zugleich den englischen Unterthanen in Yokuhama mittheilen und
forderte sie zu Maassregeln der Sicherung ihres Eigenthumes und
ihrer Handelsinteressen für die Eventualität des Krieges auf, unter
der Benachrichtigung, dass der Chef des englischen Geschwaders
sich mit den Diplomaten und Schiffscommandanten der anderen
Nationen über die gemeinsamen Schutz- und Vertheidigungsanstalten
der Niederlassung für den Fall eines Angriffs verständigen würde.

Die japanische Regierung erklärte bald nach Empfang des
Ultimatums, dass in Abwesenheit des Taïkūn nichts entschieden
werden könne; dieser würde sich nach seiner Rückkehr mit den
englischen Forderungen beschäftigen, aber schon die Nothwendig-
keit mit ihm zu communiciren mache eine längere Frist nothwendig;
den Schritten gegen Satsuma könne sie nicht beitreten, ohne ge-
wissermaassen ihre Existenz zu leugnen. — Herr Neale fragte an,
wie viel Zeit die Regierung brauche, um eine definitive Antwort zu
geben; sie liess aber lange garnichts von sich hören und schien
durch das Ultimatum nicht sehr beunruhigt. Man hörte die Bunyo’s
die Hoffnung aussprechen, dass die Engländer sich von der Unge-
hörigkeit ihrer Forderungen überzeugen und davon abstehen wür-
den. Die Fremden lebten unterdessen in grosser Spannung. Die Japaner
in Yokuhama erzählten wieder von Lonin-Banden, welche sich in der
Umgegend herumtrieben und einen Angriff auf die Niederlassung
beabsichtigten, von Truppen, die sich in der Nähe sammelten, und
versteckten Batterieen auf den das Städtchen dominirenden Höhen.
Die Ansiedler gingen bewaffnet und verbarricadirten sich Nachts in
den Häusern. Es schien in der That, als wolle die Regierung den
Forderungen nicht weichen: sämmtliche Dampf- und Segelschiffe
des Taïkūn gingen aus dem Golf von Yeddo nach dem Binnen-
meere ab, und die Daïmio’s verliessen mit ihren Familien in langen
Zügen die Hauptstadt, deren Beschiessung man für den Kriegsfall
wohl zunächst erwartete. Mitte April setzte das Gerücht die An-

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[276/0296] Ultimatum. Verwickelung. Anh. II. englischer Officiere wurde dem Fürsten von Satsuma auferlegt, und der Reichsrath zur Uebermittellung dieser Forderung unter dem Zusatz ersucht, dass der Geschäftsträger sie im Weigerungsfalle an den Fürsten selbst in einem von dessen Häfen stellen werde, da die Centralgewalt sich unfähig erkläre ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Note wurde am 6. April überreicht und stellte eine Frist von zwanzig Tagen, nach deren Ablauf die Feindselig- keiten beginnen sollten. Herr Neale liess den Inhalt derselben zugleich den englischen Unterthanen in Yokuhama mittheilen und forderte sie zu Maassregeln der Sicherung ihres Eigenthumes und ihrer Handelsinteressen für die Eventualität des Krieges auf, unter der Benachrichtigung, dass der Chef des englischen Geschwaders sich mit den Diplomaten und Schiffscommandanten der anderen Nationen über die gemeinsamen Schutz- und Vertheidigungsanstalten der Niederlassung für den Fall eines Angriffs verständigen würde. Die japanische Regierung erklärte bald nach Empfang des Ultimatums, dass in Abwesenheit des Taïkūn nichts entschieden werden könne; dieser würde sich nach seiner Rückkehr mit den englischen Forderungen beschäftigen, aber schon die Nothwendig- keit mit ihm zu communiciren mache eine längere Frist nothwendig; den Schritten gegen Satsuma könne sie nicht beitreten, ohne ge- wissermaassen ihre Existenz zu leugnen. — Herr Neale fragte an, wie viel Zeit die Regierung brauche, um eine definitive Antwort zu geben; sie liess aber lange garnichts von sich hören und schien durch das Ultimatum nicht sehr beunruhigt. Man hörte die Bunyo’s die Hoffnung aussprechen, dass die Engländer sich von der Unge- hörigkeit ihrer Forderungen überzeugen und davon abstehen wür- den. Die Fremden lebten unterdessen in grosser Spannung. Die Japaner in Yokuhama erzählten wieder von Lonin-Banden, welche sich in der Umgegend herumtrieben und einen Angriff auf die Niederlassung beabsichtigten, von Truppen, die sich in der Nähe sammelten, und versteckten Batterieen auf den das Städtchen dominirenden Höhen. Die Ansiedler gingen bewaffnet und verbarricadirten sich Nachts in den Häusern. Es schien in der That, als wolle die Regierung den Forderungen nicht weichen: sämmtliche Dampf- und Segelschiffe des Taïkūn gingen aus dem Golf von Yeddo nach dem Binnen- meere ab, und die Daïmio’s verliessen mit ihren Familien in langen Zügen die Hauptstadt, deren Beschiessung man für den Kriegsfall wohl zunächst erwartete. Mitte April setzte das Gerücht die An-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/296>, abgerufen am 23.11.2024.