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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Beabsichtigte Verlegung der Gesandtschaften. Anh. II.
Palisadenzäunen einfriedigen, brachte die Yakunin-Wache des Ge-
sandten auf fünfhundert Mann und vermehrte auch die Zahl seiner
berittenen Begleiter.

Dass die Ueberrumpelung am 5. Juli nicht vollständig gelang
und mit Ermordung aller Insassen des Hauses endete, war eine
wundersame Fügung. Man fand am folgenden Tage die Spuren der
Banditen an der Schwelle von Herrn Alcock's Zimmer, und auf
der anderen Seite waren sie ihm ebenso nah. Sie rasten durch alle
übrigen Räume des Gebäudes und zerhackten mit ihren scharfen
Klingen im Dunkel der Nacht Alles was ihnen im Wege war. Die
japanische Streitmacht sowohl als die europäischen Wachen konnten
für künftige Eventualitäten wohl nützlich sein, unbedingte Sicher-
heit aber niemals gewähren. Jede Wachsamkeit pflegt zu erschlaffen,
die nicht durch tägliche Beunruhigung rege gehalten wird, und ge-
gen entschlossene Meuchelmörder gibt es keinen Schutz. Der ameri-
kanische Minister-Resident, der niemals aus Yeddo gewichen war,
lebte die ganze Zeit in seinem Tempel unangefochten, und doch
darf man nicht mit den englischen Blättern in China annehmen,
dass eine besondere Animosität gegen Herrn Alcock herrschte; dass
der eine verschont und der andere angegriffen wurde, ist wahr-
scheinlich nur dem Umstande zuzuschreiben, dass dieser durch seine
Reisen und freiere Bewegung mehr die allgemeine Aufmerksamkeit
auf sich zog. Man erzählte bald nach dem Angriff auf To-dzen-dzi
von bewaffneten Banden, welche die Zugänge des amerikanischen
Tempels recognoscirt hätten; in einer der folgenden Nächte wurden
die dortigen Wachen durch Schüsse alarmirt, doch erfolgte weder
jetzt noch später ein Ueberfall. -- Die Repräsentanten der Vertrags-
mächte entschlossen sich nun wegen der exponirten und schutzlosen
Lage ihrer bisherigen Wohnungen, auf den oft wiederholten Vor-
schlag der Regierung, dass sämmtliche Gesandtschaften auf einem
Grundstück vereinigt würden, unter erheblichen Modificationen ein-
zugehen. Absicht der Japaner war, ihnen ein grosses Yamaske im
Siro, innerhalb der zweiten Enceinte der kaiserlichen Stadt anzu-
weisen; die Diplomaten fürchteten aber dort die Freiheit ihrer Be-
wegung beschränkt und sich einer unerträglichen Beaufsichtigung
unterworfen zu sehen. Die Minister verstanden sich denn auch dazu
ihnen ein Grundstück auf dem Goten-yama, der Höhe über Sinagava,
zu überlassen und ohne Entschädigung mit Gräben und Palisaden
zu umgeben; der Bau der Wohngebäude sollte jedoch auf Kosten

Beabsichtigte Verlegung der Gesandtschaften. Anh. II.
Palisadenzäunen einfriedigen, brachte die Yakunin-Wache des Ge-
sandten auf fünfhundert Mann und vermehrte auch die Zahl seiner
berittenen Begleiter.

Dass die Ueberrumpelung am 5. Juli nicht vollständig gelang
und mit Ermordung aller Insassen des Hauses endete, war eine
wundersame Fügung. Man fand am folgenden Tage die Spuren der
Banditen an der Schwelle von Herrn Alcock’s Zimmer, und auf
der anderen Seite waren sie ihm ebenso nah. Sie rasten durch alle
übrigen Räume des Gebäudes und zerhackten mit ihren scharfen
Klingen im Dunkel der Nacht Alles was ihnen im Wege war. Die
japanische Streitmacht sowohl als die europäischen Wachen konnten
für künftige Eventualitäten wohl nützlich sein, unbedingte Sicher-
heit aber niemals gewähren. Jede Wachsamkeit pflegt zu erschlaffen,
die nicht durch tägliche Beunruhigung rege gehalten wird, und ge-
gen entschlossene Meuchelmörder gibt es keinen Schutz. Der ameri-
kanische Minister-Resident, der niemals aus Yeddo gewichen war,
lebte die ganze Zeit in seinem Tempel unangefochten, und doch
darf man nicht mit den englischen Blättern in China annehmen,
dass eine besondere Animosität gegen Herrn Alcock herrschte; dass
der eine verschont und der andere angegriffen wurde, ist wahr-
scheinlich nur dem Umstande zuzuschreiben, dass dieser durch seine
Reisen und freiere Bewegung mehr die allgemeine Aufmerksamkeit
auf sich zog. Man erzählte bald nach dem Angriff auf To-džen-dži
von bewaffneten Banden, welche die Zugänge des amerikanischen
Tempels recognoscirt hätten; in einer der folgenden Nächte wurden
die dortigen Wachen durch Schüsse alarmirt, doch erfolgte weder
jetzt noch später ein Ueberfall. — Die Repräsentanten der Vertrags-
mächte entschlossen sich nun wegen der exponirten und schutzlosen
Lage ihrer bisherigen Wohnungen, auf den oft wiederholten Vor-
schlag der Regierung, dass sämmtliche Gesandtschaften auf einem
Grundstück vereinigt würden, unter erheblichen Modificationen ein-
zugehen. Absicht der Japaner war, ihnen ein grosses Yamaske im
Siro, innerhalb der zweiten Enceinte der kaiserlichen Stadt anzu-
weisen; die Diplomaten fürchteten aber dort die Freiheit ihrer Be-
wegung beschränkt und sich einer unerträglichen Beaufsichtigung
unterworfen zu sehen. Die Minister verstanden sich denn auch dazu
ihnen ein Grundstück auf dem Goten-yama, der Höhe über Sinagava,
zu überlassen und ohne Entschädigung mit Gräben und Palisaden
zu umgeben; der Bau der Wohngebäude sollte jedoch auf Kosten

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[260/0280] Beabsichtigte Verlegung der Gesandtschaften. Anh. II. Palisadenzäunen einfriedigen, brachte die Yakunin-Wache des Ge- sandten auf fünfhundert Mann und vermehrte auch die Zahl seiner berittenen Begleiter. Dass die Ueberrumpelung am 5. Juli nicht vollständig gelang und mit Ermordung aller Insassen des Hauses endete, war eine wundersame Fügung. Man fand am folgenden Tage die Spuren der Banditen an der Schwelle von Herrn Alcock’s Zimmer, und auf der anderen Seite waren sie ihm ebenso nah. Sie rasten durch alle übrigen Räume des Gebäudes und zerhackten mit ihren scharfen Klingen im Dunkel der Nacht Alles was ihnen im Wege war. Die japanische Streitmacht sowohl als die europäischen Wachen konnten für künftige Eventualitäten wohl nützlich sein, unbedingte Sicher- heit aber niemals gewähren. Jede Wachsamkeit pflegt zu erschlaffen, die nicht durch tägliche Beunruhigung rege gehalten wird, und ge- gen entschlossene Meuchelmörder gibt es keinen Schutz. Der ameri- kanische Minister-Resident, der niemals aus Yeddo gewichen war, lebte die ganze Zeit in seinem Tempel unangefochten, und doch darf man nicht mit den englischen Blättern in China annehmen, dass eine besondere Animosität gegen Herrn Alcock herrschte; dass der eine verschont und der andere angegriffen wurde, ist wahr- scheinlich nur dem Umstande zuzuschreiben, dass dieser durch seine Reisen und freiere Bewegung mehr die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Man erzählte bald nach dem Angriff auf To-džen-dži von bewaffneten Banden, welche die Zugänge des amerikanischen Tempels recognoscirt hätten; in einer der folgenden Nächte wurden die dortigen Wachen durch Schüsse alarmirt, doch erfolgte weder jetzt noch später ein Ueberfall. — Die Repräsentanten der Vertrags- mächte entschlossen sich nun wegen der exponirten und schutzlosen Lage ihrer bisherigen Wohnungen, auf den oft wiederholten Vor- schlag der Regierung, dass sämmtliche Gesandtschaften auf einem Grundstück vereinigt würden, unter erheblichen Modificationen ein- zugehen. Absicht der Japaner war, ihnen ein grosses Yamaske im Siro, innerhalb der zweiten Enceinte der kaiserlichen Stadt anzu- weisen; die Diplomaten fürchteten aber dort die Freiheit ihrer Be- wegung beschränkt und sich einer unerträglichen Beaufsichtigung unterworfen zu sehen. Die Minister verstanden sich denn auch dazu ihnen ein Grundstück auf dem Goten-yama, der Höhe über Sinagava, zu überlassen und ohne Entschädigung mit Gräben und Palisaden zu umgeben; der Bau der Wohngebäude sollte jedoch auf Kosten

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/280>, abgerufen am 22.11.2024.