Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Reisen in Japan. VI.
guten Aufnahme die sie unterwegs gefunden hatten: die Ebenen
seien fruchtbar und angebaut, im Gebirge herrliche, wohlgepflegte
Waldungen, wo die Cryptomeria zu erstaunlicher Höhe wachse;
die Bevölkerung gesund, wohlhabend, thätig, heiter und gutmüthig.
Die breiten Landstrassen sind meist gut gehalten und mit dichten
Reihen hoher Bäume gesäumt; von Meile zu Meile zeigen runde
Hügel mit einer Tanne auf dem Gipfel die Entfernungen an. Auf
allen Stationen giebt es Posthäuser zum Einstellen der Pferde und
zum Wechseln der Lastträger; man bezahlt für die Meile eine be-
stimmte Taxe, deren Höhe, sowie das Gewicht der Lasten, die
Trägerzahl für die Sänften u. s. w. von der Obrigkeit für jede
Strecke nach den Schwierigkeiten des Weges normirt ist. Ein
sonderbarer Umstand ist schon von anderen Reisenden erwähnt
worden: die von der unreinen Zunft der Yeta bewohnten Strecken
zählen nicht mit in den Entfernungen, noch werden Träger und
Pferde dafür berechnet, so dass man hier gewissermaassen kostenfrei
reist und, dem Meilenzeiger nach, oft stundenlang keinen Schritt
vorwärts kommt. -- Für jeden District giebt es ausführliche Karten
und Handbücher, so wohlfeil, dass sie in Jedermanns Hand sind, mit
Angaben über den Reisebedarf, die Gasthäuser, Pferde- und Träger-
Taxen, Beschreibung der Gebirgspässe, berühmter Berge, Wall-
fahrtsorte und aller Industrieen, historischen und Natur-Merkwür-
digkeiten, mit Regeln der Wetterkunde, chronologischen Uebersichts-
tafeln, Tabellen über Ebbe und Fluth, Aufrissen der gebräuchlichsten
Maasse und einer aus aufstellbaren Papierstreifen gefertigten Sonnen-
uhr. In den Stationsorten findet jede Classe von Reisenden ange-
messene Aufnahme, sogar die Lastträger sollen nach ermüdendem
Tagesmarsche der Wohlthat des warmen Bades geniessen. Zahllose
Garküchen und Theeschenken am Wege bieten Labung auch armen
Wanderern, von denen die Landstrassen wimmeln. Der Japaner
reist gern und häufig, in Berufs- und Handelsgeschäften, pilgernd,
zum Vergnügen, zur Belehrung. Die Lehnsfürsten nehmen, nach
Yeddo oder auf das Land ziehend, mit ihrem Gefolge die Landstrassen
oft auf eine Strecke von mehreren Tagereisen in Anspruch; wo sie
einkehren, wird die Herberge aussen mit Zeltvorhängen bekleidet,
auf denen ihr Wappen prangt. Kämpfer und Thunberg> erzählen,
wie sie auf ihren Hofreisen oft Tagelang warten und in Tempeln
wohnen mussten, weil alle Träger, Pferde und Gasthäuser von
reisenden Grossen in Beschlag genommen waren.

Das Reisen in Japan. VI.
guten Aufnahme die sie unterwegs gefunden hatten: die Ebenen
seien fruchtbar und angebaut, im Gebirge herrliche, wohlgepflegte
Waldungen, wo die Cryptomeria zu erstaunlicher Höhe wachse;
die Bevölkerung gesund, wohlhabend, thätig, heiter und gutmüthig.
Die breiten Landstrassen sind meist gut gehalten und mit dichten
Reihen hoher Bäume gesäumt; von Meile zu Meile zeigen runde
Hügel mit einer Tanne auf dem Gipfel die Entfernungen an. Auf
allen Stationen giebt es Posthäuser zum Einstellen der Pferde und
zum Wechseln der Lastträger; man bezahlt für die Meile eine be-
stimmte Taxe, deren Höhe, sowie das Gewicht der Lasten, die
Trägerzahl für die Sänften u. s. w. von der Obrigkeit für jede
Strecke nach den Schwierigkeiten des Weges normirt ist. Ein
sonderbarer Umstand ist schon von anderen Reisenden erwähnt
worden: die von der unreinen Zunft der Yeta bewohnten Strecken
zählen nicht mit in den Entfernungen, noch werden Träger und
Pferde dafür berechnet, so dass man hier gewissermaassen kostenfrei
reist und, dem Meilenzeiger nach, oft stundenlang keinen Schritt
vorwärts kommt. — Für jeden District giebt es ausführliche Karten
und Handbücher, so wohlfeil, dass sie in Jedermanns Hand sind, mit
Angaben über den Reisebedarf, die Gasthäuser, Pferde- und Träger-
Taxen, Beschreibung der Gebirgspässe, berühmter Berge, Wall-
fahrtsorte und aller Industrieen, historischen und Natur-Merkwür-
digkeiten, mit Regeln der Wetterkunde, chronologischen Uebersichts-
tafeln, Tabellen über Ebbe und Fluth, Aufrissen der gebräuchlichsten
Maasse und einer aus aufstellbaren Papierstreifen gefertigten Sonnen-
uhr. In den Stationsorten findet jede Classe von Reisenden ange-
messene Aufnahme, sogar die Lastträger sollen nach ermüdendem
Tagesmarsche der Wohlthat des warmen Bades geniessen. Zahllose
Garküchen und Theeschenken am Wege bieten Labung auch armen
Wanderern, von denen die Landstrassen wimmeln. Der Japaner
reist gern und häufig, in Berufs- und Handelsgeschäften, pilgernd,
zum Vergnügen, zur Belehrung. Die Lehnsfürsten nehmen, nach
Yeddo oder auf das Land ziehend, mit ihrem Gefolge die Landstrassen
oft auf eine Strecke von mehreren Tagereisen in Anspruch; wo sie
einkehren, wird die Herberge aussen mit Zeltvorhängen bekleidet,
auf denen ihr Wappen prangt. Kämpfer und Thunberg> erzählen,
wie sie auf ihren Hofreisen oft Tagelang warten und in Tempeln
wohnen mussten, weil alle Träger, Pferde und Gasthäuser von
reisenden Grossen in Beschlag genommen waren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0028" n="8"/><fw place="top" type="header">Das Reisen in <placeName>Japan</placeName>. VI.</fw><lb/>
guten Aufnahme die sie unterwegs gefunden hatten: die Ebenen<lb/>
seien fruchtbar und angebaut, im Gebirge herrliche, wohlgepflegte<lb/>
Waldungen, wo die Cryptomeria zu erstaunlicher Höhe wachse;<lb/>
die Bevölkerung gesund, wohlhabend, thätig, heiter und gutmüthig.<lb/>
Die breiten Landstrassen sind meist gut gehalten und mit dichten<lb/>
Reihen hoher Bäume gesäumt; von Meile zu Meile zeigen runde<lb/>
Hügel mit einer Tanne auf dem Gipfel die Entfernungen an. Auf<lb/>
allen Stationen giebt es Posthäuser zum Einstellen der Pferde und<lb/>
zum Wechseln der Lastträger; man bezahlt für die Meile eine be-<lb/>
stimmte Taxe, deren Höhe, sowie das Gewicht der Lasten, die<lb/>
Trägerzahl für die Sänften u. s. w. von der Obrigkeit für jede<lb/>
Strecke nach den Schwierigkeiten des Weges normirt ist. Ein<lb/>
sonderbarer Umstand ist schon von anderen Reisenden erwähnt<lb/>
worden: die von der unreinen Zunft der <hi rendition="#k">Yeta</hi> bewohnten Strecken<lb/>
zählen nicht mit in den Entfernungen, noch werden Träger und<lb/>
Pferde dafür berechnet, so dass man hier gewissermaassen kostenfrei<lb/>
reist und, dem Meilenzeiger nach, oft stundenlang keinen Schritt<lb/>
vorwärts kommt. &#x2014; Für jeden District giebt es ausführliche Karten<lb/>
und Handbücher, so wohlfeil, dass sie in Jedermanns Hand sind, mit<lb/>
Angaben über den Reisebedarf, die Gasthäuser, Pferde- und Träger-<lb/>
Taxen, Beschreibung der Gebirgspässe, berühmter Berge, Wall-<lb/>
fahrtsorte und aller Industrieen, historischen und Natur-Merkwür-<lb/>
digkeiten, mit Regeln der Wetterkunde, chronologischen Uebersichts-<lb/>
tafeln, Tabellen über Ebbe und Fluth, Aufrissen der gebräuchlichsten<lb/>
Maasse und einer aus aufstellbaren Papierstreifen gefertigten Sonnen-<lb/>
uhr. In den Stationsorten findet jede Classe von Reisenden ange-<lb/>
messene Aufnahme, sogar die Lastträger sollen nach ermüdendem<lb/>
Tagesmarsche der Wohlthat des warmen Bades geniessen. Zahllose<lb/>
Garküchen und Theeschenken am Wege bieten Labung auch armen<lb/>
Wanderern, von denen die Landstrassen wimmeln. Der Japaner<lb/>
reist gern und häufig, in Berufs- und Handelsgeschäften, pilgernd,<lb/>
zum Vergnügen, zur Belehrung. Die Lehnsfürsten nehmen, nach<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> oder auf das Land ziehend, mit ihrem Gefolge die Landstrassen<lb/>
oft auf eine Strecke von mehreren Tagereisen in Anspruch; wo sie<lb/>
einkehren, wird die Herberge aussen mit Zeltvorhängen bekleidet,<lb/>
auf denen ihr Wappen prangt. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118559168">Kämpfer</persName> und <choice><sic>Thumberg</sic><corr><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119036495">Thunberg</persName>&gt;</corr></choice> erzählen,<lb/>
wie sie auf ihren Hofreisen oft Tagelang warten und in Tempeln<lb/>
wohnen mussten, weil alle Träger, Pferde und Gasthäuser von<lb/>
reisenden Grossen in Beschlag genommen waren.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0028] Das Reisen in Japan. VI. guten Aufnahme die sie unterwegs gefunden hatten: die Ebenen seien fruchtbar und angebaut, im Gebirge herrliche, wohlgepflegte Waldungen, wo die Cryptomeria zu erstaunlicher Höhe wachse; die Bevölkerung gesund, wohlhabend, thätig, heiter und gutmüthig. Die breiten Landstrassen sind meist gut gehalten und mit dichten Reihen hoher Bäume gesäumt; von Meile zu Meile zeigen runde Hügel mit einer Tanne auf dem Gipfel die Entfernungen an. Auf allen Stationen giebt es Posthäuser zum Einstellen der Pferde und zum Wechseln der Lastträger; man bezahlt für die Meile eine be- stimmte Taxe, deren Höhe, sowie das Gewicht der Lasten, die Trägerzahl für die Sänften u. s. w. von der Obrigkeit für jede Strecke nach den Schwierigkeiten des Weges normirt ist. Ein sonderbarer Umstand ist schon von anderen Reisenden erwähnt worden: die von der unreinen Zunft der Yeta bewohnten Strecken zählen nicht mit in den Entfernungen, noch werden Träger und Pferde dafür berechnet, so dass man hier gewissermaassen kostenfrei reist und, dem Meilenzeiger nach, oft stundenlang keinen Schritt vorwärts kommt. — Für jeden District giebt es ausführliche Karten und Handbücher, so wohlfeil, dass sie in Jedermanns Hand sind, mit Angaben über den Reisebedarf, die Gasthäuser, Pferde- und Träger- Taxen, Beschreibung der Gebirgspässe, berühmter Berge, Wall- fahrtsorte und aller Industrieen, historischen und Natur-Merkwür- digkeiten, mit Regeln der Wetterkunde, chronologischen Uebersichts- tafeln, Tabellen über Ebbe und Fluth, Aufrissen der gebräuchlichsten Maasse und einer aus aufstellbaren Papierstreifen gefertigten Sonnen- uhr. In den Stationsorten findet jede Classe von Reisenden ange- messene Aufnahme, sogar die Lastträger sollen nach ermüdendem Tagesmarsche der Wohlthat des warmen Bades geniessen. Zahllose Garküchen und Theeschenken am Wege bieten Labung auch armen Wanderern, von denen die Landstrassen wimmeln. Der Japaner reist gern und häufig, in Berufs- und Handelsgeschäften, pilgernd, zum Vergnügen, zur Belehrung. Die Lehnsfürsten nehmen, nach Yeddo oder auf das Land ziehend, mit ihrem Gefolge die Landstrassen oft auf eine Strecke von mehreren Tagereisen in Anspruch; wo sie einkehren, wird die Herberge aussen mit Zeltvorhängen bekleidet, auf denen ihr Wappen prangt. Kämpfer und Thunberg> erzählen, wie sie auf ihren Hofreisen oft Tagelang warten und in Tempeln wohnen mussten, weil alle Träger, Pferde und Gasthäuser von reisenden Grossen in Beschlag genommen waren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/28
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/28>, abgerufen am 22.11.2024.