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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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XI. Unwesen auf dem alten Desima.
rechthaltung sie bestellt waren, liessen mit Absicht die Bücher in
Unordnung gerathen und fischten mit bestem Erfolge im Trüben.
Die Unterbeamten nahmen Theil an ihren Betrügereien, und ihre
Vorgesetzten in Batavia, die meist auch einmal Handelsvorsteher
auf Desima gewesen waren, hatten guten Grund zu schweigen.
Gegen Ende des Jahrhunderts sah sich die ostindische Regierung
veranlasst auf den unerlaubten Handel mit Kupfer und anderen
Monopolartikeln die strengsten entehrenden Strafen zu setzen, und
etwas später scheint Ordnung in die Verwaltung gekommen zu sein.

Die Entsittlichung des an dem Handel auf Desima betheiligten
japanischen Personals im 17. und 18. Jahrhundert übersteigt allen
Glauben. Das Dolmetscher-Collegium, der Ottona und viele andere
Beamten hatten vorzüglich den Beruf, die Holländer während An-
wesenheit der Schiffe zu bewachen, und zogen aus ihrer Stellung
neben dem von der ostindischen Compagnie gezahlten Gehalte sehr
bedeutende gesetzliche Emolumente. Sie machten trotzdem, wo es
Gewinn brachte, mit den Holländern gemeinschaftliche Sache zu Umge-
hung der Landesgesetze und Beschädigung der Compagnie, bekamen
Jene dadurch in ihre Gewalt und wussten diesen Vortheil sehr wohl
zu benutzen. Man überbot einander in List und Betrug, und lebte
bei glühendem Hass und verzehrender Eifersucht doch in strafbarem
Einverständniss. Es war ein Kampf der alle schlechten Leiden-
schaften weckte, und man kann sich nicht über Kämpfer's Aeusserung
wundern, dass die Holländer behandelt und bewacht würden, "nicht
wie ehrliche Menschen, sondern wie Uebelthäter, Verräther, Kund-
schafter und Gefangene". Sie liessen sich alle Bedrückungen ge-
fallen, welche ja meist die Compagnie trafen, um heimlich auf un-
erlaubtem Wege für den eigenen Vortheil zu sorgen; die Japaner aber
waren unerschöpflich in Erfindung neuer Mittel ihren Gewinn zu
mehren, und ersannen dazu die künstlichsten Maassregeln. So be-
stand eine indirecte Steuer in folgender Einrichtung: nachdem ein
Kaufgeschäft über eine Quantität Waaren geschlossen war, durften
sich zuerst die Statthalter, dann die Ober-Banyosen, die Bürger-
meister, Dolmetscher u. s. w. nach der Reihe eine bestimmte Anzahl
Stücke je nach ihrem Range aus der verkauften Masse zum Engros-
Preise aussuchen. Sie wählten natürlich nicht das Schlechteste und
hatten daran grossen Vortheil, während der Kaufpreis der Masse
erhebliche Einbusse litt. Solcher Vexationen kamen jährlich neue;
die Holländer schelten in ihren Berichten bitter auf die Unredlich-

II. 14

XI. Unwesen auf dem alten Desima.
rechthaltung sie bestellt waren, liessen mit Absicht die Bücher in
Unordnung gerathen und fischten mit bestem Erfolge im Trüben.
Die Unterbeamten nahmen Theil an ihren Betrügereien, und ihre
Vorgesetzten in Batavia, die meist auch einmal Handelsvorsteher
auf Desima gewesen waren, hatten guten Grund zu schweigen.
Gegen Ende des Jahrhunderts sah sich die ostindische Regierung
veranlasst auf den unerlaubten Handel mit Kupfer und anderen
Monopolartikeln die strengsten entehrenden Strafen zu setzen, und
etwas später scheint Ordnung in die Verwaltung gekommen zu sein.

Die Entsittlichung des an dem Handel auf Desima betheiligten
japanischen Personals im 17. und 18. Jahrhundert übersteigt allen
Glauben. Das Dolmetscher-Collegium, der Ottona und viele andere
Beamten hatten vorzüglich den Beruf, die Holländer während An-
wesenheit der Schiffe zu bewachen, und zogen aus ihrer Stellung
neben dem von der ostindischen Compagnie gezahlten Gehalte sehr
bedeutende gesetzliche Emolumente. Sie machten trotzdem, wo es
Gewinn brachte, mit den Holländern gemeinschaftliche Sache zu Umge-
hung der Landesgesetze und Beschädigung der Compagnie, bekamen
Jene dadurch in ihre Gewalt und wussten diesen Vortheil sehr wohl
zu benutzen. Man überbot einander in List und Betrug, und lebte
bei glühendem Hass und verzehrender Eifersucht doch in strafbarem
Einverständniss. Es war ein Kampf der alle schlechten Leiden-
schaften weckte, und man kann sich nicht über Kämpfer’s Aeusserung
wundern, dass die Holländer behandelt und bewacht würden, »nicht
wie ehrliche Menschen, sondern wie Uebelthäter, Verräther, Kund-
schafter und Gefangene«. Sie liessen sich alle Bedrückungen ge-
fallen, welche ja meist die Compagnie trafen, um heimlich auf un-
erlaubtem Wege für den eigenen Vortheil zu sorgen; die Japaner aber
waren unerschöpflich in Erfindung neuer Mittel ihren Gewinn zu
mehren, und ersannen dazu die künstlichsten Maassregeln. So be-
stand eine indirecte Steuer in folgender Einrichtung: nachdem ein
Kaufgeschäft über eine Quantität Waaren geschlossen war, durften
sich zuerst die Statthalter, dann die Ober-Banyosen, die Bürger-
meister, Dolmetscher u. s. w. nach der Reihe eine bestimmte Anzahl
Stücke je nach ihrem Range aus der verkauften Masse zum Engros-
Preise aussuchen. Sie wählten natürlich nicht das Schlechteste und
hatten daran grossen Vortheil, während der Kaufpreis der Masse
erhebliche Einbusse litt. Solcher Vexationen kamen jährlich neue;
die Holländer schelten in ihren Berichten bitter auf die Unredlich-

II. 14
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[209/0229] XI. Unwesen auf dem alten Desima. rechthaltung sie bestellt waren, liessen mit Absicht die Bücher in Unordnung gerathen und fischten mit bestem Erfolge im Trüben. Die Unterbeamten nahmen Theil an ihren Betrügereien, und ihre Vorgesetzten in Batavia, die meist auch einmal Handelsvorsteher auf Desima gewesen waren, hatten guten Grund zu schweigen. Gegen Ende des Jahrhunderts sah sich die ostindische Regierung veranlasst auf den unerlaubten Handel mit Kupfer und anderen Monopolartikeln die strengsten entehrenden Strafen zu setzen, und etwas später scheint Ordnung in die Verwaltung gekommen zu sein. Die Entsittlichung des an dem Handel auf Desima betheiligten japanischen Personals im 17. und 18. Jahrhundert übersteigt allen Glauben. Das Dolmetscher-Collegium, der Ottona und viele andere Beamten hatten vorzüglich den Beruf, die Holländer während An- wesenheit der Schiffe zu bewachen, und zogen aus ihrer Stellung neben dem von der ostindischen Compagnie gezahlten Gehalte sehr bedeutende gesetzliche Emolumente. Sie machten trotzdem, wo es Gewinn brachte, mit den Holländern gemeinschaftliche Sache zu Umge- hung der Landesgesetze und Beschädigung der Compagnie, bekamen Jene dadurch in ihre Gewalt und wussten diesen Vortheil sehr wohl zu benutzen. Man überbot einander in List und Betrug, und lebte bei glühendem Hass und verzehrender Eifersucht doch in strafbarem Einverständniss. Es war ein Kampf der alle schlechten Leiden- schaften weckte, und man kann sich nicht über Kämpfer’s Aeusserung wundern, dass die Holländer behandelt und bewacht würden, »nicht wie ehrliche Menschen, sondern wie Uebelthäter, Verräther, Kund- schafter und Gefangene«. Sie liessen sich alle Bedrückungen ge- fallen, welche ja meist die Compagnie trafen, um heimlich auf un- erlaubtem Wege für den eigenen Vortheil zu sorgen; die Japaner aber waren unerschöpflich in Erfindung neuer Mittel ihren Gewinn zu mehren, und ersannen dazu die künstlichsten Maassregeln. So be- stand eine indirecte Steuer in folgender Einrichtung: nachdem ein Kaufgeschäft über eine Quantität Waaren geschlossen war, durften sich zuerst die Statthalter, dann die Ober-Banyosen, die Bürger- meister, Dolmetscher u. s. w. nach der Reihe eine bestimmte Anzahl Stücke je nach ihrem Range aus der verkauften Masse zum Engros- Preise aussuchen. Sie wählten natürlich nicht das Schlechteste und hatten daran grossen Vortheil, während der Kaufpreis der Masse erhebliche Einbusse litt. Solcher Vexationen kamen jährlich neue; die Holländer schelten in ihren Berichten bitter auf die Unredlich- II. 14

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/229>, abgerufen am 22.11.2024.