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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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X. Schreiben des Herrn Harris.
fahren gewarnt und ihre Sorge an den Tag gelegt, denselben Schutz-
mittel zu gewähren. Es wurde nur verlangt, dass die Fremden die-
selben Vorsichtsmaassregeln anwenden möchten, deren die Japaner
sich ohne Ausnahme unter einander bedienen; denn es ist genugsam
bekannt, dass alle, deren Rang dem der fremden Gesandten ent-
spricht, eine zahlreiche Wache um ihre Wohnungen haben, und
dass sie niemals ohne ein grosses Gefolge bewaffneter Trabanten
ausgehen. Ist es gerecht zu verlangen, dass die Japaner uns mit
anderen Mitteln vertheidigen, als sie zu ihrem eigenen Schutze ver-
wenden? Wäre die Handlungsweise der japanischen Regierung
trügerisch, wünschte sie in der That die Ermordung der fremden
Gesandten, so würde der einfache Ausdruck eines solchen Wunsches
genügen, und das Werk wäre in einer Stunde vollbracht. -- Wir
haben in Yeddo ungefähr neunzehn Monate in Sicherheit gelebt,
und diese Thatsache beweist den Wunsch und die Fähigkeit der
Regierung, uns hinreichenden Schutz angedeihen zu lassen. Die
Ermordung des Herrn Heusken, des so ausgezeichneten Dolmetschers
der amerikanischen Gesandtschaft, den alle betrauern und ich be-
weine, ist seiner Nichtachtung der wiederholten Warnungen der
japanischen Behörden zuzuschreiben, sich nicht fortwährend zur
Nachtzeit Gefahren auszusetzen; sein Tod war die Erfüllung der
Besorgnisse, die ich seit meiner ersten Ankunft in Yeddo gehegt
habe. Wenn man die Handlungen dieser Regierung beurtheilt, so
ist es von Wichtigkeit, die früheren politischen Vorgänge zu beden-
ken. Mehr als zwei Jahrhunderte war das Land allen Fremden ver-
schlossen; diese Schranke wird plötzlich beseitigt und das Reich
dem Verkehr geöffnet. Es ist bekannt dass viele Männer von hohem
Rang der neuen Ordnung der Dinge feind sind, dass ihre Opposition
sich in der Hauptstadt concentrirt und hier in ihrer grössten Stärke
empfunden wird. Die Kundgebungen feindseliger Gesinnung gehen
lediglich von Trabanten der Daimio's aus, deren Ansichten der
Abglanz von denen ihrer Herren sind. Nach meiner Anschauung
ist es unzweifelhaft, dass die ungeheuere Erhöhung der Preise von
Gegenständen allgemeinen Verbrauches nach der Zulassung des
fremden Handels die feindseligen Gefühle verstärkt hat. Eine Re-
gierung kann Verträge machen und deren Bestimmungen beobachten,
aber es steht ausser ihrer Macht die öffentliche Meinung zu beherr-
schen. -- Alle Beweisführungen bei der neulich gehaltenen Conferenz
scheinen mir auf der Annahme zu beruhen, dass die japanische

X. Schreiben des Herrn Harris.
fahren gewarnt und ihre Sorge an den Tag gelegt, denselben Schutz-
mittel zu gewähren. Es wurde nur verlangt, dass die Fremden die-
selben Vorsichtsmaassregeln anwenden möchten, deren die Japaner
sich ohne Ausnahme unter einander bedienen; denn es ist genugsam
bekannt, dass alle, deren Rang dem der fremden Gesandten ent-
spricht, eine zahlreiche Wache um ihre Wohnungen haben, und
dass sie niemals ohne ein grosses Gefolge bewaffneter Trabanten
ausgehen. Ist es gerecht zu verlangen, dass die Japaner uns mit
anderen Mitteln vertheidigen, als sie zu ihrem eigenen Schutze ver-
wenden? Wäre die Handlungsweise der japanischen Regierung
trügerisch, wünschte sie in der That die Ermordung der fremden
Gesandten, so würde der einfache Ausdruck eines solchen Wunsches
genügen, und das Werk wäre in einer Stunde vollbracht. — Wir
haben in Yeddo ungefähr neunzehn Monate in Sicherheit gelebt,
und diese Thatsache beweist den Wunsch und die Fähigkeit der
Regierung, uns hinreichenden Schutz angedeihen zu lassen. Die
Ermordung des Herrn Heusken, des so ausgezeichneten Dolmetschers
der amerikanischen Gesandtschaft, den alle betrauern und ich be-
weine, ist seiner Nichtachtung der wiederholten Warnungen der
japanischen Behörden zuzuschreiben, sich nicht fortwährend zur
Nachtzeit Gefahren auszusetzen; sein Tod war die Erfüllung der
Besorgnisse, die ich seit meiner ersten Ankunft in Yeddo gehegt
habe. Wenn man die Handlungen dieser Regierung beurtheilt, so
ist es von Wichtigkeit, die früheren politischen Vorgänge zu beden-
ken. Mehr als zwei Jahrhunderte war das Land allen Fremden ver-
schlossen; diese Schranke wird plötzlich beseitigt und das Reich
dem Verkehr geöffnet. Es ist bekannt dass viele Männer von hohem
Rang der neuen Ordnung der Dinge feind sind, dass ihre Opposition
sich in der Hauptstadt concentrirt und hier in ihrer grössten Stärke
empfunden wird. Die Kundgebungen feindseliger Gesinnung gehen
lediglich von Trabanten der Daïmio’s aus, deren Ansichten der
Abglanz von denen ihrer Herren sind. Nach meiner Anschauung
ist es unzweifelhaft, dass die ungeheuere Erhöhung der Preise von
Gegenständen allgemeinen Verbrauches nach der Zulassung des
fremden Handels die feindseligen Gefühle verstärkt hat. Eine Re-
gierung kann Verträge machen und deren Bestimmungen beobachten,
aber es steht ausser ihrer Macht die öffentliche Meinung zu beherr-
schen. — Alle Beweisführungen bei der neulich gehaltenen Conferenz
scheinen mir auf der Annahme zu beruhen, dass die japanische

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[171/0191] X. Schreiben des Herrn Harris. fahren gewarnt und ihre Sorge an den Tag gelegt, denselben Schutz- mittel zu gewähren. Es wurde nur verlangt, dass die Fremden die- selben Vorsichtsmaassregeln anwenden möchten, deren die Japaner sich ohne Ausnahme unter einander bedienen; denn es ist genugsam bekannt, dass alle, deren Rang dem der fremden Gesandten ent- spricht, eine zahlreiche Wache um ihre Wohnungen haben, und dass sie niemals ohne ein grosses Gefolge bewaffneter Trabanten ausgehen. Ist es gerecht zu verlangen, dass die Japaner uns mit anderen Mitteln vertheidigen, als sie zu ihrem eigenen Schutze ver- wenden? Wäre die Handlungsweise der japanischen Regierung trügerisch, wünschte sie in der That die Ermordung der fremden Gesandten, so würde der einfache Ausdruck eines solchen Wunsches genügen, und das Werk wäre in einer Stunde vollbracht. — Wir haben in Yeddo ungefähr neunzehn Monate in Sicherheit gelebt, und diese Thatsache beweist den Wunsch und die Fähigkeit der Regierung, uns hinreichenden Schutz angedeihen zu lassen. Die Ermordung des Herrn Heusken, des so ausgezeichneten Dolmetschers der amerikanischen Gesandtschaft, den alle betrauern und ich be- weine, ist seiner Nichtachtung der wiederholten Warnungen der japanischen Behörden zuzuschreiben, sich nicht fortwährend zur Nachtzeit Gefahren auszusetzen; sein Tod war die Erfüllung der Besorgnisse, die ich seit meiner ersten Ankunft in Yeddo gehegt habe. Wenn man die Handlungen dieser Regierung beurtheilt, so ist es von Wichtigkeit, die früheren politischen Vorgänge zu beden- ken. Mehr als zwei Jahrhunderte war das Land allen Fremden ver- schlossen; diese Schranke wird plötzlich beseitigt und das Reich dem Verkehr geöffnet. Es ist bekannt dass viele Männer von hohem Rang der neuen Ordnung der Dinge feind sind, dass ihre Opposition sich in der Hauptstadt concentrirt und hier in ihrer grössten Stärke empfunden wird. Die Kundgebungen feindseliger Gesinnung gehen lediglich von Trabanten der Daïmio’s aus, deren Ansichten der Abglanz von denen ihrer Herren sind. Nach meiner Anschauung ist es unzweifelhaft, dass die ungeheuere Erhöhung der Preise von Gegenständen allgemeinen Verbrauches nach der Zulassung des fremden Handels die feindseligen Gefühle verstärkt hat. Eine Re- gierung kann Verträge machen und deren Bestimmungen beobachten, aber es steht ausser ihrer Macht die öffentliche Meinung zu beherr- schen. — Alle Beweisführungen bei der neulich gehaltenen Conferenz scheinen mir auf der Annahme zu beruhen, dass die japanische

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/191>, abgerufen am 02.05.2024.