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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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X. Stellung der Deutschen in Japan.
die Theilnahme des Zollvereins und der anderen norddeutschen
Staaten wäre aber nur dann durchzusetzen gewesen, wenn er die-
selben als ein mit Preussen zusammengehöriges Politisches Ganzes
dargestellt und keinen anderen Souverain als den Regenten von
Preussen genannt hätte. Dazu war er keineswegs ermächtigt; eine
solche Täuschung wäre zudem bei den geographischen Kenntnissen
der Japaner und ihrem stäten Verkehr mit europäischen Diplomaten
nicht so leicht durchzuführen gewesen. Vielleicht ist der Zeitpunct
nicht fern, wo Japan mit allen Völkern, die kommen wollen, gern
Verträge schliesst; dann wird es dem Vertreter Preussens ein
Leichtes sein, die Theilnahme der anderen deutschen Staaten zu
erwirken; zur Zeit unserer Anwesenheit aber hätte die Regierung
des Taikun sich wohl am liebsten aller schon geschlossenen Ver-
träge entledigt, und liess keinen Staat zu, dessen sie sich irgend
erwehren konnte.

Die aus der Beschränkung des Vertrages auf Preussen er-
wachsenen Nachtheile betreffen wesentlich nur die Schiffahrt,
da ausser der preussischen die Flagge keines deutschen Staates in
Japan zugelassen wird; für die einzelnen Unterthanen und den
Handel derselben ist der Schaden nicht so erheblich. Als die
Regierung von Yeddo die Entfernung der Deutschen aus Japan
beschloss, verstand sie darunter nur solche, die dort selbständig
etablirt waren oder auswärtige deutsche Häuser vertraten, be-
trachtete dagegen alle, die Handelsfirmen der durch Verträge be-
rechtigten Nationen angehörten, als Unterthanen dieser Mächte;
deren Vertreter fuhren fort sie zu schützen und die japanische
Regierung gestattete ihren bleibenden Aufenthalt. Allen übrigen
dagegen entzogen die Diplomaten ihren Schutz, und Herr Alcock
ging so weit ein Publicandum zu erlassen, worin die englischen
Schiffsführer gewarnt wurden, Unterthanen eines Staates, der keinen
Vertrag mit Japan habe, auf ihren Schiffen dahin zu befördern,
wenn sie sich nicht der Bestrafung als Contravenienten gegen den
englischen Vertrag aussetzen wollten. -- Unterthanen des Zollvereins
und der anderen deutschen Staaten haben sich also nur in ein
Handlungshaus von vertragsberechtigter Nationalität aufnehmen
zu lassen, um in Japan leben zu dürfen und diplomatischen Schutzes
zu geniessen, dessen sie freilich verlustig gehen müssten, sobald sie
sich der Jurisdiction des sie schützenden Consularbeamten entziehen
wollten. Das Verhältniss ist also nicht normal. -- Deutsche

11*

X. Stellung der Deutschen in Japan.
die Theilnahme des Zollvereins und der anderen norddeutschen
Staaten wäre aber nur dann durchzusetzen gewesen, wenn er die-
selben als ein mit Preussen zusammengehöriges Politisches Ganzes
dargestellt und keinen anderen Souverain als den Regenten von
Preussen genannt hätte. Dazu war er keineswegs ermächtigt; eine
solche Täuschung wäre zudem bei den geographischen Kenntnissen
der Japaner und ihrem stäten Verkehr mit europäischen Diplomaten
nicht so leicht durchzuführen gewesen. Vielleicht ist der Zeitpunct
nicht fern, wo Japan mit allen Völkern, die kommen wollen, gern
Verträge schliesst; dann wird es dem Vertreter Preussens ein
Leichtes sein, die Theilnahme der anderen deutschen Staaten zu
erwirken; zur Zeit unserer Anwesenheit aber hätte die Regierung
des Taïkūn sich wohl am liebsten aller schon geschlossenen Ver-
träge entledigt, und liess keinen Staat zu, dessen sie sich irgend
erwehren konnte.

Die aus der Beschränkung des Vertrages auf Preussen er-
wachsenen Nachtheile betreffen wesentlich nur die Schiffahrt,
da ausser der preussischen die Flagge keines deutschen Staates in
Japan zugelassen wird; für die einzelnen Unterthanen und den
Handel derselben ist der Schaden nicht so erheblich. Als die
Regierung von Yeddo die Entfernung der Deutschen aus Japan
beschloss, verstand sie darunter nur solche, die dort selbständig
etablirt waren oder auswärtige deutsche Häuser vertraten, be-
trachtete dagegen alle, die Handelsfirmen der durch Verträge be-
rechtigten Nationen angehörten, als Unterthanen dieser Mächte;
deren Vertreter fuhren fort sie zu schützen und die japanische
Regierung gestattete ihren bleibenden Aufenthalt. Allen übrigen
dagegen entzogen die Diplomaten ihren Schutz, und Herr Alcock
ging so weit ein Publicandum zu erlassen, worin die englischen
Schiffsführer gewarnt wurden, Unterthanen eines Staates, der keinen
Vertrag mit Japan habe, auf ihren Schiffen dahin zu befördern,
wenn sie sich nicht der Bestrafung als Contravenienten gegen den
englischen Vertrag aussetzen wollten. — Unterthanen des Zollvereins
und der anderen deutschen Staaten haben sich also nur in ein
Handlungshaus von vertragsberechtigter Nationalität aufnehmen
zu lassen, um in Japan leben zu dürfen und diplomatischen Schutzes
zu geniessen, dessen sie freilich verlustig gehen müssten, sobald sie
sich der Jurisdiction des sie schützenden Consularbeamten entziehen
wollten. Das Verhältniss ist also nicht normal. — Deutsche

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[163/0183] X. Stellung der Deutschen in Japan. die Theilnahme des Zollvereins und der anderen norddeutschen Staaten wäre aber nur dann durchzusetzen gewesen, wenn er die- selben als ein mit Preussen zusammengehöriges Politisches Ganzes dargestellt und keinen anderen Souverain als den Regenten von Preussen genannt hätte. Dazu war er keineswegs ermächtigt; eine solche Täuschung wäre zudem bei den geographischen Kenntnissen der Japaner und ihrem stäten Verkehr mit europäischen Diplomaten nicht so leicht durchzuführen gewesen. Vielleicht ist der Zeitpunct nicht fern, wo Japan mit allen Völkern, die kommen wollen, gern Verträge schliesst; dann wird es dem Vertreter Preussens ein Leichtes sein, die Theilnahme der anderen deutschen Staaten zu erwirken; zur Zeit unserer Anwesenheit aber hätte die Regierung des Taïkūn sich wohl am liebsten aller schon geschlossenen Ver- träge entledigt, und liess keinen Staat zu, dessen sie sich irgend erwehren konnte. Die aus der Beschränkung des Vertrages auf Preussen er- wachsenen Nachtheile betreffen wesentlich nur die Schiffahrt, da ausser der preussischen die Flagge keines deutschen Staates in Japan zugelassen wird; für die einzelnen Unterthanen und den Handel derselben ist der Schaden nicht so erheblich. Als die Regierung von Yeddo die Entfernung der Deutschen aus Japan beschloss, verstand sie darunter nur solche, die dort selbständig etablirt waren oder auswärtige deutsche Häuser vertraten, be- trachtete dagegen alle, die Handelsfirmen der durch Verträge be- rechtigten Nationen angehörten, als Unterthanen dieser Mächte; deren Vertreter fuhren fort sie zu schützen und die japanische Regierung gestattete ihren bleibenden Aufenthalt. Allen übrigen dagegen entzogen die Diplomaten ihren Schutz, und Herr Alcock ging so weit ein Publicandum zu erlassen, worin die englischen Schiffsführer gewarnt wurden, Unterthanen eines Staates, der keinen Vertrag mit Japan habe, auf ihren Schiffen dahin zu befördern, wenn sie sich nicht der Bestrafung als Contravenienten gegen den englischen Vertrag aussetzen wollten. — Unterthanen des Zollvereins und der anderen deutschen Staaten haben sich also nur in ein Handlungshaus von vertragsberechtigter Nationalität aufnehmen zu lassen, um in Japan leben zu dürfen und diplomatischen Schutzes zu geniessen, dessen sie freilich verlustig gehen müssten, sobald sie sich der Jurisdiction des sie schützenden Consularbeamten entziehen wollten. Das Verhältniss ist also nicht normal. — Deutsche 11*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/183>, abgerufen am 24.11.2024.