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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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X. Mordanfall auf Heusken.
blieb noch zum Essen und einen Theil des Abends; wir sassen
in recht behaglicher Stimmung bei dem Gesandten, zufrieden dass
nun alle Noth und Mühe ein Ende habe, und dankbar namentlich
gegen Heusken, der nicht in gewöhnlicher Weise seine Schuldigkeit
gethan, sondern mit der wärmsten Freundschaft für unsere Zwecke
gearbeitet und nebenbei uns Allen den Aufenthalt in Yeddo so
angenehm gemacht hatte. -- Er verliess uns um halb neun. Gegen
zehn kam von der amerikanischen Gesandtschaft ein athemloser
Bote mit einem Billet des Herrn Harris: Heusken sei schwer ver-
wundet nach Hause gebracht worden und bedürfe schleunigst
ärztlicher Hülfe. Dr. Lucius, der eben schlafen gehen wollte, warf
sich sogleich wieder in die Kleider; Graf August zu Eulenburg,
die Herren von Brandt, von Richthofen und der Verfasser dieser
Blätter waffneten sich um ihn zu begleiten. Es war stockfinstere
Nacht und wir glaubten den etwa zwanzig Minuten langen Weg am
schnellsten und sichersten zu Fuss zurückzulegen, während Herr
Heine sein Pferd satteln liess und uns wenige hundert Schritt vor
dem amerikanischen Tempel vorbeiritt. -- Heuskens Zimmer war
schwach erleuchtet, er lag mit gebrochenen Zügen am Boden aus-
gestreckt in einer Blutlache; um ihn standen seine Diener und der
Photograph Wilson; zwei japanische Aerzte machten Vorbereitungen
zum Verbande der weit klaffenden Hiebwunde, die von der Gegend
des Nabels queer über den Unterleib fast bis zur Hüfte reichte.
Die Eingeweide waren blossgelegt und aus ihrer Lage gebracht, eine
Darmschlinge fast ganz durchschnitten. Dr. Lucius nähte, im Blute
knieend, zuerst diese, dann die äussere Wunde zusammen, während
einer der Freunde ihm leuchtete, mit der Rechten die todtenkalte
Hand Heuskens fassend, die in der seinen allmälich wieder erwarmte.
Der Verwundete war bei Bewusstsein, das Auge aber gebrochen,
der Puls fast unfühlbar. Das Nähen machte ihm grosse Schmerzen,
er stöhnte laut, fragte mit schwacher Stimme ob er sterben würde
und verlangte zu schlafen. Für die Umstehenden die nicht thätige
Hülfe leisten konnten -- auch der Abbe Girard und Dr. Myburgh
von der englischen Legation kamen bald herbei -- war der Anblick
so grässlich, die blutdünstende Atmosphäre des kleinen Zimmers so
betäubend, dass sie sich häufig abwenden und draussen frische
Luft schöpfen mussten. Nachdem die Wunde genäht war, schnitten
wir ihm die blutigen Kleider vom Leibe und entdeckten dabei noch
eine zweite Verletzung: ein Schwertstich war zwischen dem linken

X. Mordanfall auf Heusken.
blieb noch zum Essen und einen Theil des Abends; wir sassen
in recht behaglicher Stimmung bei dem Gesandten, zufrieden dass
nun alle Noth und Mühe ein Ende habe, und dankbar namentlich
gegen Heusken, der nicht in gewöhnlicher Weise seine Schuldigkeit
gethan, sondern mit der wärmsten Freundschaft für unsere Zwecke
gearbeitet und nebenbei uns Allen den Aufenthalt in Yeddo so
angenehm gemacht hatte. — Er verliess uns um halb neun. Gegen
zehn kam von der amerikanischen Gesandtschaft ein athemloser
Bote mit einem Billet des Herrn Harris: Heusken sei schwer ver-
wundet nach Hause gebracht worden und bedürfe schleunigst
ärztlicher Hülfe. Dr. Lucius, der eben schlafen gehen wollte, warf
sich sogleich wieder in die Kleider; Graf August zu Eulenburg,
die Herren von Brandt, von Richthofen und der Verfasser dieser
Blätter waffneten sich um ihn zu begleiten. Es war stockfinstere
Nacht und wir glaubten den etwa zwanzig Minuten langen Weg am
schnellsten und sichersten zu Fuss zurückzulegen, während Herr
Heine sein Pferd satteln liess und uns wenige hundert Schritt vor
dem amerikanischen Tempel vorbeiritt. — Heuskens Zimmer war
schwach erleuchtet, er lag mit gebrochenen Zügen am Boden aus-
gestreckt in einer Blutlache; um ihn standen seine Diener und der
Photograph Wilson; zwei japanische Aerzte machten Vorbereitungen
zum Verbande der weit klaffenden Hiebwunde, die von der Gegend
des Nabels queer über den Unterleib fast bis zur Hüfte reichte.
Die Eingeweide waren blossgelegt und aus ihrer Lage gebracht, eine
Darmschlinge fast ganz durchschnitten. Dr. Lucius nähte, im Blute
knieend, zuerst diese, dann die äussere Wunde zusammen, während
einer der Freunde ihm leuchtete, mit der Rechten die todtenkalte
Hand Heuskens fassend, die in der seinen allmälich wieder erwarmte.
Der Verwundete war bei Bewusstsein, das Auge aber gebrochen,
der Puls fast unfühlbar. Das Nähen machte ihm grosse Schmerzen,
er stöhnte laut, fragte mit schwacher Stimme ob er sterben würde
und verlangte zu schlafen. Für die Umstehenden die nicht thätige
Hülfe leisten konnten — auch der Abbé Girard und Dr. Myburgh
von der englischen Legation kamen bald herbei — war der Anblick
so grässlich, die blutdünstende Atmosphäre des kleinen Zimmers so
betäubend, dass sie sich häufig abwenden und draussen frische
Luft schöpfen mussten. Nachdem die Wunde genäht war, schnitten
wir ihm die blutigen Kleider vom Leibe und entdeckten dabei noch
eine zweite Verletzung: ein Schwertstich war zwischen dem linken

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[149/0169] X. Mordanfall auf Heusken. blieb noch zum Essen und einen Theil des Abends; wir sassen in recht behaglicher Stimmung bei dem Gesandten, zufrieden dass nun alle Noth und Mühe ein Ende habe, und dankbar namentlich gegen Heusken, der nicht in gewöhnlicher Weise seine Schuldigkeit gethan, sondern mit der wärmsten Freundschaft für unsere Zwecke gearbeitet und nebenbei uns Allen den Aufenthalt in Yeddo so angenehm gemacht hatte. — Er verliess uns um halb neun. Gegen zehn kam von der amerikanischen Gesandtschaft ein athemloser Bote mit einem Billet des Herrn Harris: Heusken sei schwer ver- wundet nach Hause gebracht worden und bedürfe schleunigst ärztlicher Hülfe. Dr. Lucius, der eben schlafen gehen wollte, warf sich sogleich wieder in die Kleider; Graf August zu Eulenburg, die Herren von Brandt, von Richthofen und der Verfasser dieser Blätter waffneten sich um ihn zu begleiten. Es war stockfinstere Nacht und wir glaubten den etwa zwanzig Minuten langen Weg am schnellsten und sichersten zu Fuss zurückzulegen, während Herr Heine sein Pferd satteln liess und uns wenige hundert Schritt vor dem amerikanischen Tempel vorbeiritt. — Heuskens Zimmer war schwach erleuchtet, er lag mit gebrochenen Zügen am Boden aus- gestreckt in einer Blutlache; um ihn standen seine Diener und der Photograph Wilson; zwei japanische Aerzte machten Vorbereitungen zum Verbande der weit klaffenden Hiebwunde, die von der Gegend des Nabels queer über den Unterleib fast bis zur Hüfte reichte. Die Eingeweide waren blossgelegt und aus ihrer Lage gebracht, eine Darmschlinge fast ganz durchschnitten. Dr. Lucius nähte, im Blute knieend, zuerst diese, dann die äussere Wunde zusammen, während einer der Freunde ihm leuchtete, mit der Rechten die todtenkalte Hand Heuskens fassend, die in der seinen allmälich wieder erwarmte. Der Verwundete war bei Bewusstsein, das Auge aber gebrochen, der Puls fast unfühlbar. Das Nähen machte ihm grosse Schmerzen, er stöhnte laut, fragte mit schwacher Stimme ob er sterben würde und verlangte zu schlafen. Für die Umstehenden die nicht thätige Hülfe leisten konnten — auch der Abbé Girard und Dr. Myburgh von der englischen Legation kamen bald herbei — war der Anblick so grässlich, die blutdünstende Atmosphäre des kleinen Zimmers so betäubend, dass sie sich häufig abwenden und draussen frische Luft schöpfen mussten. Nachdem die Wunde genäht war, schnitten wir ihm die blutigen Kleider vom Leibe und entdeckten dabei noch eine zweite Verletzung: ein Schwertstich war zwischen dem linken

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/169>, abgerufen am 24.11.2024.