seinem Hause zu besuchen, um die Spiele mit anzusehen. Ja, hiess es, wenn man krank sei, dann höre man wohl auf zu spielen, und wer sich, wie er, mit Staatsgeschäften befasse, der sei krank.
Der arme Hori! Wir sahen ihn zum letzten Male, er muss schon wenige Tage darauf ein schreckliches Ende genommen haben. Zur nächsten Conferenz, am 22. December, erschien statt seiner ein anderer Beamter, Muragaki Awadsi-no-kami, der als Gesandter in Amerika gewesen war. Hori, hiess es, sei unwohl und man könne nicht voraussehen, wann er genesen werde. Er hatte aber nach zuverlässigen Nachrichten schon damals das Harakiru voll- zogen; aus welchem Grunde, ist heute noch nicht aufgeklärt. Die später darüber in Umlauf gesetzten Gerüchte verdienen wenig Glauben, sollen aber an einer anderen Stelle erörtert werden. Für den Gesandten war Hori, mit dem er besonders seit Sakai's Ab- berufung vertrauter geworden war, ein grosser Verlust; sein feines verständiges Wesen hatte ihn Allen lieb gemacht die mit ihm in Berührung kamen.
Muragaki's Auftreten war das eines gewiegten Weltmannes, tactvoll, liebenswürdig, bestimmt. Er hatte den Vorzug Monate lang in täglicher Berührung mit der westländischen Civilisation ge- wesen zu sein, sprach mit Einsicht und Freimuth von seinen Reisen und schien den besten Willen zu den Verhandlungen mitzubringen. Graf Eulenburg musste Muragaki auf einer aus Amerika mitge- brachten Weltkarte die Lage von Berlin und dessen Breitengrad bezeichnen; es war ihm aber geläufig, dass die gleiche Breite zweier Orte nicht dasselbe Klima bedinge. Er that sehr verständige Fragen über Preussen und erläuterte die Mittheilungen des Gesandten durch Vergleichung mit Amerika oft recht treffend und scharfsinnig.
Zu den Verhandlungen schreitend bat Muragaki um Vor- legung der preussischen Vollmacht, liess sich auch die Unterschriften und das Wappen genau erklären, und producirte dann aus dem bewussten Sammetkasten das neue japanische Document, auf welchem sein Namen die erste Stelle einnahm. Der Zweck des Besuches war augenscheinlich nähere Aufklärung über den Begriff "Zollverein", die Stellung der mecklenburgischen Herzogthümer und der Hansestädte; er hatte auf seinen Reisen wohl von Preussen und Oestreich gehört, aber nicht von den anderen deutschen Staaten. Der Gesandte suchte ihm mit Benutzung der Karte die Sache klar zu machen und hielt sich dabei streng an die Wahrheit; --
IX. Vertrags-Verhandlungen.
seinem Hause zu besuchen, um die Spiele mit anzusehen. Ja, hiess es, wenn man krank sei, dann höre man wohl auf zu spielen, und wer sich, wie er, mit Staatsgeschäften befasse, der sei krank.
Der arme Hori! Wir sahen ihn zum letzten Male, er muss schon wenige Tage darauf ein schreckliches Ende genommen haben. Zur nächsten Conferenz, am 22. December, erschien statt seiner ein anderer Beamter, Muragaki Awadsi-no-kami, der als Gesandter in Amerika gewesen war. Hori, hiess es, sei unwohl und man könne nicht voraussehen, wann er genesen werde. Er hatte aber nach zuverlässigen Nachrichten schon damals das Harakiru voll- zogen; aus welchem Grunde, ist heute noch nicht aufgeklärt. Die später darüber in Umlauf gesetzten Gerüchte verdienen wenig Glauben, sollen aber an einer anderen Stelle erörtert werden. Für den Gesandten war Hori, mit dem er besonders seit Sakaï’s Ab- berufung vertrauter geworden war, ein grosser Verlust; sein feines verständiges Wesen hatte ihn Allen lieb gemacht die mit ihm in Berührung kamen.
Muragaki’s Auftreten war das eines gewiegten Weltmannes, tactvoll, liebenswürdig, bestimmt. Er hatte den Vorzug Monate lang in täglicher Berührung mit der westländischen Civilisation ge- wesen zu sein, sprach mit Einsicht und Freimuth von seinen Reisen und schien den besten Willen zu den Verhandlungen mitzubringen. Graf Eulenburg musste Muragaki auf einer aus Amerika mitge- brachten Weltkarte die Lage von Berlin und dessen Breitengrad bezeichnen; es war ihm aber geläufig, dass die gleiche Breite zweier Orte nicht dasselbe Klima bedinge. Er that sehr verständige Fragen über Preussen und erläuterte die Mittheilungen des Gesandten durch Vergleichung mit Amerika oft recht treffend und scharfsinnig.
Zu den Verhandlungen schreitend bat Muragaki um Vor- legung der preussischen Vollmacht, liess sich auch die Unterschriften und das Wappen genau erklären, und producirte dann aus dem bewussten Sammetkasten das neue japanische Document, auf welchem sein Namen die erste Stelle einnahm. Der Zweck des Besuches war augenscheinlich nähere Aufklärung über den Begriff »Zollverein«, die Stellung der mecklenburgischen Herzogthümer und der Hansestädte; er hatte auf seinen Reisen wohl von Preussen und Oestreich gehört, aber nicht von den anderen deutschen Staaten. Der Gesandte suchte ihm mit Benutzung der Karte die Sache klar zu machen und hielt sich dabei streng an die Wahrheit; —
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IX. Vertrags-Verhandlungen.
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hiess es, wenn man krank sei, dann höre man wohl auf zu spielen,
und wer sich, wie er, mit Staatsgeschäften befasse, der sei krank.
Der arme Hori! Wir sahen ihn zum letzten Male, er muss
schon wenige Tage darauf ein schreckliches Ende genommen haben.
Zur nächsten Conferenz, am 22. December, erschien statt seiner
ein anderer Beamter, Muragaki Awadsi-no-kami, der als Gesandter
in Amerika gewesen war. Hori, hiess es, sei unwohl und man
könne nicht voraussehen, wann er genesen werde. Er hatte aber
nach zuverlässigen Nachrichten schon damals das Harakiru voll-
zogen; aus welchem Grunde, ist heute noch nicht aufgeklärt. Die
später darüber in Umlauf gesetzten Gerüchte verdienen wenig
Glauben, sollen aber an einer anderen Stelle erörtert werden. Für
den Gesandten war Hori, mit dem er besonders seit Sakaï’s Ab-
berufung vertrauter geworden war, ein grosser Verlust; sein feines
verständiges Wesen hatte ihn Allen lieb gemacht die mit ihm in
Berührung kamen.
Muragaki’s Auftreten war das eines gewiegten Weltmannes,
tactvoll, liebenswürdig, bestimmt. Er hatte den Vorzug Monate
lang in täglicher Berührung mit der westländischen Civilisation ge-
wesen zu sein, sprach mit Einsicht und Freimuth von seinen Reisen
und schien den besten Willen zu den Verhandlungen mitzubringen.
Graf Eulenburg musste Muragaki auf einer aus Amerika mitge-
brachten Weltkarte die Lage von Berlin und dessen Breitengrad
bezeichnen; es war ihm aber geläufig, dass die gleiche Breite zweier
Orte nicht dasselbe Klima bedinge. Er that sehr verständige Fragen
über Preussen und erläuterte die Mittheilungen des Gesandten durch
Vergleichung mit Amerika oft recht treffend und scharfsinnig.
Zu den Verhandlungen schreitend bat Muragaki um Vor-
legung der preussischen Vollmacht, liess sich auch die Unterschriften
und das Wappen genau erklären, und producirte dann aus dem
bewussten Sammetkasten das neue japanische Document, auf
welchem sein Namen die erste Stelle einnahm. Der Zweck des
Besuches war augenscheinlich nähere Aufklärung über den Begriff
»Zollverein«, die Stellung der mecklenburgischen Herzogthümer
und der Hansestädte; er hatte auf seinen Reisen wohl von Preussen
und Oestreich gehört, aber nicht von den anderen deutschen Staaten.
Der Gesandte suchte ihm mit Benutzung der Karte die Sache
klar zu machen und hielt sich dabei streng an die Wahrheit; —
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/147>, abgerufen am 16.02.2025.
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