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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Vertrags-Verhandlungen. IX.
zweien für die preussische und zweien für die japanische Regierung
-- ausgefertigt würde. Er übergab ihnen zugleich die holländische
Uebersetzung eines auf Grundlage der angenommenen Puncte aus-
gearbeiteten Vertrags-Entwurfes, in welchen nicht nur die Zoll-
vereins-Staaten, sondern auch die mecklenburgischen Grossherzog-
thümer und die Hansestädte aufgenommen waren; die Bunyo's aber
versprachen, denselben sogleich in das Holländische übertragen zu
lassen und aufmerksam zu prüfen, damit er als Grundlage der
künftigen Verhandlungen dienen könne. Hätte man nicht gewusst,
von wie geringem Gewichte die Ansichten der Bunyo's bei dem
Minister des Auswärtigen und im Staatsrath waren, so konnte ihr
damaliges Verhalten die Hoffnung des vollständigsten Erfolges er-
wecken; aber der Gesandte liess sich keineswegs täuschen und
beschloss diese wichtige Angelegenheit mit dem Minister selbst
zu erörtern.

Das politische Gespräch wurde abgebrochen und man setzte
sich zum Frühstück. Graf Eulenburg bat die Bevollmächtigten, ihr
Gefolge, -- das diesmal aus zehn Personen bestand, -- künftig
möglichst zu beschränken, damit man sich vertraulicher besprechen
könne; sie behaupteten aber, Jeder der Anwesenden habe seine be-
stimmte unerlässliche Function und man könne sich auf ihre Dis-
cretion verlassen. -- Hori wurde im Verlauf der Unterhaltung wieder
mit Fragen gefoltert, namentlich über das japanische Heerwesen. Er
konnte nicht fassen, dass in Preussen Jeder gemeiner Soldat
werden muss, da man in Japan mit seinem militärischen Range zur
Welt kommt. Jeder Samrai ist von Jugend auf zur Waffenübung
verpflichtet, leistet als Jüngling seinem Lehnsherrn den Eid der
Treue und tritt mit seinem angeborenen Range in dessen Sold.
Die Menge der japanischen Soldaten nannte Hori "unzählbar"; sie
ist aber den Behörden gewiss bekannt. Revuen finden nicht statt;
man zieht höchstens tausend Mann zusammen und exercirt in um-
schlossenen Räumen, um jeden Auflauf zu vermeiden. -- Hori fragte,
um dieses verfängliche Gespräch abzubrechen, ganz plötzlich, ob
man in Preussen auch Drachen steigen lasse und ob auch ältere
Personen sich damit vergnügten. Der Gesandte anwortete, bei uns
spielten die Kinder am liebsten Soldat; aber der schlaue Japaner
liess sich nicht irre machen, sondern erwiderte ruhig, es gäbe in
Japan auch Brummdrachen. Er fuhr fort von den japanischen Spielen
zu reden, und Graf Eulenburg äusserte den Wunsch, ihn einmal in

Vertrags-Verhandlungen. IX.
zweien für die preussische und zweien für die japanische Regierung
— ausgefertigt würde. Er übergab ihnen zugleich die holländische
Uebersetzung eines auf Grundlage der angenommenen Puncte aus-
gearbeiteten Vertrags-Entwurfes, in welchen nicht nur die Zoll-
vereins-Staaten, sondern auch die mecklenburgischen Grossherzog-
thümer und die Hansestädte aufgenommen waren; die Bunyo’s aber
versprachen, denselben sogleich in das Holländische übertragen zu
lassen und aufmerksam zu prüfen, damit er als Grundlage der
künftigen Verhandlungen dienen könne. Hätte man nicht gewusst,
von wie geringem Gewichte die Ansichten der Bunyo’s bei dem
Minister des Auswärtigen und im Staatsrath waren, so konnte ihr
damaliges Verhalten die Hoffnung des vollständigsten Erfolges er-
wecken; aber der Gesandte liess sich keineswegs täuschen und
beschloss diese wichtige Angelegenheit mit dem Minister selbst
zu erörtern.

Das politische Gespräch wurde abgebrochen und man setzte
sich zum Frühstück. Graf Eulenburg bat die Bevollmächtigten, ihr
Gefolge, — das diesmal aus zehn Personen bestand, — künftig
möglichst zu beschränken, damit man sich vertraulicher besprechen
könne; sie behaupteten aber, Jeder der Anwesenden habe seine be-
stimmte unerlässliche Function und man könne sich auf ihre Dis-
cretion verlassen. — Hori wurde im Verlauf der Unterhaltung wieder
mit Fragen gefoltert, namentlich über das japanische Heerwesen. Er
konnte nicht fassen, dass in Preussen Jeder gemeiner Soldat
werden muss, da man in Japan mit seinem militärischen Range zur
Welt kommt. Jeder Samraï ist von Jugend auf zur Waffenübung
verpflichtet, leistet als Jüngling seinem Lehnsherrn den Eid der
Treue und tritt mit seinem angeborenen Range in dessen Sold.
Die Menge der japanischen Soldaten nannte Hori »unzählbar«; sie
ist aber den Behörden gewiss bekannt. Revuen finden nicht statt;
man zieht höchstens tausend Mann zusammen und exercirt in um-
schlossenen Räumen, um jeden Auflauf zu vermeiden. — Hori fragte,
um dieses verfängliche Gespräch abzubrechen, ganz plötzlich, ob
man in Preussen auch Drachen steigen lasse und ob auch ältere
Personen sich damit vergnügten. Der Gesandte anwortete, bei uns
spielten die Kinder am liebsten Soldat; aber der schlaue Japaner
liess sich nicht irre machen, sondern erwiderte ruhig, es gäbe in
Japan auch Brummdrachen. Er fuhr fort von den japanischen Spielen
zu reden, und Graf Eulenburg äusserte den Wunsch, ihn einmal in

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[126/0146] Vertrags-Verhandlungen. IX. zweien für die preussische und zweien für die japanische Regierung — ausgefertigt würde. Er übergab ihnen zugleich die holländische Uebersetzung eines auf Grundlage der angenommenen Puncte aus- gearbeiteten Vertrags-Entwurfes, in welchen nicht nur die Zoll- vereins-Staaten, sondern auch die mecklenburgischen Grossherzog- thümer und die Hansestädte aufgenommen waren; die Bunyo’s aber versprachen, denselben sogleich in das Holländische übertragen zu lassen und aufmerksam zu prüfen, damit er als Grundlage der künftigen Verhandlungen dienen könne. Hätte man nicht gewusst, von wie geringem Gewichte die Ansichten der Bunyo’s bei dem Minister des Auswärtigen und im Staatsrath waren, so konnte ihr damaliges Verhalten die Hoffnung des vollständigsten Erfolges er- wecken; aber der Gesandte liess sich keineswegs täuschen und beschloss diese wichtige Angelegenheit mit dem Minister selbst zu erörtern. Das politische Gespräch wurde abgebrochen und man setzte sich zum Frühstück. Graf Eulenburg bat die Bevollmächtigten, ihr Gefolge, — das diesmal aus zehn Personen bestand, — künftig möglichst zu beschränken, damit man sich vertraulicher besprechen könne; sie behaupteten aber, Jeder der Anwesenden habe seine be- stimmte unerlässliche Function und man könne sich auf ihre Dis- cretion verlassen. — Hori wurde im Verlauf der Unterhaltung wieder mit Fragen gefoltert, namentlich über das japanische Heerwesen. Er konnte nicht fassen, dass in Preussen Jeder gemeiner Soldat werden muss, da man in Japan mit seinem militärischen Range zur Welt kommt. Jeder Samraï ist von Jugend auf zur Waffenübung verpflichtet, leistet als Jüngling seinem Lehnsherrn den Eid der Treue und tritt mit seinem angeborenen Range in dessen Sold. Die Menge der japanischen Soldaten nannte Hori »unzählbar«; sie ist aber den Behörden gewiss bekannt. Revuen finden nicht statt; man zieht höchstens tausend Mann zusammen und exercirt in um- schlossenen Räumen, um jeden Auflauf zu vermeiden. — Hori fragte, um dieses verfängliche Gespräch abzubrechen, ganz plötzlich, ob man in Preussen auch Drachen steigen lasse und ob auch ältere Personen sich damit vergnügten. Der Gesandte anwortete, bei uns spielten die Kinder am liebsten Soldat; aber der schlaue Japaner liess sich nicht irre machen, sondern erwiderte ruhig, es gäbe in Japan auch Brummdrachen. Er fuhr fort von den japanischen Spielen zu reden, und Graf Eulenburg äusserte den Wunsch, ihn einmal in

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/146>, abgerufen am 05.05.2024.