[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.VII. Gespräche mit den Bunyo's. von Stande aber immer einen eigenen Sendling schickten und dreiItsibu dafür bezahlten. Ganz unmöglich wäre es nicht und würde zu manchen anderen Absurditäten passen, wenn die Japaner ihr "Noblesse oblige" so weit trieben. -- Gleich unglaublich klangen Hori's Mittheilungen über Capitalien - Anlagen und Zinsfuss: man zahle vier bis fünf, in manchen Fällen auch zehn Procent monatlich, der Schuldner mache mit dem Gläubiger einen schrift- lichen Contract und werde gerichtlich bestraft, wenn er seine Ver- bindlichkeiten nicht erfülle. -- Auf seine Fragen über das Schul- wesen erhielt Graf Eulenburg die Auskunft, dass es Privat- und Regierungsschulen gäbe; in letzteren würde kein Schulgeld bezahlt, doch bedürfe es zur Aufnahme einer besonderen Erlaubniss; -- diese Anstalten scheinen ausschliesslich für Söhne der Samrai bestimmt zu sein. Wer sich dort auszeichne, werde gleich nach beendetem Lehrcursus angestellt und besoldet. Ein Schulzwang bestehe nicht und sei auch nicht nothwendig; die Eltern aller Stände sorgten aus eigenem Antriebe sehr eifrig für den Unterricht ihrer Kinder. -- Ferner über die medicinische Praxis: sie stehe nicht unter Aufsicht der Regierung, doch bildeten die Aerzte unter sich eine Gilde, und müssten vor derselben ein Examen bestehen, um zur Praxis zugelassen zu werden. -- Für die Kenntniss der Landes- gesetze, namentlich der älteren, trage man in den Schulen Sorge; die "Gesetze für Kaufleute und Handwerker" -- wahrscheinlich Polizei-Vorschriften -- hingen, auf Tafeln geschrieben, in allen Strassen aus; die für die Samrai pflanzten sich durch mündliche Ueberlieferung vom Vater auf den Sohn fort; zuweilen hätten Beamte sich damit beschäftigt, diese Gesetze zu sammeln und auf- zuschreiben, doch gebe es kein allgemeines Gesetzbuch; alle Straf- gesetze würden geheim gehalten. -- Danach möchte es schwer sein, sich von der japanischen Rechtspflege einen Begriff zu machen. -- Auch Hori's Mittheilungen über den Handwerkerstand klangen ungereimt: es gäbe Zünfte, die Meisterschaft vererbe sich in der Familie, zuweilen aber würden Meister von der Gilde erwählt, oft erreiche Einer diese Stellung auch durch sein Vermögen. Jeder könne ein beliebiges Handwerk ergreifen und für sich oder in der Gilde arbeiten. Die Unterhaltung blieb desultorisch und unfruchtbar, doch VII. Gespräche mit den Bunyo’s. von Stande aber immer einen eigenen Sendling schickten und dreiItsibu dafür bezahlten. Ganz unmöglich wäre es nicht und würde zu manchen anderen Absurditäten passen, wenn die Japaner ihr »Noblesse oblige« so weit trieben. — Gleich unglaublich klangen Hori’s Mittheilungen über Capitalien - Anlagen und Zinsfuss: man zahle vier bis fünf, in manchen Fällen auch zehn Procent monatlich, der Schuldner mache mit dem Gläubiger einen schrift- lichen Contract und werde gerichtlich bestraft, wenn er seine Ver- bindlichkeiten nicht erfülle. — Auf seine Fragen über das Schul- wesen erhielt Graf Eulenburg die Auskunft, dass es Privat- und Regierungsschulen gäbe; in letzteren würde kein Schulgeld bezahlt, doch bedürfe es zur Aufnahme einer besonderen Erlaubniss; — diese Anstalten scheinen ausschliesslich für Söhne der Samraï bestimmt zu sein. Wer sich dort auszeichne, werde gleich nach beendetem Lehrcursus angestellt und besoldet. Ein Schulzwang bestehe nicht und sei auch nicht nothwendig; die Eltern aller Stände sorgten aus eigenem Antriebe sehr eifrig für den Unterricht ihrer Kinder. — Ferner über die medicinische Praxis: sie stehe nicht unter Aufsicht der Regierung, doch bildeten die Aerzte unter sich eine Gilde, und müssten vor derselben ein Examen bestehen, um zur Praxis zugelassen zu werden. — Für die Kenntniss der Landes- gesetze, namentlich der älteren, trage man in den Schulen Sorge; die »Gesetze für Kaufleute und Handwerker« — wahrscheinlich Polizei-Vorschriften — hingen, auf Tafeln geschrieben, in allen Strassen aus; die für die Samraï pflanzten sich durch mündliche Ueberlieferung vom Vater auf den Sohn fort; zuweilen hätten Beamte sich damit beschäftigt, diese Gesetze zu sammeln und auf- zuschreiben, doch gebe es kein allgemeines Gesetzbuch; alle Straf- gesetze würden geheim gehalten. — Danach möchte es schwer sein, sich von der japanischen Rechtspflege einen Begriff zu machen. — Auch Hori’s Mittheilungen über den Handwerkerstand klangen ungereimt: es gäbe Zünfte, die Meisterschaft vererbe sich in der Familie, zuweilen aber würden Meister von der Gilde erwählt, oft erreiche Einer diese Stellung auch durch sein Vermögen. Jeder könne ein beliebiges Handwerk ergreifen und für sich oder in der Gilde arbeiten. Die Unterhaltung blieb desultorisch und unfruchtbar, doch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0125" n="105"/><fw place="top" type="header">VII. Gespräche mit den <hi rendition="#k">Bunyo</hi>’s.</fw><lb/> von Stande aber immer einen eigenen Sendling schickten und drei<lb/><hi rendition="#k">Itsibu</hi> dafür bezahlten. 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VII. Gespräche mit den Bunyo’s.
von Stande aber immer einen eigenen Sendling schickten und drei
Itsibu dafür bezahlten. Ganz unmöglich wäre es nicht und würde
zu manchen anderen Absurditäten passen, wenn die Japaner ihr
»Noblesse oblige« so weit trieben. — Gleich unglaublich klangen
Hori’s Mittheilungen über Capitalien - Anlagen und Zinsfuss:
man zahle vier bis fünf, in manchen Fällen auch zehn Procent
monatlich, der Schuldner mache mit dem Gläubiger einen schrift-
lichen Contract und werde gerichtlich bestraft, wenn er seine Ver-
bindlichkeiten nicht erfülle. — Auf seine Fragen über das Schul-
wesen erhielt Graf Eulenburg die Auskunft, dass es Privat- und
Regierungsschulen gäbe; in letzteren würde kein Schulgeld bezahlt,
doch bedürfe es zur Aufnahme einer besonderen Erlaubniss; —
diese Anstalten scheinen ausschliesslich für Söhne der Samraï
bestimmt zu sein. Wer sich dort auszeichne, werde gleich nach
beendetem Lehrcursus angestellt und besoldet. Ein Schulzwang
bestehe nicht und sei auch nicht nothwendig; die Eltern aller Stände
sorgten aus eigenem Antriebe sehr eifrig für den Unterricht ihrer
Kinder. — Ferner über die medicinische Praxis: sie stehe nicht
unter Aufsicht der Regierung, doch bildeten die Aerzte unter sich
eine Gilde, und müssten vor derselben ein Examen bestehen, um
zur Praxis zugelassen zu werden. — Für die Kenntniss der Landes-
gesetze, namentlich der älteren, trage man in den Schulen Sorge;
die »Gesetze für Kaufleute und Handwerker« — wahrscheinlich
Polizei-Vorschriften — hingen, auf Tafeln geschrieben, in allen
Strassen aus; die für die Samraï pflanzten sich durch mündliche
Ueberlieferung vom Vater auf den Sohn fort; zuweilen hätten
Beamte sich damit beschäftigt, diese Gesetze zu sammeln und auf-
zuschreiben, doch gebe es kein allgemeines Gesetzbuch; alle Straf-
gesetze würden geheim gehalten. — Danach möchte es schwer sein,
sich von der japanischen Rechtspflege einen Begriff zu machen. —
Auch Hori’s Mittheilungen über den Handwerkerstand klangen
ungereimt: es gäbe Zünfte, die Meisterschaft vererbe sich in der
Familie, zuweilen aber würden Meister von der Gilde erwählt, oft
erreiche Einer diese Stellung auch durch sein Vermögen. Jeder
könne ein beliebiges Handwerk ergreifen und für sich oder in der
Gilde arbeiten.
Die Unterhaltung blieb desultorisch und unfruchtbar, doch
mögen Hori’s Angaben viel Wahres enthalten, und deshalb als
Anhaltspuncte künftiger Erkundigungen hier eine Stelle finden. —
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